Im Verfahren um den mutmaßlichen Mord an Hanna W. aus Aschau hat der Vertreter der Eltern von Hanna W., der Rechtsanwalt Walter Holderle, eine Strafanzeige gegen die Verteidigung gestellt. Grund ist die Weitergabe von Akten.
Obduktionsberichte und Fotos an Klinik weitergegeben
Wie der Nebenklage-Vertreter Holderle in einer Pressemitteilung erklärt, richtet sich die Strafanzeige gegen die Personen, die insbesondere Obduktionsberichte und Fotos der verstorbenen Hanna W. an das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf weitergegeben haben.
Damit seien die Persönlichkeitsrechte der Verstorbenen verletzt und diese sei zum "Gegenstand", der einfach so weitergereicht werden könne, degradiert worden. "Aus den Umständen vermute ich eine Verbindung der dafür verantwortlichen Personen zum Kreis der Verteidigung", sagte Holderle.
Neuer Beweisantrag der Verteidigung basiert auf Aktenweitergabe
Die Verteidigung hatte am 8. Februar 2024 einen Beweisantrag für ein weiteres gerichtsmedizinisches Gutachten gestellt, aus dem hervorging, dass die Akten an die Klinik weitergegeben worden waren. Die Ausführungen dieses Professors hätten nur gemacht werden können, wenn ihm Dokumente wie Fotografien der Getöteten, Sektionsprotokolle und CTs vorgelegen hätten.
Strafanzeige auch wegen Weitergabe des Antrags auf Befangenheit
Darüber hinaus bezieht sich die Strafanzeige auf die Weitergabe des Antrags auf Befangenheit an die Medien, insbesondere die Bild-Zeitung. Die Münchner Anwältin und Wahlverteidigerin des Angeklagten, Regina Rick, sah in E-Mails zwischen der Vorsitzenden Richterin und einem der beiden prozessbeteiligten Staatsanwälte Hinweise darauf, dass sich das Gericht bei seiner Beurteilung der Geschehnisse schon festgelegt habe, bevor die Beweisaufnahme abgeschlossen war.
Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein, Rainer Vietze, bestätigt auf BR-Anfrage, dass eine Strafanzeige "wegen des Verdachts (u.a.) der verbotenen Mitteilungen über Gerichtsverhandlungen" eingegangen sei. Das kann in Deutschland mit einer Geldstrafe oder sogar mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr bestraft werden. Allerdings hätten die Beamten die Akte an die Generalstaatsanwaltschaft München weitergeleitet: Eine andere Staatsanwaltschaft soll sich der Anzeige annehmen, "um von vornherein jeden Anschein fehlender Objektivität zu vermeiden", so Vietze.
"Selbstdarstellungsshow der Verteidigerin"
Die Wahlverteidigerin des Angeklagten, Regina Rick, hatte am Montag einen Befangenheitsantrag gegen alle drei im Prozess beteiligten Berufsrichter gestellt. Verschiedene Medien hatten daraufhin wörtlich aus dort aufgeführten Aktenteilen zitiert, die noch nicht öffentlich in die Verhandlung eingeführt worden waren. Hannas Eltern hätten keinerlei Interesse an der Verurteilung eines Unschuldigen, so der Nebenklageanwalt in seinem Schreiben. Allerdings sei für die Eltern inzwischen eine Zumutbarkeitsschwelle überschritten.
Seit dem Eintritt der dritten Verteidigerin Regina Rick sei der Prozess zu einer "Selbstdarstellungsshow der Verteidigerin" verkommen.
Regina Rick und der "Badewannenmordprozess"
Die Münchner Anwältin Regina Rick hat sich in einer kurzen Stellungnahme auf Nachfrage von BR24 geäußert. "Selbstverständlich darf sich die Verteidigung sachverständig beraten lassen, und selbstverständlich darf die Verteidigung mit Medienvertretern kommunizieren, sofern eine Schweigepflichtentbindungserklärung des Mandanten vorliegt."
Rick war erst rund einen Monat nach Prozessbeginn als Wahlverteidigerin von der Familie des Angeklagten hinzugezogen worden. Sie hatte zuletzt mit ihrer Rolle als Verteidigerin im sogenannten "Badewannenmordprozess" für Aufsehen gesorgt. Der wegen Mordes verurteilte Manfred Genditzki war nach 13 Jahren Haft unter anderem wegen neuer Gutachten freigesprochen worden.
Hanna-Prozess wegen Befangenheitsantrags unterbrochen
Der Prozess ist momentan unterbrochen, bis die zuständige Kammer über den Befangenheitsantrag entschieden hat. Laut der Pressesprecherin des Landgerichts könnte das Mitte der nächsten Woche der Fall sein.
Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, die 23-jährige Studentin Hanna W. im Oktober 2022 nachts beim Joggen aus sexuellen Motiven von hinten überfallen, niedergeschlagen und anschließend in einen Bach geworfen zu haben. Der 22-Jährige schweigt seit Prozessbeginn Anfang Oktober 2023.
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