Ein Segelboot mit der Aufschrift "Turning Point" auf dem Altmühlsee.
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Segeln als Therapie für Menschen mit Beeinträchtigungen. 40 Kids aus Förderschulen haben den Segelsport am Altmühlsee ausprobiert.

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Inklusion: Segeln als Therapie fürs Selbstbewusstsein

Der Surf- und Segelclub Wald am Altmühlsee will sich stärker inklusiv ausrichten. Der Teamsport sei eine prima Therapie fürs Selbstbewusstsein, sagt eine unterstützende Stiftung. 40 Kids aus Förderschulen haben den Segelsport ausprobiert.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Es herrscht eine wuselige Atmosphäre am Ufer des Altmühlsees. Viele Helfer stehen bereit, um den für diesen Tag eingeladenen Kindern und Jugendlichen den Einstieg in den Segelsport so angenehm wie möglich zu machen. Für die allermeisten ist es die erste Erfahrung auf einem Boot. Marc, Lea und Klara kommen zusammen mit einer Lehrerin aus dem Förderzentrum in Herrieden, andere sind aus Einrichtungen der Umgebung oder sogar aus Nürnberg angereist. Alle Teilnehmenden müssen mit Schwimmwesten ausgestattet werden. Und ihren Platz auf einem der vier Segelboote finden.

Stiftung fördert Inklusion durch Segeln

Der Aufwand ist enorm: Die Stiftung Turning Point aus Heidelberg stellt vier besondere Segelboote, die nicht umkippen können – und außerdem Profi-Segler, die die Aktiven vom Verein vor Ort fortbilden. "Zusammen haben wir 100 Jahre Erfahrung mit dem Thema Inklusion", sagt Jens Kroker von der Stiftung Turning Point. Ein Lerneffekt sei es, wie mit dem individuellen Gegenüber gut kommuniziert werden kann, so die Stiftung. Kroker fehlt eine Hand, trotzdem gewann er mehrere Medaillen und Weltmeistertitel. Der 55-Jährige gehört zum Team der Stiftung, deren Ziel es ist, junge Menschen mit körperlichen, geistigen oder sozialen Benachteiligungen den Segelsport zugänglich zu machen. Auch sein ehemaliger Trainer ist da, der führt auch heute das Kommando auf dem Altmühlsee.

Segeln als Therapie fürs Selbstbewusstsein

"Ein Tag auf dem Segelboot bringt mehr als zehn Stunden Therapie in einem Zimmer", behauptet Jens Kroker und beruft sich auf Aussagen von Therapeutinnen. Alle Kinder dürfen im Lauf des Tages verschiedene Aufgaben auf dem Segelboot übernehmen. Segel setzen, steuern, Kommandos erteilen. "Segeln ist ein Teamsport", sagt Kroker, und deswegen bestens geeignet, um Menschen mit verschiedenen Begabungen eine Aufgabe zu geben. "Das Segelboot reagiert sofort, je nachdem wie ich das Steuer halte." Die Kinder und Jugendlichen würden dabei die wichtige Selbstwirksamkeit erfahren. "Ich kann was – und was ich tue, hat eine Wirkung." Dieser Effekt wirkt sich positiv auf das Selbstbewusstsein aus.

Langfristige Integration in den Segelclub vor Ort

Im Surf- und Segelclub Wald hat vor kurzem eine neue Generation Verantwortung übernommen. Christian Winter und Frieder von Falkenhausen waren Kinder aus Gunzenhausen, als der Altmühlsee geflutet wurde. "Natürlich haben unsere Eltern damals die neuen Möglichkeiten genutzt", sagt Frieder von Falkenhausen. Als Sportlehrer im Gymnasium Weißenburg hat er ein Praxis-Seminar aufgesetzt, das unter anderem das Inklusionsprojekt Segeln begleitet. "Das Thema wurde sowohl von der Schule als auch von Paralympics Bayern an mich herangetragen", sagt er. Seine Schüler haben klar definierte Aufgaben, sie begleiten einzelne Kinder an den Steg, verbringen Zeit mit ihnen in der Mittagspause. Dabei wird jeder Schritt genau reflektiert. Schüler Dejan Lukic hat sichtlich Spaß mit den Kindern. Und das Segeln hat auch er am Vorbereitungstag erstmals ausprobieren dürfen. "Vor allem bei Wind hat man richtig Adrenalin", schwärmt er.

Niedrigschwellig einsteigen in den Verein

Der Segelsport hat den Ruf, den Schönen und Reichen vorbehalten zu sein. "Bei uns hier in Wald am Altmühlsee war das noch nie so exklusiv", sagt der Vereinsvorsitzende vom Surf- und Segelclub Wald, Christian Winter. Im Verein sei der Sport ohnehin viel günstiger. "Man kann die Boote vom Verein nutzen", sagt er, und gibt zu, dass diese an den schönen Wochenenden von vielen begehrt würden. Dabei würde er sich wünschen, dass auch andere ihre Segelboote teilen, die sie nur selten nutzen.

Stiftung hofft, dass einige bleiben

Die Stiftung Turning Point unterstützt mit dem Auftaktwochenende und würde auch extra Trainer finanziell fördern. Wenn von den 40 Teilnehmenden eine Handvoll langfristig im Verein bleibt, hat Stifter Heinz-Peter Schmidt sein Ziel erreicht. Marc, Lea und Klara hat der Tag auf jeden Fall sehr gut gefallen. "Ich hatte am Anfang etwas Angst, auf die wackeligen Boote zu steigen", sagt Lea. "Aber die haben gesagt, dass die nicht umfallen können." Ihre Freundin Klara ergänzt: "Es war richtig witzig, zu lenken." Und für Marc ist klar: "Ich kann es jedem empfehlen." Die Begeisterung ist spürbar. Und der Kontakt zum Segelverein ist auf jeden Fall schonmal hergestellt.

Bildrechte: BR / Ulrike Lefherz
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Kinder aus Förderschulen der Umgebung haben am Altmühlsee einen Tag lang das Segeln ausprobieren können. Sie sollen im Verein integriert werden.

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