Der rote Lack ist überzogen mit einem braun-schwarzen Schleier. Graue Flechten wachsen aus dem Rücklicht, aus dem Seitenspiegel und überziehen das einstige Kult-Auto nahezu komplett. Es ist schon fast ein Kleinbiotop, wirkt etwas "renaturiert", sagt Wilhelm Koch. Der Amberger Künstler und Verleger hat das kleine Auto direkt durch die Türe mitten ins Amberger Luftmuseum hineingeschoben. Damit der Oldtimer im richtigen Licht steht, wenn sein Bildband vorgestellt wird.
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"Fast ein Kleinbiotop" – Nur zweimal gewaschen
Seit 36 Jahren fahren die beiden Schriftsteller Eckhard und Regina Henscheid ihren Fiat Panda. "Die nächsten zehn werden sich geben", schreibt Satiriker Eckhard Henscheid in einem kurzen Gedicht im neu erschienenen Buch.
In all der Zeit hat seine Frau das gemeinsame Auto nur zwei Mal gewaschen, sagt sie. Und vor dem letzten TÜV mal die Fenster geputzt. "Wir haben uns nicht allzu sehr drum gekümmert", lacht der inzwischen 83-jährige Eckhard Henscheid. Doch der kleine rote Oldtimer mit 34 PS wird gefahren, bis er tatsächlich nicht mehr geht. Nur noch kurze Strecken, nur in der Stadt, versichern die beiden "etwaigen anwesenden Vertretern der Ordnungsmacht". Und: "Wir halten uns streng an die Straßenverkehrsordnung."
SUV viermal so groß wie der Panda
Dabei entstehen schon mal skurrile Ansichten, wenn der kleine Rote – der noch in jede Parklücke passt – auf dem Amberger Paradeplatz parkt. Neben einem schwarzen, blank polierten SUV, der vom Volumen her "viermal so groß wie unser Panda ist", beschreibt Regina Henscheid.
Diese tägliche Ansicht hat Künstler und Verleger Wilhelm Koch dazu bewegt, dem Schriftstellerehepaar eine halbe Stunde Zeit abzuringen. Nach einer kurzen Fahrt durch Amberg ist aus Handybildern nun ein Bildband entstanden, im Koch-Studio Verlag. Literarisch hat das Ehepaar mehr Zeit und Muße reingesteckt und Gedichte über ihr außergewöhnliches Auto beigesteuert.
Radikale Schlichtheit hat Fans
Ausstattung? Hat der Fiat Panda keine. Doch der TÜV ist neu – auch wenn Werkstattmitarbeiter Mühe und Not hatten, frische Winterreifen aufzutreiben oder vor ein paar Jahren einen neuen Fahrersitz organisieren mussten.
Zur Buchvorstellung kam eine kleine Fangemeinde des einstigen Kult-Autos. Vor der Tür parkte Marion aus Amberg, deren Fiat Panda ist 39 Jahre alt, ist aber top gepflegt. Viele lassen sich mit dem roten Auto der Henscheids fotografieren.
Dass sie so lange dieses Auto fahren, sei gar nicht beabsichtigt gewesen, sagt Regina Henscheid. Doch inzwischen habe es eine Seele – sei eigensinnig, liebenswürdig, aber auch lebenserfahren. Und dann schiebt sie gleich hinterher: "Jetzt, wo es solche Berühmtheit erfährt, wollen wir hoffen, dass es uns auch noch möglichst lange begleitet."
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