Grundschüler, die weiter als zwei Kilometer von ihrer Schule entfernt wohnen, haben Anspruch auf einen Schulbus. Das oberbayerische Siegsdorf hat viele verstreute Ortsteile – und eine Frau, auf die Verlass ist: Monika Langeder beginnt an jedem Wochentag gegen 7 Uhr früh ihre Tour mit dem kleinen Schulbus in Vorderwelln am Hochberg. "Moni", wie sie alle nennen, holt nach und nach die einzelnen Kinder in ihren abgelegenen Häusern oder kleinen Weilern ab und bringt sie zum Beispiel in die Grund- und Mittelschule Siegsdorf.
Busfahrerin: "Die Kinder sind ehrlich und bringen mich zum Lachen"
Auch bei Schnee oder Sturm fährt die fast 60-jährige Siegsdorferin über schmale, einspurige Straßen – dort, wo kein öffentlicher Nahverkehr unterwegs ist. Die Flächengemeinde besteht aus 100 kleinen und größeren Ortsteilen. Monika Langeder hat nach vielen Jahren in einer Gebäudereinigung nun ihren Herzensjob gefunden: "Die Kinder sind ehrlich und bringen mich zum Lachen. Ich mag sie halt einfach, meine Kinder!"
Luftschlangen und Gummibärchen im VW-Bus
Die Schulbusfahrerin ist eine echte Erscheinung mit ihrer modischen Mütze, ihrem bedruckten Sweatshirt, den Jeans und rosafarbenen Sneakern. Ihr VW-Bus ist es auch: Im Fahrzeug hängen Luftschlangen, Girlanden und Luftballons. Wenn nicht gerade Fasching ist, sind es Hand- oder Bastelarbeiten von den Schulkindern.
Zur Schulbusfahrerinnen-Grundausstattung gehört eine Plastikdose voll Gummibärchen und Schokolade. Vor den Ferien gibt es eine Kugel Eis. Denn eine Belohnung nach dem Unterricht müsse sein, meint Monika Langeder. Wenngleich sie selbstkritisch gesteht, dass es nun – nach so vielen Jahren der Belohnungen – auch einfach kein Zurück mehr gebe. Auch das Argument "Fastenzeit" ziehe bei den Schülern leider nicht, die von ihr gefahren werden. Eines steht aber fest: Die Kinder fahren ausgesprochen gerne mit ihrer Moni zur Schule. Ihre einhellige Meinung: "Moni ist cool!"
Auch der punkige "Borsti" fährt Schulbus
In der Parkbucht in der Nähe der Grund- und Mittelschule Siegsdorf warten andere Busse und andere Schulbusfahrer. Einer von ihnen ist Michael Schrott, der nur "Borsti" genannt wird. Er holt die Kinder in den umliegenden Gemeinden ab. "Borsti" trägt einen blonden Irokesenschnitt, eine dicke Kette um den Hals und ein T-Shirt mit der Aufschrift "Schäf". Er sieht immer ein bisschen punkig aus.
Eine Sache die er an den Schulkindern schätze, sei, dass sie Menschen nicht nach ihrem Aussehen bewerteten, sagt er. Auch Michael Schrott mag seine Kinder, für die er seinen großen Schulbus ebenso aufhübscht wie Kollegin Monika Langeder. Vermutlich weil er selbst als Kind mit dem damaligen Schulbusfahrer weniger angenehme Erfahrungen gemacht hat.
Bayernweit fehlen 4.000 Busfahrer
Busfahrer wie "Moni" und "Borsti" sind inzwischen Luxus im Alltag vieler Familien. Oft fällt der Schulbus aus oder fährt nach Notfahrplan, weil es nicht genug Fachkräfte gibt. Bayernweit fehlen 4.000 Busfahrer, wie der Landesverband Bayerischer Omnibusunternehmen (LBO) mitteilt. In den kommenden Jahren werde sich das Problem weiter verschärfen, da viele Fahrer in Rente gehen würden.
Neu ausgebildete Busfahrer kämen viel zu wenig hinzu, sagt Busunternehmer Ralf Ettenhuber. Mit seinem Busunternehmen in Schlacht im Landkreis Ebersberg fährt er sowohl Schulbusfahrten wie auch Linienfahrten im Münchner Verkehrsverbund MVV. Ein Grund für den Fachkräftemangel sei der zeitaufwendige und sehr teure Busführerschein, der ihm zufolge 12.000 Euro kostet: "Das macht aus freien Stücken keiner mehr", sagt Ettenhuber dem BR.
Schichtarbeit, pöbelnde Fahrgäste, mäßiges Gehalt
Wenig lukrativ klingen zudem die zum Berufsalltag gehörenden Bedingungen wie Schichtarbeit, pöbelnde Fahrgäste und das mäßige Gehalt – im Durchschnitt sind es 3.200 Euro brutto. Ettenhuber und seine Kollegen versuchen auf vielen Wegen, neue Busfahrer zu finden: Social Media, Arbeitsagentur, Umschulungen. Doch es reicht nicht. Deshalb wirbt er jetzt sogar über einen Headhunter gelernte Busfahrer aus Indien an - und kämpft dabei gegen jede Menge Bürokratie.
Erleichterung für die Eltern auf dem Land
Rund 600 Kinder besuchen die Grund- und Mittelschule in der Gemeinde Siegsdorf. Etwa ein Drittel lebt weiter als zwei Kilometer entfernt und hat damit einen Anspruch auf die Beförderung durch die Gemeinde mit einem Schulbus. Die Eltern schätzen den sicheren Abhol- und Bringservice. Denn Busfahrerin Monika Langeder ist für sie jederzeit per WhatsApp erreichbar. Das Handy baumelt immer um ihren Hals.
Wenn ein Kind zum Beispiel krank geworden ist und nicht in die Schule gehen kann, dann wird einfach schnell telefoniert. Andererseits informiert Monika Langeder die Eltern, falls sich die Ankunft eines Kindes verzögert. Manchmal dreht sie sogar noch eine Ehrenrunde mit dem Bus, falls sich die Eltern verspäten. An die Schulbus-Zukunft müssen die Siegsdorfer Grundschulkinder und ihre Eltern vorerst nicht denken - denn noch haben sie ja "Moni" und "Borsti". Und das noch lange, wie sie hoffen. Wie lange sie noch als Schulbusfahrerin aktiv bleiben möchte? "Solange, wie's geht", sagt Monika.
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