Bayerischer Landtag in München (Archivbild)
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Gutachten: "Extremismusklausel" in Bayern wäre möglich

Der Landtag kann verfassungsfeindlichen Mitarbeitern die Zahlung von Landtags-Geldern verweigern – es bräuchte dafür aber neue gesetzliche Grundlagen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Gutachten, das Landtagspräsidentin Aigner heute in München vorstellte.

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Der Landtag kann verfassungsfeindlichen und extremistischen Mitarbeitern von Abgeordneten oder Fraktionen die Auszahlung von Geldern aus Steuermitteln verweigern. Nötig dafür sind aber neue gesetzliche Regelungen.

Konkret müssten Abgeordnetengesetz, Fraktionsgesetz und Verfassungsschutzgesetz geändert werden. Zu diesem Ergebnis kommt das vom Landtag in Auftrag gegebene Gutachten zur "Extremismusklausel" des Juristen Tristan Barczak, Professor für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und das Recht der neuen Technologien an der Universität Passau.

Rechtliche Hürden sind hoch

Das freie Mandat von Abgeordneten ist ein "hohes Gut und von der Verfassung geschützt", sagte Landtagspräsidentin Ilse Aigner (CSU) bei der Vorstellung des Gutachtens in München. Es sei gut gewesen, hier Rechtsrat einzuholen, die Materie sei komplex. Wer für die Fraktionen des Landtags oder einzelne Abgeordnete arbeitet, bekommt sein Geld vom Staat, also vom Steuerzahler. Die Arbeitsverträge schließen die Mitarbeiter aber mit den jeweiligen Abgeordneten.

Auf 230 Seiten hat Jurist Barczak geprüft, ob diese staatliche "Aufwandserstattung" auch an "verfassungsfeindliche" Mitarbeiter der Abgeordneten gezahlt werden muss und ob eine "Extremismusklausel" eine Auszahlung verhindern könnte. Zudem behandelte Barczak die Frage, ob diese Klausel auch auf Fälle der Spionage für andere Staaten erweitert werden könnte.

Fraktionen sind am Zug - Änderungen noch 2024?

Laut Tristan Barczak sind nun die Fraktionen am Zug, sie müssten konkrete Gesetzesänderungsvorschläge ins Parlament einbringen, um eine "Extremismusklausel" zu verankern. Empfehlungen lägen seinem Gutachten bei. Landtagspräsidentin Aigner will nun schnell das Gespräch mit den Fraktionen suchen. "Im Laufe des Jahres könnte man eine Gesetzänderung hinbekommen, wenn man will."

Zuletzt zeigten Recherchen des Bayerischen Rundfunks, dass sowohl im Bundestag in Berlin als auch im Bayerischen Landtag Menschen für die jeweiligen AfD-Fraktionen arbeiten, die einen rechtsextremen Hintergrund haben.

In der Bundestagsfraktion wurden mehr als 100 Mitarbeiter ermittelt, die in vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Organisationen tätig sind. Der Bayerische Landtag prüfte nach eigenen Angaben vier Fälle, ebenfalls alles Mitarbeiter von AfD-Abgeordneten. Sollte eine "Extremismusklausel" kommen, gelte sie natürlich für alle Fraktionen, betonte Aigner.

AfD: "Erneuter Angriff auf die Demokratie"

Die AfD im Landtag wirft Aigner vor, sich mit diesem Vorhaben "exklusiv gegen die AfD" zu richten. „Die bayerische Demokratie entwickelt zunehmend autokratische Züge", teilte der parlamentarische Geschäftsführer Christoph Maier mit. "Jetzt möchte Ilse Aigner per Gesetz regeln, dass nur noch Abgeordneten-Mitarbeiter, die ihr genehm sind, Gehälter beziehen können."

Die "demokratischen" Fraktionen im Landtag seien jetzt aufgefordert, eine "rechtssichere gesetzliche Regelung zu erarbeiten", schrieb Freie-Wähler-Fraktionschef Florian Streibl BR24. "Feinde unserer Verfassung dürfen keinen Nutzen aus Steuergeldern ziehen."

So sehen es auch die Landtags-Grünen. Deren parlamentarischer Geschäftsführer Jürgen Mistol ließ wissen: "Wir Grüne sind gesprächsbereit und werden uns entschieden dafür einsetzen, eine rechtssichere Lösung zu finden."

Die SPD warnt vor "rechtlichen Schnellschüssen, um der AfD keine Möglichkeit zu geben, ihr primitives Opferrollenspiel zu inszenieren". Regelungen mit Hand und Fuß bedürften einer intensiven parlamentarischen Diskussion, so Horst Arnold, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion auf BR24-Anfrage.

CSU sieht Bayern als Vorreiter für Deutschland

Man treffe keine leichtfertigen Entscheidungen, heißt es aus der CSU-Fraktion. Aber man sei sich der Verantwortung bewusst, so der parlamentarische Geschäftsführer Michael Hofmann. "Der Bayerische Landtag kann einmal mehr in schwierigen Zeiten Vorreiter für ganz Deutschland sein."

Tatsächlich wäre eine solche "Extremismusklausel", wie sie Jurist Barczak in seinem Gutachten vorschlägt, deutschlandweit bisher einmalig. Die Grundlinien des Gutachtens ließen sich für alle Länder und den Bund "generalisieren", sagte Barczak und Aigner ergänzte: Ihre Kolleginnen und Kollegen seien schon "ganz elektrisiert". Auch die Bundestagsverwaltung dürfte an dem Gutachten Interesse haben, weil sie vor denselben Problemen stehe, so Aigner.

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