Wie im Bund, so in Bayern – mit dieser Forderung reagiert die ÖDP auf die Karlsruher Entscheidung zur Wahlrechtsreform der Ampel. Das Bundesverfassungsgericht hatte die von der Ampel gekippte Grundmandatsklausel wieder in Kraft gesetzt. Sie ermöglicht es Parteien, auch dann in den Bundestag einzuziehen, wenn sie unter der Fünf-Prozent-Hürde bleiben. Nämlich mit mindestens drei Direktmandaten. Begründung des Gerichts: Ohne Grundmandatsklausel sei der Grundsatz der Wahlgleichheit nicht erfüllt. Demnach muss jede Stimme gleich zählen und die gleiche Erfolgschance haben. Regionale Unterschiede würden sonst nicht berücksichtigt.
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Regionale Besonderheiten nicht ausreichend berücksichtigt?
Der Landesverband Bayern der ÖDP findet: Was für Bundestagswahlen gilt, müsse auch für Landtagswahlen gelten. Derzeit aber berücksichtige das bayerische Wahlrecht regionale Unterschiede nicht ausreichend. Was die CSU vor dem Verfassungsgericht "zu Recht eingeklagt hat", müsse sie in Bayern mit ihrer Opposition genauso machen, sagt Urban Mangold, Pressesprecher der bayerischen ÖDP, BR24. Die ÖDP will klagen, sucht laut Mangold nach einem Experten für eine "juristische Ersteinschätzung".
ÖDP bisher immer an Fünf-Prozent-Hürde gescheitert
Mangold erinnert an das erfolgreiche, von der ÖDP initiierte Volksbegehren "Rettet die Bienen". Dieses "Engagement" würde die Partei gerne im Parlament fortsetzen. Bei der Landtagswahl im Herbst erreichte die ÖDP allerdings nur 1,8 Prozent, scheiterte abermals an der Fünf-Prozent-Klausel.
Sie fordert nun, diese Hürde abzuschaffen, zu senken oder zumindest nur auf Bezirksebene anzuwenden. Ihr Vorschlag: Falls eine Partei in einem der sieben bayerischen Regierungsbezirke mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen holt, soll sie in den Landtag einziehen.
Nur vier Bundesländer machen Ausnahme von Sperrklausel
Ein Vergleich zeigt: Alle 16 Bundesländer haben die 5-Prozent-Hürde in ihren Gesetzen stehen – nur Berlin, Brandenburg, Sachsen und Schleswig-Holstein machen eine Ausnahme in Form einer solchen Grundmandatsklausel.
Laut Bundesverfassungsgericht muss es diese Möglichkeit geben, trotz Scheiterns an der Sperrklausel ins Parlament einzuziehen. Zu viele Wählerstimmen blieben sonst unberücksichtigt.
Wahlrechtsexperte: Klage wenig aussichtsreich
Ob die ÖDP einen Experten für ihre Klage findet, ist offen. Denn es gibt ein Problem: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gilt ausschließlich für das Bundeswahlgesetz, ein sogenanntes einfaches Gesetz. In Bayern dagegen hat die Fünf-Prozent-Klausel selbst Verfassungsrang, hat also dasselbe Gewicht wie der Grundsatz der Gleichheit der Wahl.
Uwe Volkmann, Wahlrechtsrechtsexperte und Rechtswissenschaftler an der Goethe-Universität Frankfurt, sieht darin den Knackpunkt. Einer Klage der ÖDP vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof bescheinigt der Jurist deshalb nur geringe Erfolgschancen: "Eine Regelung, die selbst Bestandteil der Verfassung ist, kann nicht verfassungswidrig sein."
Um die Fünf-Prozent-Klausel im Freistaat zu kippen, müsste die Bayerische Verfassung geändert werden. Nötig dafür wäre zunächst eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag, anschließend müsste die Änderung "dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden".
Innenministerium: Verfassung schließt Grundmandatsklausel aus
Das für Wahlen in Bayern zuständige Innenministerium sieht nach der aktuellen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keinen Anlass, eine Grundmandatsklausel einzuführen. Das schließe die Verfassung durch die Fünf-Prozent-Hürde aus, teilt das Ministerium auf BR24-Anfrage mit.
Auf Bundesebene habe das Bundesverfassungsgericht zwar vorübergehend angeordnet, die Grundmandatsklausel beizubehalten. Der Grund sei aber das besondere Verhältnis zwischen CSU und CDU. Die Christsozialen treten nur in Bayern zur Wahl an, bilden aber gemeinsam mit der CDU, die in allen anderen Bundesländern zur Wahl steht, seit 1949 eine gemeinsame Fraktion. "Eine solche Konstellation gibt es bei der Wahl zum Bayerischen Landtag nicht."
Im Video (30.7.24): Wahlrechtsreform – Welche Fragen haben Sie?
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