Kleinere Flüsse, die idyllisch durch die Landschaft plätschern, sehen harmlos aus. Das sind sie aber nur so lange, wie es keine extremen Wetterereignisse mit großen Niederschlagsmengen gibt. Denn dann kommt eine Kaskade an Gefahren zusammen, die kleine Flüsse zu reißenden Fluten anschwellen lassen. So wie das jetzt in Bayern mit Flüssen wie der Paar, der Amper oder der Mindel passiert ist.
Kleinere Flüsse können weniger gut ausweichen
Während es bei großen Flüssen schon Sicherungsmaßnahmen wie Überflutungsflächen gibt, die das viele Wasser schnell aufnehmen können, ist das bei kleineren Flüssen eher nicht der Fall. Sie können nirgends ausweichen. Wenn sie dann noch in einem Gebirge mit starkem Gefälle fließen, in denen es oft Gewitter mit hohen Niederschlagsmengen gibt, schießt eine sehr große Wassermenge hinunter, ohne dass der Abfluss gedämpft wird.
Reißende Fluten entwickeln sich extrem schnell
Und das passiert innerhalb kürzester Zeit. Denn kleinere Flüsse verhalten sich zwar auf den ersten Blick wie die großen. Aber je nachdem, was von oben als Niederschlag herunterkommt, reagieren sie viel heftiger und schneller. Professor Johannes Hübl vom Institut für Alpine Naturgefahren an der Universität für Bodenkultur Wien: "Wir haben ein rascheres Eintreten der Hochwasserwelle bei kleinen Flüssen, weil die Reaktionszeit der Einzugsgebiete um vieles kleiner ist. So wirken sich auch Änderungen von der Belastungsseite, also vom Niederschlag her, vermehrt in kleineren Einzugsgebieten aus. Größere Einzugsgebiete sind träger."
Dichte Böden – schneller Abfluss
Hinzu kommt, dass bei kleineren Flüssen Gegebenheiten wie die Bodenbeschaffenheit schneller zum Risiko werden können als bei großen Flüssen. Wenn es dort an den Ufern breite Kiesbänke gibt, kann darin erstmal das viele Wasser versickern. Ein dichter Untergrund verschnellert dagegen den Abfluss. Und da reagiert ein kleiner Fluss in kürzerer Zeit: "Diese Kleinigkeiten wie ein sehr dichter Untergrund oder eine Schotterfläche sind bei kleineren Einzugsgebieten sehr ausschlaggebend", sagt Johannes Hübl.
Kaum zuverlässige Niederschlagsvorhersagen an kleineren Flüssen
An großen Flüssen stehen viele Messstationen, die die Niederschlagsmenge messen. An kleineren Flüssen findet man sie kaum. Deshalb sind Niederschlagsvorhersagen an kleineren Flüssen unzuverlässiger. "Kleine Fehler in einer Vorhersage, die also den Raum oder den Ort des Niederschlags und auch die Niederschlagsintensität betreffen, können zu großen Fehlern in einer Abfluss-Vorhersage führen", sagt Professor Harald Kunstmann von der Universität Augsburg. "Also das spielt eine viel größere Rolle und Unsicherheit in kleineren Gebieten als bei großen Gebieten."
Es braucht bessere Messtechniken auch an kleineren Flüssen
Es kommt also darauf an, die Vorhersage der Niederschlagsmenge und der genauen Orte, wo der Niederschlag heruntergeht, besser vorherzusagen. Inzwischen gibt es dazu Forschungen. Zum einen werden Daten von privaten Wetterstationen bei den Vorhersagen mitberechnet. "Und wir ziehen zum Beispiel auch Informationen aus der Mobilfunkkommunikation in unsere Berechnungen mit ein. Denn wenn es regnet, wird die Übertragung geschwächt. Und diese Dämpfungsdaten können wir nehmen, um daraus den Niederschlag abzuleiten", sagt Harald Kunstmann. Dazu kommen verbesserte Radarinformationen und komplexere Erdsystemmodelle, um genauere Vorhersagen des Niederschlags und des Abflusses der Wassermengen zu ermöglichen.
Aber letztendlich braucht es immer die Daten von Messstationen, die am Boden in den Einzugsgebieten der Flüsse stehen. Denn die messen den aktuellen, tatsächlichen Niederschlag. Doch Messstationen vermehrt an kleinen Flüssen aufzustellen, das kostet Geld. Aber angesichts der häufiger auftretenden Extremwetterereignisse wäre das eine dringliche Investition.
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