Der Reichstag in Berlin
Bildrechte: BR/Beatrix Rottmann

Die Bundestagsverwaltung will den Deutschen Bundestag künftig besser vor Verfassungsfeinden schützen.

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Gutachten: Mehr Schutz für den Bundestag vor Verfassungsfeinden

Der Verfassungsschutz soll Abgeordnete überprüfen können, die in sensiblen Sicherheitsbereichen arbeiten. Das schlägt ein Gutachten im Auftrag des Bundestages vor. Es lotet aus, wie sich das Parlament besser gegen Verfassungsfeinde schützen kann.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Das Bundesamt für Verfassungsschutz soll Abgeordnete einer sogenannten Sicherheitsüberprüfung unterziehen können. Das ist ein Vorschlag, den der Verfassungsrechtler Klaus Gärditz von der Universität Bonn in seinem Gutachten nennt. Das Papier liegt BR Recherche vor. Demnach würden künftig Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr), des Verteidigungs- und Außenausschusses sowie sicherheitsrelevanter Untersuchungsausschüsse überprüft. In Ausnahmefällen auch im Justiz- und Innenausschuss. Hintergrund: Mitglieder dieser Gremien und Ausschüsse haben Einsicht in sensible Dokumente. Die Mitarbeiter dieser Abgeordneten sollen ebenfalls überprüft werden.

Bisher sind diese Prüfungen nicht derart umfassend. Der Verfassungsrechtler Gärditz hält die Änderung für notwendig und verweist auf die sich häufenden Fälle "immer aggressiverer Spionage, Sabotage und Anwerbung durch ausländische Nachrichtendienste". Abgeordnete seien "weiche Ziele".

Weiter heißt es: "Eine Sicherheitsüberprüfung wird nicht erst dann erforderlich, wenn es bereits zu Rechtsverletzungen gekommen ist. Sie dient vielmehr präventiv dazu, solche künftig zu verhindern."

Fällt ein Abgeordneter durch diese Überprüfung, wird der Zugang zu den eingestuften Inhalten verwehrt.

Bundestagspräsidentin: Mehr Sicherheit für das Parlament

Seit Monaten fordert die Präsidentin des Bundestages, Bärbel Bas (SPD), mehr Sicherheit für das Parlament. Kurz vor der Sommerpause liegt Bas nun das 132-seitige Gutachten sowie einen Vorschlag zu konkreten Gesetzesänderungen vor. Darin festgehalten sind, welche Maßnahmen der Bundestag einleiten müsste, um "das Parlament besser vor verfassungsfeindlichen Einflüssen und Aktionen" zu schützen.

Grund für das Gutachten sind nach BR-Informationen mehrere Vorgänge mit Bezug zur Alternative für Deutschland (AfD). So sitzt der Brandenburger Abgeordnete Hannes Gnauck für die AfD im Verteidigungsausschuss. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) führt Gnauck Medienberichten zufolge als "Extremisten". Ihm ist es untersagt, die Uniform zu tragen, auch soll er ein Betretungsverbot für Kasernen erhalten haben. Gnauck ist Vorsitzender der rechtsextremen Jugendorganisation "Junge Alternative". Von 2014 bis 2021 war er Soldat auf Zeit bei der Bundeswehr.

Im Gutachten nimmt Verwaltungsrechtler Klaus Gärditz auch Bezug auf eine unter Terrorverdacht stehende ehemalige AfD-Abgeordnete. Der Generalbundesanwalt wirft Birgit Malsack-Winkemann vor, Teil der sogenannten "Gruppe Reuß" zu sein.

Die Überprüfung einzelner Abgeordneter soll sich jedoch nicht auf AfD-Abgeordnete beschränken. Alle Mitglieder in den als sicherheitsrelevant eingestuften Gremien und Ausschüssen sollen eine entsprechende Sicherheitsüberprüfung durchlaufen.

BR Recherche: 100 AfD-Mitarbeiter mit Bezügen zum Rechtsextremismus

Im Frühjahr dieses Jahres hatten BR-Recherchen aufgedeckt, dass mehr als 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Abgeordneten der AfD sowie der AfD-Fraktion eindeutige Bezüge zum rechtsextremen Spektrum aufweisen.

Die Sicherheitsbeauftragten mehrerer Fraktionen erarbeiteten daraufhin gemeinsam mit der Bundestagsverwaltung einen umfangreichen Fragenkatalog. Auf dieser Basis erstellte Verwaltungsrechtler Gärditz das Gutachten.

Gutachter: Auch Mitarbeiter von Abgeordneten strenger überprüfen

Bei Mitarbeitenden von Abgeordneten und Fraktionen überprüft die Bundestagsverwaltung bislang deren Zuverlässigkeit. Beantragt ein Abgeordneter einen Hausausweis für Mitarbeiter bei der Verwaltung, sucht diese in Polizeisystemen und dem Bundeszentralregister nach möglichen Vorstrafen.

Laut Gutachten könnte die Bundestagsverwaltung künftig auch Informationen von Nachrichtendiensten abfragen und diese in die Zuverlässigkeitsüberprüfung einfließen lassen. Im Gutachten wird das Vorgehen rechtlich als grundsätzlich möglich bewertet, wenn auch mit Einschränkungen.

"Insoweit kann sich die Bundestagsverwaltung eine – wie auch immer erlangte – Beurteilung des Bundesamtes für Verfassungsschutz oder eines Landesamtes nicht kurzerhand zu eigen machen und unhinterfragt übernehmen. Vielmehr müssen alle Informationen, die zur Grundlage einer Entscheidung über den Hauszugang gemacht werden sollen, aus eigener Anschauung gewürdigt werden."

Sollte einem Mitarbeiter der Hausausweis versagt werden, soll dieser Person keinen Zugang zur elektronischen Datenverarbeitung (EDV) erhalten: "Der Zugriff auf die IT-Systeme des Deutschen Bundestags sollte daher verweigert werden, wenn sich Mitarbeitende als verfassungsfeindlich und damit als unzuverlässig erweisen."

Sind verfassungsfeindliche Mitarbeitende mit sicherheitsrelevanten Themen beschäftigt, kann ihnen die Bundestagsverwaltung unter bestimmten Voraussetzungen und in letzter Konsequenz das Gehalt versagen.

Gesetzesänderungen wohl erst nach der Sommerpause 

Dem Gutachten zufolge sind sowohl Anpassungen in der Hausordnung des Bundestages als auch Gesetzesänderungen nötig. Erste Beratungen sollen am Mittwoch auf Ebene der Sicherheitsbeauftragen der Fraktionen stattfinden. Vorab wollte sich dazu niemand offiziell äußern.

Im Hintergrund sprechen sich Vertreter der Ampelkoalition für eine schnelle Umsetzung aus. Aus der Union heißt es, man unterstütze das Vorhaben grundsätzlich, allerdings müsse es rechtssicher sein.

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