10,5 Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat - das fordern Erzieherinnen und Erzieher sowie Sozialpädagogen der Gewerkschaft Verdi. Außerdem müsse gegen große Personallücken vorgegangen werden, so die Gewerkschaft. Durch bayernweite Warnstreiks an diesem Mittwoch wollten sie ihre Forderungen im Tarifstreit bekräftigen. In sozialen Berufen arbeiten hauptsächlich Frauen. Deshalb sei der Frauentag bewusst gewählt worden, hieß es vorab von Verdi.
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Tausende Horte und Kitas betroffen
Betroffen sein sollten nur Einrichtungen, deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes unterliegen. Insbesondere kommunale Kitas, erklärte Tanja Birkmann von Verdi Mittelfranken. Der Streikaufruf galt für rund ein Drittel der fast 9.000 Kitas und 900 Horte in Bayern, die von einer Kommune betrieben werden. Kitas von privaten, kirchlichen Trägern oder Wohlfahrtsverbänden gehörten nicht dazu.
Viele Beschäftigte folgten dem Aufruf. Teilweise wurde eine Notbetreuung angeboten. Der Warnstreik sei wie geplant angelaufen, sagte ein Sprecher der Gewerkschaft Verdi. Genaue Zahlen lagen zunächst nicht vor; er gehe aber von einer hohen Beteiligung mit sicherlich Tausenden Menschen aus.
Hunderte Kitas geschlossen
Der Schwerpunkt der Warnstreiks lag auf Kitas - unter anderem in München und Umgebung, Augsburg, Kempten, Ingolstadt, Schweinfurt und Oberfranken sowie Nürnberg. Die Mobilisierung war dabei offenbar gut: In Nürnberg wurden nach Angaben der Stadt von 130 kommunalen Kitas 125 bestreikt. Nur die restlichen fünf boten reguläre Betreuung an. In München waren - Stand 14 Uhr - 265 von 450 städtischen Kitas komplett und 43 teilweise geschlossen.
Daneben gab es auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe Streikaufrufe, unter anderem in Mittelfranken, in der Lebenshilfe in Landsberg oder der Pfennigparade in München. Kliniken waren unter anderem in Nürnberg und Rosenheim betroffen. In Regensburg sollten zudem große Teile der Stadtverwaltung lahmgelegt werden - unter anderem Müllabfuhr und Straßenreinigung. An mehreren Schulen sollte die Mittagsbetreuung ausfallen. In Rosenheim blieb das Melde- und Passwesen der Stadt geschlossen, auch in den städtischen Kultureinrichtungen war der Warnstreik zu spüren.
Große Kundgebungen der Streikenden fanden unter anderem in Regensburg, Ingolstadt, Nürnberg, Augsburg sowie München statt. In München versammelten sich am Vormittag Gewerkschaftsangaben zufolge rund 2.100 Streikende am Stachus. In Ingolstadt zählte Verdi rund 700 Streikende am Paradeplatz. In Augsburg haben sich laut Verdi rund 400 Kita-Beschäftigte an der Kundgebung beteiligt. Auf dem Maffeiplatz in der Nürnberger Südstadt waren laut Polizeiangaben etwa 3.000 Menschen zusammengekommen. Von dort aus zogen die Protestierenden, die unter anderem aus Franken und der Oberpfalz kamen, auf den Kornmarkt in die Nürnberger Innenstadt.
Verdi rechnet mit langem Arbeitskampf
Die Beteiligung am heutigen Warnstreik in Ingolstadt sei sehr groß gewesen, teilte Verdi-Bezirksgeschäftsführerin Claudia Scheck dem BR mit. Auf dem Ingolstädter Paradeplatz versammelten sich bereits vor Beginn der Kundgebung über 700 Streikende: "Das übertrifft unsere Erwartungen. Wir haben mit 500 Menschen gerechnet. Das ist für uns ein Riesenerfolg", so Scheck. Man erhoffe sich von dem Streiktag neuen Schwung für die Verhandlungen, rechne aber mit einem langen Arbeitskampf.
Die Fronten seien verhärtet. "Wir rechnen mit allem und planen die Urabstimmung mit ein. Wir wissen nicht, ob wir in der dritten Verhandlungsrunde ein akzeptables Angebot bekommen. Es kann auch Mai werden." Stefan Wolf, Gewerkschaftssekretär von Verdi, bezeichnete das Angebot der Arbeitgeber in der zweiten Verhandlungsrunde als "Frechheit".
Schwaben: Warnstreiks auch in der Kinder- und Jugendnothilfe
Im Allgäu lag der Schwerpunkt der Warnstreiks laut Verdi im Bereich der Behindertenhilfe sowie der Kinder- und Jugendnothilfe - zum Beispiel bei der Lebenshilfe Kempten, Memmingen und Ostallgäu. Notdienste sollte es aber nach Gewerkschaftsangaben trotz des ganztägigen Warnstreiks geben. Denn man wolle zwar Sand ins Getriebe streuen, nehme aber Rücksicht auf Eltern und Betroffene.
Eine Erzieherin des integrativen Kindergartens der Noris Inklusion in Nürnberg berichtete dem Bayerischen Rundfunk: "Es herrscht extremer Personalmangel. Wir halten zusammen als Team, aber wir sind auch nur Menschen und wir kommen an einen Punkt, an dem wir merken, dass wir nicht mehr können." Eine andere sagte: "Wir setzen uns dafür ein, dass wir eine bessere Bezahlung bekommen, damit der Beruf auch wieder attraktiver wird."
Viele Eltern zeigten Verständnis, dass die Erziehenden streiken. Es gab aber auch kritische Stimmen. Eine Mutter berichtete dem BR: "Es war jetzt in letzter Zeit sehr oft gestreikt worden. Dafür habe ich kein Verständnis. Es wurde sehr kurzfristig angekündigt."
Reaktion der Familienministerin
Bayerns Familienministerin Ulrike Scharf (CSU) sagte angesichts des Streiks: "Bayerns Familien brauchen eine verlässliche Kinderbetreuung! Das ist die sozialpolitische Verantwortung unserer herausfordernden Zeit, der wir uns aktiv stellen. Den Fachkräftemangel können wir nur gemeinsam bewältigen." Die Staatsregierung habe bereits die Ausbildung attraktiver gemacht, verkürzt und für Quereinsteigerinnen erleichtert. Kita-Fachkräfte und Mitarbeiterinnen der Sozialbranche müssten auch angemessen bezahlt werden. Es sei ihr Recht, das auch über Streiks einzufordern, so Scharf.
Kritik von FDP an Staatsregierung
Kritik an Scharf und der Staatsregierung übt die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bayerischen Landtag, Julika Sandt. Die aktuellen Kita-Streiks seien das Ergebnis jahrelanger Blockadehaltung der Staatsregierung bei notwendigen Reformen, sagt Sandt: "Bayerns Sozialministerin Ulrike Scharf muss endlich aufwachen und die längst überfällige Reform angehen – beispielsweise durch kleinere Gruppen und bessere Anstellungsschlüssel."
Laut Sandt gibt es eine einfache Lösung: Statt Familiengeld in Milliardenhöhe mit der Gießkanne zu verteilen, müsse der Freistaat die finanziellen Pauschalen pro Kind erhöhen. So würden die vergütete Ausbildung für Kita-Fachkräfte, ein besserer Anstellungsschlüssel und viele Qualitätsmaßnahmen ermöglicht.
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