In Gaza geraten Kinder immer wieder in die Kriegsfront - ein Medizinerbündnis aus Deutschland will helfen, bisher erfolglos.
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In Gaza geraten Kinder immer wieder in die Kriegsfront - ein Medizinerbündnis aus Deutschland will helfen, bisher erfolglos.

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Hilfsaktion für verletzte Kinder in Gaza erfolglos

Ein bundesweites Medizinerbündnis will verletzte Kinder aus Gaza in Deutschland behandeln. Die Politik blies die Aktion wegen Sicherheitsbedenken ab. Das Münchner Zentrum für schwerbrandverletzte Kinder hat Erfahrung mit komplizierten Eingriffen.

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Egal ob im Jemen, in Somalia oder Gaza – wenn Kinder in Kriegen zwischen die Fronten geraten, kommt Hilfe oft spät oder sie scheitert ganz. Wie jetzt im Fall von Gaza: Ein Medizinerbündnis der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie wollte 32 verletzte Kinder nach Deutschland ausfliegen. 40 Einrichtungen hatten schon Unterstützung zugesagt.

Auch die München Klinik hatte Hilfe für Kinder aus Gaza angeboten

Auch Mediziner aus München hatte ihre Hilfe angeboten: Carsten Krohn vom Zentrum für Schwerbrandverletzte in München ist Kinderchirurg und behandelt in der München Klinik Schwabing regelmäßig verletzte Kinder aus Krisenregionen. Gemeinsam mit dem Verein zur Förderung der Behandlung Brandverletzter (VFBB) kümmert sich er sich um Spenden für Flug, Behandlung und Unterkunft. "Solche Hilfe kostet Geld. Wir dürfen keine Leistungen verschenken als Krankenhaus. Ich muss dafür vorher Gelder einsammeln, damit wir die Therapien bezahlen können. Schlussendlich dauert es oft Wochen, bis so ein Patient bei uns ist", sagt Krohn. Der Kinderchirurg ist spezialisiert auf Verbrennungsmedizin und Hauttransplantationen.

Münchner Spezialisten helfen bei großflächigen Hautverbrennungen

Die Behandlung hochgradiger Verbrennungen ist eine heikle Aufgabe. Wenn Patienten ins Zentrum für Schwerbrandverletzte Kinder kommen, müsse es schnell gehen, erklärt der leitende Arzt des Zentrums Krohn: "In dem Moment, in dem die Haut großflächig offen ist, kann das Kind in eine Sepsis geraten, das heißt, Bakterien können die Macht über den Körper ergreifen, dann wird das Kind versterben. Das heißt der Zeitfaktor, also wann ein Kind in eine geeignete Klinik kommt, spielt selbstverständlich eine Rolle."

Für schwere Verbrennungen oder Verletzungen fehle im Ausland oft notwendiges Material und medizinisches Knowhow: Die Überlebenschancen der Kinder seien in Deutschland höher, so Krohn: "Prinzipiell kann man solche Patienten auch vor Ort behandeln. Dafür bräuchte man aber dort geeignete Operationsmöglichkeiten, einen entsprechenden Intensivplatz und entsprechende Antibiotika."

Gaza: Auswärtiges Amt und Innenministerium verweigerten Zusage wegen Sicherheitsbedenken

Um medizinisch helfen zu können, braucht es grünes Licht der Behörden für das Visum des Patienten. Daran scheiterte die Hilfsaktion für Gaza Ende Juni: Auswärtiges Amt und Bundesinnenministerium hatten Sicherheitsbedenken: Wer könnte sicherstellen, dass die Angehörigen der 32 Kinder nicht zur Hamas gehörten? Und: Wie sollten die Kinder und Elternteile wieder zurück in den Gazastreifen gelangen? Die Bundesministerien winkten ab.

Auch die bayerischen Behörden können nicht helfen. Auf BR-Anfrage heißt es vom Innenministerium: "Wer in Folge der Entwicklungen im Gazastreifen, auch aus humanitären, medizinischen Gründen einreisen darf, entscheiden ausschließlich die Bundesbehörden."

Medizinerbündnis fassungslos: "Sieben Kinder derweil verstorben"

Das Medizinerbündnis ist enttäuscht. In dem internen Rundschreiben, das dem BR vorliegt, heißt es: "Das Ergebnis ist niederschmetternd, wir sind fassungslos. Von sieben Kindern wissen wir, dass sie derweil verstorben sind. Ein Bein musste amputiert werden, das in Deutschland vermutlich hätte gerettet werden können."

Zu den politischen Umständen will sich Carsten Krohn aus München nicht äußern. Jedoch gab es in der Vergangenheit immer wieder auch erfolgreiche Hilfsaktionen. Ein Schicksal ist ihm bis heute lebendig vor Augen: Die neunjährige Basmane aus dem westafrikanischen Benin wurde mit schweren Verbrennungen nach München geflogen. Sie war in ein Kohlefeuer gestürzt. Der erste Eindruck des Kindes war schockierend, erinnert sich der Kinderchirurg:

"Bei diesem Kind wurde in Benin ohne jede Narkose ein Verbandswechsel gemacht, was natürlich auch kein wirklich kindgerechtes Vorgehen ist."

Den Verbrennungsexperten sei es jedoch gelungen, die Haut des Mädchens größtenteils zu heilen. Nach der Therapie sei es wieder zu ihrer Familie nach Afrika zurückgekehrt, sagt Krohn und räumt ein: "Das freut einen dann schon, wenn man einem Kind helfen konnte, wieder ein weitgehend beschwerdefreies Leben zu führen." Solche Behandlungen kosten nicht selten zehntausende von Euro. Deshalb sind Krohn und die anderen Verbrennungsmediziner in München bei solchen Hilfsaktionen auch weiterhin auf Spenden angewiesen.

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