Es kommt äußerst selten vor, dass sich wirklich alle Parteien bei einer Sache einig sind – aber dass Bayern eine sichere Trinkwasserversorgung braucht, dem stimmen im Landtag alle politischen Kräfte zu. Das zeigt schon die Tatsache, dass der Antrag der Grünen auf eine entsprechende Expertenanhörung einstimmig vom Umweltausschuss beschlossen wurde. Dort fand die Anhörung am Donnerstag statt.
Vertreter von Universitäten, Bauernverband und Wasserwirtschaft sollten Antworten auf die Frage geben, wie dauerhaft eine sichere Trinkwasserversorgung im Freistaat gewährleistet werden kann. Alle Fraktionen durften Experten benennen und einladen.
Bund Naturschutz: Ein nasser Winter reicht nicht aus
Martin Geilhufe vom Bund Naturschutz in Bayern kritisierte einen allgemein "sorglosen" Umgang mit Trinkwasser. Aufgrund des Klimawandels gebe es Unsicherheiten, zum Beispiel, ob künftig noch genug Regen fällt. Ein nasser Winter allein wie zuletzt reiche nicht: "Denn Grundwasser bildet sich über viele Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte", so Geilhufe. In Bayern sei das Grundwasser in den vergangenen 20 Jahren um 20 Prozent zurückgegangen, sagte Juliane Thimet, stellvertretende Geschäftsführerin des bayerischen Gemeindetages.
Die Staatsregierung müsse ihre Strategie verändern, finden deshalb die Grünen. "Der bayerische Weg, möglichst kleine Wasserschutzgebiete zu halten, ist in der Sackgasse", so Patrick Friedl, Sprecher für Naturschutz und Klimaanpassung. In Bayern werde ein möglichst kleiner Radius um die Wasserentnahmestellen zur Schutzzone erklärt: "Das brauchen wir künftig anders."
Wasserschutzgebiete in Hessen umgerechnet fast sechsmal so groß wie in Bayern
Laut Angaben des Umweltministeriums gibt es in Bayern aktuell knapp 3.200 Trinkwasserschutzgebiete: "Das entspricht rund 5,1 Prozent der Landesfläche", so das Ministerium. Andere Bundesländer weisen prozentual teils deutlich größere Flächen als Wasserschutzgebiete aus. Das geht aus BR24-Anfragen an die jeweiligen Umweltministerien hervor.
In Nordrhein-Westfalen gibt es demnach zwar nur rund 400 Trinkwasserschutzgebiete – diese machen aber rund zwölf Prozent der Landesfläche aus. Ähnlich groß sind die Anteile in Niedersachsen (rund 11 Prozent) und Mecklenburg-Vorpommern (rund 15 Prozent), in Baden-Württemberg sind es mehr als 26 Prozent und in Hessen sogar knapp 30 Prozent. Brandenburg (4,6 Prozent) und Sachsen-Anhalt (5 Prozent) liegen hingegen ungefähr auf dem bayerischen Niveau.
CSU: "Auf die Qualität kommt es an und nicht auf die Größe"
"Auf die Qualität kommt es an und nicht auf die Größe", sagte der Vorsitzende des Umweltausschusses, Alexander Flierl (CSU), "und an der Qualität werden wir weiterhin festhalten". Im Freistaat gelten innerhalb der Wasserschutzgebiete strenge Regeln, teilt das bayerische Umweltministerium mit, "anders als beispielsweise in Baden-Württemberg".
Es brauche nur das nötigste Maß an Wasserschutzgebieten, sagte Stefan Köhler, Umweltpräsident beim Bayerischen Bauernverband. Messstellen zeigten, "dass wir ein gutes Grundwasser haben im Vergleich zu Restdeutschland". In Wasserschutzgebieten gebe es Auflagen für die Landwirtschaft. Gülleausbringung sei in gewissen Zonen verboten, teilweise auch Bauten. "Wir haben ja viele Einzelgehöfte: Wenn die zum Beispiel Ställe erweitern wollen, kann es sein, dass diese Genehmigung versagt wird", so Köhler.
AfD lehnt "Wassercent" ab
"Wir haben keine Wasserknappheit momentan", sagte Ingo Hahn, stellvertretender Fraktionschef der AfD. Im vergangenen Winter habe es rund 50 Prozent mehr Niederschläge gegeben als durchschnittlich. Der von der AfD berufene Meteorologe Matthias Hornsteiner vom Verein "Fortschritt in Freiheit" sagte, erneuerbare Energien wie teilweise Solarparks könnten Böden austrocknen. Außerdem müsse man den Trend der Bodenversiegelung stoppen.
Ein Entnahmeentgelt für Wasser, den sogenannten "Wassercent", lehnt die AfD ab. Dieser belaste die Bürger: "Da wird wieder eine zusätzliche Steuer erhoben", sagte Hahn. SPD und Grüne wollen das Entnahmeentgelt. Auch CSU und Freie Wähler haben den Wassercent in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, wann und in welcher Form dieser eingeführt werden soll, ist allerdings unklar.
Alle Parteien und Experten gegen Privatisierung von Wasser
Harald Kunstmann, Professor für regionales Klima und Hydrologie an der Universität Augsburg, plädierte für mehr Forschung. Aktuell fehle es an Daten: "Wir bräuchten weit mehr Bodenfeuchtemessungen, denn nur darüber verstehen wir, warum im Moment die Grundwasserneubildung zurückgeht."
Eine Privatisierung von Wasser lehnt Kunstmann ab: "Im Nahen Osten unterliegt Wasser dem Verteidigungsministerium und dem Militär." Überall dort, wo Wasser privatisiert sei, komme es teilweise zu großen sozialen Ungerechtigkeiten. Auch über alle Parteigrenzen hinweg sprachen sich die Abgeordneten gegen eine Privatisierung aus.
Problem bei Wasserschutzgebieten: Langwierige Verfahren
Einig waren sich die Experten auch darin, dass die Ausweisung bereits geplanter Wasserschutzgebiete beschleunigt werden müsse. "Diese Wasserschutzgebietsverfahren dauern zwischen acht und 24 Jahren", kritisierte Juliane Thimet vom bayerischen Gemeindetag. "Das ist ein Skandal." Grund sei unter anderem Personalmangel an den Wasserwirtschaftsämtern, aber es gebe auch Anwaltskanzleien, die wüssten, "wie sie die Klaviatur der Einsprüche spielen müssen", sagte Thimet. Mehr als 400 solcher Wasserschutzgebietsverfahren sind in Bayern laut den Experten derzeit offen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!