Symbolbild: Weizenfeld unter dunklem Himmel mit großen Regenwolken.
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Trifft Starkregen Bayern öfter als andere Bundesländer?

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Hochwasser und Extrem-Wetter: Wie stark trifft es Bayern?

Starkregen und Hochwasser haben dem Freistaat in den vergangenen Wochen zugesetzt. Werden diese Extremwetter-Ereignisse in Bayern häufiger? Welche Schäden hinterlassen sie? Und welche Maßnahmen sind jetzt notwendig? Eine Datenanalyse.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Zunächst trifft es Mitte Mai das Saarland, einen Monat später Süddeutschland: Stark- und Dauerregen verursachen Hochwasser. Die Folgen sind verheerend. Eine Person wird noch immer vermisst. Die Aufräumarbeiten sind noch lange nicht beendet.

Meteorologin: Auch in Zukunft häufiger Hochwasser

Dass sich solche extremen Regenereignisse im Zuge des menschengemachten Klimawandels häufen, ist laut Meteorologin Gudrun Mühlbacher vom Klimabüro des Deutschen Wetterdienstes (DWD) in München simple Physik. "Warme Luft nimmt mehr Feuchtigkeit auf." Außerdem sehe die Wissenschaft auch Tendenzen, dass Wetterlagen länger vor Ort bleiben und so mehr Regen den gleichen Ort treffe. Grund sei jeweils der Klimawandel.

Rein von den Beobachtungsdaten her lassen sich diese Entwicklungen noch nicht zeigen. Das Netz der Messstationen sei nicht eng genug, um lokalen Starkregen zu erfassen, sagt Mühlbacher. Deshalb sehe der DWD bereits, dass Starkregen an der einen Station häufiger auftritt – an einer anderen in der Nähe nicht. Engmaschigere Radardaten gibt es noch nicht lang genug.

Schäden durch Naturgefahren nehmen zu

Wo allerdings bereits eine Entwicklung zu sehen ist: an den Schäden, die an Häusern und Autos entstehen und den Versicherungen gemeldet werden. Die folgende Grafik zeigt die Höhe der versicherten Schäden durch "Naturgefahren". Dazu zählen etwa Sturm und Hagel, die werden bereits seit den 1970ern erfasst. Für die ebenfalls dazugehörenden "Elementarschäden" wie Hochwasser, Erdrutsche oder eben Starkregen gibt es Daten seit 2002.

Laut einer Sprecherin des Gesamtverbands der Versicherer (GDV) ist der Anstieg dieser Schäden nicht linear – was aber ganz deutlich zu sehen sei: Die Abstände zwischen den schadensreichen und schadensarmen Jahren verringern sich. Die großen "Schadensjahre" häufen sich also.

GDV geht von zwei Milliarden Euro Schaden in Süddeutschland aus

Das Hochwasser der vergangenen Wochen wird sich in diese Entwicklung einreihen: Der GDV geht bereits jetzt von etwa zwei Milliarden Euro versicherter Schäden in den betroffenen Gebieten in Bayern und Baden-Württemberg aus. Eine genaue Aussage können sie erst treffen, wenn sich die Hochwasserlage vollständig beruhigt hat.

Schaut man sich die Deutschlandkarte an, wird deutlich: Die Auswirkungen der Naturgefahren unterschieden sich von Region zu Region. Besonders groß waren sie von 2022 bis 2021 in Sachsen, Teilen von Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen und im Süd-Osten Bayerns.

Bayern vs. Deutschland: Klicken Sie auf einen Landkreis, um mehr zu erfahren

An der Donau oder der Isar gab und gibt es in einer gewissen Regelmäßigkeit Hochwasser, früher häufig ausgelöst durch die Schneeschmelze in den Bergen – aber auch durch bestimmte Wetterlagen, die Dauerregen verursachen. Nach Einschätzung des GDV kommen diese Flusshochwasser nicht so plötzlich, sondern haben einen längeren Vorlauf, sodass Betroffenen mehr Zeit bleibt, Hab und Gut zu sichern und damit die Schäden geringer zu halten.

Sturzfluten und Überschwemmungen durch Starkregen quasi überall möglich

Im Gegensatz dazu sind lokale Starkregenereignisse weniger berechenbar, sie können quasi überall auftreten, sagt Mühlbacher vom Deutschen Wetterdienst. Es regne innerhalb kürzester Zeit so viel, dass Flächen und kleine Gewässer das Wasser nicht mehr aufnehmen können. Wenn es dann abfließt, entwickelten sich gefährliche Sturzfluten. "Man unterschätzt, wie schnell das Wasser kommt und welche Kraft es entwickelt", so die Meteorologin.

Bereits knapp 6.000 Unwetter-Warnmeldungen für Deutschland 2024

In Bayern kommen verhältnismäßig viele solcher gefährlichen Regenereignisse vor. Werfen wir einen Blick auf die Warnmeldungen des DWD: In diesem Jahr gab der Wetterdienst bisher insgesamt 5.843 Unwetter-Warnmeldungen für ganz Deutschland heraus (Stand: 11. Juni 2024). Rund 80 Prozent davon betrafen Warnungen vor Regen oder Gewitter. Der Rest warnte vor Sturm- oder Orkanböen, Glatteis oder Schnee.

Auf Bayern entfielen 1.664 der Warnungen – 1.246 betrafen Gewitter oder Regen. Die meisten Warnungen vor Regen und Gewitter sprach der DWD 2024 in Bayern für die Stadt München (93) aus, gefolgt von Dietramszell (89) im oberbayerischen Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Am unteren Ende für Bayern steht Faulbach im unterfränkischen Landkreis Miltenberg mit 13 Warnungen.

Interaktive Karte: Anzahl der Regen-/Gewitterwarnungen des DWD je Gemeinde

Auch die Schadensstatistik des GDV verzeichnet die meisten Starkregenereignisse in den Jahren 2002 bis 2021 im flächenmäßig größten Bundesland Bayern – knapp 7.000. Die versicherten und unversicherten Schäden an Wohngebäuden allein durch den Starkregen beliefen sich auf rund zwei Milliarden Euro. Die höchsten Schäden gab es in Nordrhein-Westfalen. Ein Großteil davon dürfte während der Flut an der Ahr 2021 entstanden sein.

Tabelle: Starkregen-Schäden nach Bundesländern 2002-2021

Dass die Starkregenereignisse Bayern – und besonders den Südosten Bayerns – trafen, liegt laut Mühlbacher vom DWD vor allem an der Topografie. Bayern sei das Bundesland mit den größten Höhenunterschieden. Die Alpen und der Bayerische Wald bilden natürliche Barrieren. All das beeinflusst Luftströme und Temperaturen – im zwischen beiden Gebirgen eingekeilten Südosten Bayerns regneten daher schon immer warme Luftmassen ab.

Klimawandel verstärkt Regenereignisse

Die Hochwasser der vergangenen Wochen entstanden aus eben einer solchen typischen Situation heraus, sagt Mühlbacher. Durch den Klimawandel speichern die Luftmassen aber deutlich mehr Feuchtigkeit. "Und es ist ein Unterschied, ob die Wetterlage zwei oder drei Tage bleibt und dann weiterzieht oder ob sie vier, fünf Tage stationär ist", erklärt die Meteorologin. "Dann kann das natürlich auf der gleichen Region viel heftiger abregnen."

GDV: "Eine Versicherung allein ist keine Lösung."

Unwetter werden dadurch immer unberechenbarer. Deshalb werden immer wieder Forderungen nach einer verpflichtenden Elementarschadenversicherung laut – im Rahmen der jüngsten Hochwasser unter anderem von Ministerpräsident Markus Söder. Eine solche Elementarschadenversicherung ist jedoch nicht unumstritten – Kritik gibt es vor allem an den hohen Kosten für Hausbesitzer und am bürokratischen Aufwand.

Der GDV sieht nicht nur die Bürger und Bürgerinnen in der Pflicht, sondern die Politik. "Eine Versicherung allein ist keine Lösung. Dabei bleiben staatlicher und individueller Hochwasserschutz auf der Strecke", sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen. Angesichts häufiger auftretender schwerer Unwetter – gerade in Deutschland – müsse mehr getan werden, um Schäden zu vermeiden, wie auch die gebrochenen Dämme in Bayern zeigten. "Wir brauchen Bauverbote in Überflutungsgebieten, eine Pflicht zu wasserresilienten Baustoffen und bessere Hochwasserschutzanlagen. Nur so können wir die Spirale aus steigenden Schäden und steigenden Prämien durchbrechen", betont Asmussen.

Folgen des Klimawandels: Das haben die Landkreise bisher getan

BR Data, NDR Data, WDR und Correctiv haben 2023 alle Landkreise, kreisfreien Städte und Regionalverbände nach ihren Maßnahmen zur Anpassung an die Klimaveränderungen gefragt.

Damals gab die Stadt Regensburg beispielsweise an, bereits Schwammstadtprinzipen wie die Flächenentsiegelung oder Gewässerrenaturierung anzuwenden, Überflutungsflächen zu schaffen und das Hochwassermanagement an die Häufigkeit von extremen Hochwassern anzupassen. Der Landkreis Pfaffenhofen an der Ilm, in dem die stark vom jüngsten Hochwasser betroffene Gemeinde Reichertshofen liegt, gab damals an, keine genaue Kenntnis von den Maßnahmen der Gemeinden zu haben.

Für mehr Infos zur Klimafolgenanpassung der Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland klicken Sie auf einen Landkreis.

Gudrun Mühlbacher vom Deutschen Wetterdienst sagt aber auch: "Wir müssen uns von einem 100-prozentigen Hochwasserschutz verabschieden. Das kann man weder vom Staat noch von den Menschen verlangen." Vielmehr müsse man resilienter werden und neue Möglichkeiten finden, mit der Situation umzugehen. Dazu zählen nicht nur Rückhaltebecken und Überflutungsflächen, sondern auch eine gute Kanalisation mit funktionierendem Ablauf.

Über die Daten

Um die Warnmeldungen zu analysieren, wurden einmal pro Stunde die DWD-Warnmeldungen, die über die vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe zur Verfügung gestellte Warn-App NINA eingingen, gesammelt. Eine Meldung kann mehrere Orte umfassen. Die Daten zu den Schäden stammen vom Gesamtverband der Versicherer (GDV) und sind öffentlich verfügbar. Die Daten zur Klimafolgenanpassung der Landkreise und kreisfreien Städte wurden in einer gemeinsamen Recherche von BR Data, NDR Data, WDR und Correctiv in einer Umfrage von April bis Mai 2024 erhoben. Die Daten sind ebenfalls öffentlich zugänglich.

Dieser Artikel ist erstmals am 16.06.2024 auf BR24 erschienen. Das Thema ist weiterhin aktuell. Daher haben wir diesen Artikel aktualisiert und erneut publiziert.

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