Begleitschutz von der Polizei an bestimmten Orten, keine öffentlichen Verkehrsmittel, keine Israel-Anstecker am Rucksack oder andere auffällige Symbole: Das sind nur einige der Sicherheitsauflagen, an die sich die israelischen Pfadfinder bei ihrem Besuch in Bayern vergangene Woche halten sollten. Und auch der BR berichtet erst heute über das deutsch-israelische Jugendtreffen, die Organisatoren baten aus Sicherheitsgründen darum.
Vorab teilweise Angst vor Deutschland-Besuch
Seit Montagnachmittag sind die israelischen Jugendlichen wieder zurück in ihrem Heimatland und auch die Pfadfinder aus Deutschland sind wieder zurück bei ihren Eltern. Auch wenn die Begegnungswoche dieses Jahr stark von der aktuellen Lage im Nahen Osten und der Angst davor, deshalb hier in Deutschland angegangen zu werden, geprägt war, fällt das Resümee bei allen beteiligten Pfadfindern sehr positiv aus.
"Die Jugendlichen hatten streckenweise Angst davor, nach Deutschland zu kommen, da sie vom auch hier immer größer werdenden Antisemitismus gehört haben. Die Protestcamps, zum Beispiel an der Ludwig-Maximilians-Universität, besorgten sie auch sehr. Als wir dann aber mit allen vor Ort waren, zeigten sich die Jugendlichen sehr gerührt und dankbar über die vielen positiven Begegnungen", berichtet Sophia Albrecht, die Programmverantwortliche bei den deutschen Pfadfindern. Besonders beeindruckend sei für die jungen Israelis gewesen, dass gegenüber dem "Pro-Palästina"-Protestcamp an der LMU auch leere Stühle als Solidaritätssymbol für die verschleppten Geiseln standen. "Die Jugendlichen zogen am letzten Tag auch den Schluss, dass es vor allem hier in München auch viele Unterstützer für Israel und das jüdische Volk gibt", so Sophia Albrecht rückblickend im Gespräch mit dem BR.
Gemeinsam spielen, tanzen und neue Freundschaften schließen
Am Wochenende, also an den letzten beiden Tagen des Pfadfinder-Jugendaustauschs, hätten sich die israelischen Jugendlichen deshalb sogar getraut, ihr Pfadfinder-Halstuch aus Israel auch öffentlich in der Stadt zu tragen, berichtet die deutsche Pfadfinder-Gruppenleiterin weiter. Das sei in den letzten Jahren auch üblich gewesen.
Es kam zu keinen negativen Vorfällen - sogar im Gegenteil. Viele israelische Pfadfinder äußerten sich nach der Begegnungswoche sehr positiv über ihren Besuch in Deutschland. Für alle Beteiligten sei der Jugendaustausch sehr schön gewesen, so Sophia Albrecht. "Es wurde gemeinsam gespielt, getanzt und neue Freundschaften geschlossen".
Viele positive Erinnerungen für junge Israelis
Insgesamt habe es allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern Freude bereitet, die jeweils anderen kennenzulernen und die israelischen Jugendlichen seien mit vielen positiven Erinnerungen zurück nach Israel geflogen, so Sophia Albrecht. "Es war sehr schön zu sehen, wie schnell sich die israelischen Jugendlichen sehr wohl bei uns gefühlt haben. Die Sicherheitsbedenken haben sich nach und nach doch irgendwie in Luft aufgelöst und die Freundschaften zwischen den israelischen und deutschen Jugendlichen sind sehr schnell entstanden und sehr tiefgründig geworden". Beim Abschied am Sonntagabend seien dann sogar ein paar Tränen geflossen und erste Pläne für einen Gegenbesuch in Israel im nächsten Jahr seien schon geschmiedet.
Gedenkstätten-Besuche, Zeitzeugen-Gespräche, Museen
Die israelischen und deutschen Jugendlichen hatten einen straffen Zeitplan: Auf dem Programm standen Besuche von Gedenkstätten und historischen Orten, Zeitzeugen-Gespräche, Ausstellungen und Museen. Sophia Albrecht sagt, dass die Jugendlichen vor allem vom KZ-Außenlager Kaufering schwer beeindruckt gewesen seien: "Für die Jugendlichen war es sehr spannend, auch mal eines dieser Lager zu sehen. Vor allem, da unsere Führung dort privat war und man sich so mehr in Ruhe mit den Geschichten auseinandersetzen konnte".
Losgegangen war das offizielle Programm vergangenen Mittwoch um 10 Uhr vor dem NS-Dokuzentrum am Münchner Königsplatz. Nach der Führung im Museum gab es das erste gemeinsame Pfadfinder-Spiel: Die Gruppen sollten sich immer wieder neu zusammen mischen und dabei Aufgaben erfüllen, um sich besser kennenzulernen.
Israelische Jugendliche auf Spuren ihrer Vorfahren in Deutschland
Viele der israelischen Jugendlichen zwischen 16 und 17 Jahren waren zum ersten Mal in Deutschland. Für Shira war am Mittwoch der erste Eindruck von der Stadt schon einmal positiv: "Viel grün hier. Das scheint hier ein ruhiger Ort zu sein. Und nette Menschen", sagte sie.
Auch Tom war bei dem Treffen mit dem BR am Mittwochvormittag schon ziemlich gespannt, was ihn in den nächsten Tagen erwartet: "Die meisten meiner Vorfahren wurden im Holocaust umgebracht. Ich hoffe, dass ich hier meine Wurzeln entdecken kann und dass ich sehe, was meine Familie erleben musste. So kann ich verstehen, was mein Urgroßvater durchmachen musste, denn er ist der einzige, der überlebt hat", erzählte der Schüler. Dass er hier nun in Deutschland war, sei ein bisschen so, als wenn er sich mit seiner Familie verbinde.
Dieses Jahr besondere Sicherheitsvorkehrungen
Für das Programm verantwortlich waren unter anderem der Israeli Raz Taieb und die deutsche Pfadfinder-Gruppenleiterin Sophia Albrecht. Raz Taieb ist in Israel ebenfalls Pfadfinder-Gruppenleiter und zudem Geschichtslehrer. Sophia Albrecht studiert noch. Zum dritten Mal in Folge haben sie diesen deutsch-israelischen Pfadfinder-Austausch organisiert.
Doch heuer war wegen des sprunghaften Anstiegs antisemitischer Vorfälle vieles anders: "Dieses Jahr ist es noch mal besonders, weil wir von der Polizei begleitet werden müssen und nicht mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren dürfen, sondern immer im privaten Reisebus", so Albrecht. "Aber wir versuchen trotzdem der Gruppe klarzumachen, dass wir sie sehr herzlich willkommen heißen in Deutschland und hier in München".
Bratwurst, Käsespätzle und Stadtführung
Die deutschen und israelischen Pfadfinder und Pfadfinderinnen trafen auch Mitglieder der jüdischen Gemeinde in München, bekamen eine Stadtführung durch die Münchner Altstadt und besuchten den Olympiapark. Außerdem stand traditionelle bayerische Küche auf dem Programm. Darauf hatten sich viele Jugendliche aus Israel schon besonders gefreut. "Wir hatten welche in der Gruppe, die sich koscher ernähren, aber es gab auch Leute, die sich schon sehr darauf freuten, eine Bratwurst oder einen Schweinebraten probieren zu dürfen", erzählt Sophia Albrecht. Besonders beliebt sowohl bei den israelischen als auch bei den deutschen Jugendlichen seien Käsespätzle. Das sei auch bei den Begegnungswochen in den letzten Jahren so gewesen.
Pfadfinder in Israel und Deutschland: ähnliches Grundprinzip
Zwischen den israelischen und den deutschen Pfadfindern gibt es laut Sophia Albrecht vor allem Unterschiede in der Organisation. In Israel seien die Gruppen deutlich größer als in Deutschland, teilweise sogar mit bis zu 1.000 Mitgliedern pro Gruppe. Außerdem gingen in Israel deutlich mehr Jugendliche zu den Pfadfindern als in Deutschland. "Vom Grundprinzip aber, zum Beispiel von den Spielen, gibt es sehr viele Ähnlichkeiten", so Albrecht. "So viele Unterschiede gibt es gar nicht". Und das hätten die deutschen und israelischen Jugendlichen auch während ihrer Begegnungswoche gemerkt.
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