Symbolbild: Zuckerrübenernte
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Schrumpelige Gummirüben: Eine Zikade überträgt eine neue Krankheit auf Zuckerrüben

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Neuer Zuckerrüben-Schädling: Was hilft gegen Gummirüben?

Neuer Zuckerrüben-Schädling: Was hilft gegen Gummirüben?

Eine neue Pflanzenkrankheit bereitet Landwirten Sorgen: Sie lässt Zuckerrüben schrumpelig und weich werden – zu sogenannten Gummirüben. Übertragen wird die Krankheit von einer Zikade. Wie versucht wird, den Schädling zu stoppen.

Über dieses Thema berichtet: Unser Land am .

Das Insekt ist auf den Rübenblättern kaum zu sehen: die Schilf-Glasflügelzikade. Nicht mal einen Zentimeter ist sie groß und überträgt die bisher kaum erforschte Krankheit Stolbur. Zuckerrüben werden dadurch zu Gummirüben. Vor allem in Franken hat sich die Zikade extrem ausgebreitet. Im vergangenen Jahr waren von Stolbur und SBR – einer weiteren Rübenkrankheit – rund 10.000 Hektar der insgesamt 23.000 Hektar Anbaufläche von Zuckerrüben betroffen. Und die wärmeliebenden Insekten breiten sich immer mehr aus – jedes Jahr dringen sie rund 30 Kilometer weiter vor.

Wurzeln weich wie Gummi – kaum lagerfähige Zuckerrüben

Landwirt Johannes Menth aus Rittershausen im Landkreis Würzburg erinnert sich an die vergangene Ernte 2023: "Ende August fingen die Blätter plötzlich an zu welken, wurden gelb und die Rüben schrumpelten, die Wurzeln wurden ganz weich – wie Gummi." Statt der erwarteten 100 Tonnen pro Hektar erntete Menth nur die Hälfte. Die befallenen Rüben hatten einen niedrigen Zuckergehalt und waren kaum lagerfähig.

In der Zuckerfabrik müssen befallene Rüben deshalb schnell verarbeitet werden – auch logistisch ein Problem. "Es ist die größte Herausforderung im Rübenanbau, die wir vielleicht jemals hatten! Es wird nicht gelingen, bis zum nächsten Anbaujahr hier irgendwas zu haben, was uns aus der Krise raushilft", fürchtet Landwirt Johannes Menth, der auch Vorsitzender des Verbands Fränkischer Zuckerrübenbauer ist. "Wir müssen jetzt durch ein paar harte Jahre durch."

Schilf-Glasflügelzikade als Überträger der Zuckerrübenkrankheiten

Bekannt ist die Schilf-Glasflügelzikade schon länger. Bisher hat sie die Rüben mit der Krankheit SBR (Syndrom Basses Richesses) infiziert und dadurch vor allem den Zuckergehalt der Rüben verringert. Im vergangenen Herbst kam dann zum ersten Mal Stolbur hinzu.

Immerhin: Der Kampf gegen die Schilf-Glasflügelzikade hat begonnen. Einmal wöchentlich kontrolliert Matthias Strebel vom Verband Fränkischer Zuckerrübenbauer fast 200 in den Feldern aufgestellte Gelbtafeln. An diesen Leimfallen bleiben die Schädlinge kleben. So kann er kontrollieren, ob und wie stark sich die Zikaden ausbreiten. Strebel ist Agrarwissenschaftler und koordiniert unter anderem in Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) verschiedene Versuche im Kampf gegen die Gummirüben.

Durch Umstellung der Fruchtfolge Larvenanzahl verringern

Eine mögliche Lösung: Die Fruchtfolge umstellen. Denn oft wird nach der Zuckerrübenernte noch im Herbst Winterweizen gesät und an den Wurzeln des Weizens ernähren sich dann die Larven der Zikaden – die Nymphen – und können so im Boden überwintern.

Im nächsten Sommer fliegen die Zikaden dann wieder aus und infizieren benachbarte Rübenfelder. Ziel ist es daher, die Nymphen über den Winter quasi auszuhungern und erst im Frühjahr eine Sommerfrucht wie zum Beispiel Mais zu säen.

Alternativ lässt Strebel auf Versuchsflächen auch gebeiztes, also mit Pflanzenschutzmitteln behandeltes Rüben-Saatgut testen. Dazu vergleicht er Standardbeize mit neu entwickelten Beizen und will herausfinden, mit welchen sich die Anzahl der Nymphen im Boden reduzieren lässt.

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Die Schilf-Glasflügelzikade überträgt die Krankheit Stolbur und lässt Zuckerrüben zu sogenannten Gummirüben werden

Zitronenaroma als alternatives Abwehrmittel

Ein anderes mögliches Abwehrmittel für die Schilf-Glasflügelzikade: Zitronen-Geruch. In Gelchsheim im Landkreis Würzburg wird damit experimentiert. Der Ort ist eine von vier Modellregionen bundesweit im Kampf gegen die Gummirüben-Schädlinge.

Auf rund 160 Hektar testen Landwirte gemeinsam mit Verbänden, Wissenschaftlern und der Firma Südzucker großflächig und praxisnah neueste Forschungsergebnisse – unter anderem auch das Zitronenaroma. Denn das mögen die Zikaden offenbar nicht.

Ab Ende Mai, wenn sie mit ihrem Flug beginnen, werden die Zuckerrüben regelmäßig mit Zitrusöl behandelt. Viele Landwirte setzen auch auf Schwefel – in der Hoffnung, die bisher gut entwickelten Rüben irgendwie zu schützen. Parallel dazu wird getestet, ob bereits zugelassene Pflanzenschutzmittel auch gegen die Zikade wirken.

Züchtung toleranter Sorten

Die meiste Hoffnung ruht aber auf der Züchtung. Inmitten eines Zuckerrübenackers von Johannes Menth wurden in einem sogenannten Exaktversuch 54 verschiedene Sorten gesät, die zum Teil noch gar nicht zugelassen sind. Gegenüber der Krankheit SBR, die niedrige Zuckergehalte verursacht, haben sich viele der Sorten bereits tolerant gezeigt und erzielen gute Ernteergebnisse.

Die Versuche sollen zeigen, ob die Sorten womöglich auch gegen Stolbur, die Gummirüben-Krankheit, tolerant sind. Erste Ergebnisse und Empfehlungen für die Landwirte wird es nach der Ernte im Herbst geben.

Unterdessen sind die ersten Zikaden bei den Zuckerrüben von Landwirt Menth schon angekommen. Der Landwirt ist trotzdem optimistisch, angesichts der vielen Initiativen und Ideen, die seit der schlechten Ernte im vergangenen Jahr entstanden sind: "Der Austausch ist unglaublich gut - und deswegen würde ich fast jede Wette drauf abschließen, dass wir es schaffen und auch in Zukunft in Franken erfolgreich Zuckerrüben anbauen!"

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Sortenversuch auf einem Acker bei Rittershausen (Lkr. Würzburg)

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