Im Altmühltal gibt es seit Kurzem ein Wolfsrudel. Zudem kam es zu insgesamt vier Rissen von Nutztieren in der Region durch einen Wolf, der aus Brandenburg stammt. Wie mit den Wölfen umgangen werden soll, wurde jetzt im Landratsamt Eichstätt beraten. Fest steht: Das Altmühltal gilt als schützbares Weidegebiet, eine schnelle Entnahme des Wolfs ist nicht so einfach möglich.
Herdenschutz: Schäfer spannt Elektro-Zaun
Robert Eberler, Schäfer aus Greding in Mittelfranken, versucht seine Herde mit einem elektrischen Zaun zu schützen. Dazu rammt er jeden Tag die Stäbe für seinen Zaun in die Erde des steinigen Jurabodens. Dann spannt er das Netz. Die Wiese unter dem Zaun ist abgemäht, weil zu hohes Gras den elektrischen Zaun in seiner Wirksamkeit einschränkt. Im Anschluss überprüft er in der Regel die Spannung: "Ich will mindestens 6.500 bis 7.000 Volt Strom am Netz haben - vorgeschrieben ist weniger. Aber ich gehe da auf Nummer sicher", sagt er. Beim Elektro-Zaun gibt es verschiedene Systeme - wichtig ist neben der Stromstärke die Erdung, damit der Strom fließt.
Altmühltal: Immer wieder Risse von Nutztieren
Der Schäfer aus Greding hält rund 600 Schafe auf der Weide. Den Zaun baut er täglich aufs Neue auf. Rund 25 Kilometer zieht er im Sommer mit seinen Tieren durchs Altmühltal. "Klar, ist das viel Arbeit, aber wenn einem die Tiere wichtig sind..."
Seit einiger Zeit sind Wölfe in dieser Gegend heimisch. In den vergangenen Monaten kam es auch immer wieder zu Rissen von Nutztieren durch einen männlichen Wolf, der ursprünglich aus Brandenburg stammt. Jetzt gibt es ein Wolfsrudel mit sieben Welpen. Deshalb sind viele Landwirte in Sorge um ihre Tiere. Robert Eberler hat zum Schutz seiner Tiere schon vor einigen Jahren nachgerüstet.
"Premiumlösung": Herdenschutzhunde
Neben einem Elektrozaun hat Schäfer Eberler noch vier Herdenschutzhunde bei den Schafen. Anders als Hütehunde sind sie Teil der Herden und den ganzen Tag und die ganze Nacht bei den Tieren und sorgen zusätzlich für deren Schutz. Sie sind darauf trainiert, Wölfe zu vertreiben. "Neben dem Zaun sind meine Hunde die Premiumlösung. Mehr kann ich nicht machen. Aber so fühle ich mich sicher", sagt der Schäfer. Die Hunde hat Robert Eberler bereits vor einigen Jahren angeschafft – unabhängig vom Wolf. Seine ursprüngliche Sorge war, dass die Tiere mal in Panik auf die nahegelegene Autobahn laufen könnten.
Herdenschutzhunde riechen Wölfe, Wildschweine und Füchse
Wenn der Schäfer auf der Weide pfeift, kommen die Hunde auf ihn zu. "Wenn heute etwas gewesen wäre, würden sie jetzt unter einem Baum liegen und wären müde - verkatert. Das ist nicht der Fall", erzählt er. Ob der Zwischenfall dann ein Wolf oder ein Wildschwein oder ein Fuchs war, weiß er nicht. Wichtig ist für ihn, dass es seinen Schafen gut geht. Das Vertrauen in seine Hunde ist groß: Rund 2.500 Euro Unterhalt kostet ihn ein Hund im Jahr. Förderungen für den Herdenschutz gibt es vom Freistaat. Allerdings nur für die Anschaffung, nicht für den Unterhalt.
Förderung nur unter bestimmter Voraussetzung
Der Freistaat Bayern fördert Maßnahmen zum Herdenschutz - unter bestimmten Voraussetzungen. Dafür muss das Gebiet in eine Förderkulisse fallen - das ist im Altmühltal der Fall. Das heißt: Hier werden Elektro-Zäune und Herdenschutzhunde finanziell gefördert. Für Herdenschutzhunde gibt es bei der Anschaffung einen Zuschuss bis zu 3.000 Euro. Dazu kommt noch Unterstützung für Zubehör, einschließlich der Ausgaben, die für Eignungsprüfungen und den Halter-Sachkundenachweis anfallen.
Geld gibt es auch für die Anschaffung von mobilen elektronischen Zäunen für Schafe und Ziegen sowie für feste Zäune bei Rindern. Für andere Tiere, wie beispielsweise Pferde, gibt es nur bedingt Geld für zusätzliche Maßnahmen zum Schutz vor dem Wolf. Einer von vielen Kritikpunkten bei den Tierhaltern im Altmühltal.
Grafik: Fördergebiete für Herdenschutzzäune und -hunde
Wolfsdebatte hochemotional
Die Schafe übernehmen im Altmühltal eine wichtige Funktion: Sie grasen auf den für das Altmühltal so typischen Wacholderheiden und Magerrasen und verhindern damit, dass die Flächen zuwuchern. Dadurch schaffen sie Lebensraum für viele Pflanzen und Tiere. So wie die Schafe von Robert Eberler. Er fühlt sich zwar sicher, doch er weiß: Einen hundertprozentigen Schutz gibt es nicht.
Nachdem seine Tiere versorgt sind, geht er zu einer Infoveranstaltung zum Thema Wolf im Altmühltal in Schernfeld. Der Saal ist voll - mehr als 350 Leute sind da. Die Stimmung ist angespannt. Nach einem Vortrag von Willi Reinbold, Wolfsberater des Landesbunds für Vogel- und Naturschutz in Bayern (LBV), wird fast zwei Stunden lang hochemotional diskutiert. Denn viele der anwesenden Tierhalter sehen die Möglichkeiten des Herdenschutzes kritisch.
Zäune schwierig - Tierhalter haben große Sorge
Die Tierhalter sorgen sich um ihre Tiere. Zum Beispiel Tilmann Foth, der einen Pferdehof mit mehr als 100 Tieren betreibt. Seit zwei Jahren liegt sein Hof im Wolfsgebiet. Er ist sauer, weil er keine Förderung für Herdenschutzmaßnahmen bekommt. Die acht Kilometer Zaun, der seine Pferde schützt, zu überprüfen und zu pflegen, sei nicht möglich.
Tilmann Foth sorgt sich, dass der Wolf seine Tiere in Panik versetzen und sie dadurch ausbrechen könnten. Die Versicherung würde lediglich einmal bezahlen, sagt er. "Wölfe gehören in eine Region, die sehr dünn besiedelt sind. Nicht in ein dichtbesiedeltes Land wie Deutschland", sagt er.
Ähnlich äußert sich ein junger Landwirt. Große Sorgen habe er um seine Schafe. Zäune im steilen, steinigen Gelände seien schwierig, sagt er. Eine Lösung sieht er nicht. Ein anderer steht den Herdenschutzhunden kritisch gegenüber. Viele Herden seien zu klein, die Ausbildung der Hunde zu langwierig. Und ob die Hunde mit den Touristen klarkämen oder gar neue Probleme schüfen, sei auch unklar.
Bauernverband spricht von "Problemwolf" im Altmühltal
Johannes Scharl, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Kreisverband Eichstätt, nennt den Wolf, der für die Risse verantwortlich ist, einen "Problemwolf". Die Tierhalter hätten große Angst vor dem Wolf und diese Angst sei berechtigt. Der Herdenschutz habe seine Grenzen: "Der Wolf hat gezeigt, dass er auch einen Zaun überwinden kann. Da kommt noch viel auf uns zu", warnt er.
Deshalb fordert Scharl eine Entnahme des Tiers. Wolfsberater Willi Reinbold verweist immer wieder darauf, dass an einem effektiven Herdenschutz kein Weg vorbeiführt - egal ob ein Wolf oder mehrere Wölfe im Gebiet unterwegs seien. "Abschuss ist kein Herdenschutz", argumentiert er. Information sei enorm wichtig. Nur wer sich auskenne, könne einen guten Herdenschutz gewährleisten.
Keine schnelle Entnahme im Altmühltal
Schäfer Robert Eberler weiß, es gibt noch viel zu tun beim Thema Wolf. Wenn ein Wolf beispielsweise die Elektrozäune überspringe, müsse man ihn abschießen. "Ich bin weder Wolfskuschler noch Wolfsfeind", sagt er. Die Entschädigungen für die betroffenen Landwirte müsste einfacher sein. "Nicht das kleineste Loch im Zaun suchen, sondern direkt entschädigen. Fehler machen wir alle", findet er. Dennoch: Er geht beruhigt schlafen, denn er ist überzeugt davon, dass seine Tiere in der Nacht gut geschützt sind.
Eine schnelle Entnahme wird es durch das Landratsamt Eichstätt jedenfalls nicht geben, stellte Landrat Alexander Anetsberger klar. Die Wolfsverordnung greife hier nicht. Viele wichtige Punkte seien noch nicht geklärt.
Im Video: Wie leben mit dem Wolf im Altmühltal?
Dieser Artikel ist erstmals am 08.08.23 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel erneut publiziert.
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