Rettungstaucher Sven Oster im Einsatz.
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Rettungstaucher Sven Oster im Einsatz.

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Jede Minute zählt: Wie die Wasserwacht den Ernstfall übt

Die meisten Menschen ertrinken in Binnengewässern wie Seen und Flüssen. Deshalb muss die Wasserwacht regelmäßig für den Ernstfall üben – so auch im Meerhofsee bei Alzenau. Für Rettungstaucher Sven Oster ein wichtiges Training für Körper und Geist.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Mainfranken am .

Unter großem Zeitdruck zieht sich Rettungstaucher Sven Oster im Einsatzwagen um. Raus aus der Freizeitkleidung, rein in den engen Taucheranzug. Das Adrenalin steigt, er schwitzt. "Die Pumpe geht hoch", sagt er. Jetzt ginge es nicht um Minuten, sondern um Sekunden. Obwohl es sich um eine Übung handelt, ist das Szenario so realistisch wie möglich gehalten. Die Wasserwacht übt im Meerhofsee bei Alzenau.

Wenn jede Sekunde zählt: Wasserretter im Einsatz am Baggersee. BR-Reporterin Alexandra Reese und BR-Reporter Ralph Wege haben die Rettungstaucher bei ihrer großen Übung bei Alzenau für eine BR24 vor Ort-Reportage begleitet. Zu sehen im folgenden Video:

Großkampftag für die Wasserwacht Alzenau: Sie müssen einen Ertrunkenen auf dem Grund eines Baggersees finden.
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Großkampftag für die Wasserwacht Alzenau: Sie müssen einen Ertrunkenen auf dem Grund eines Baggersees finden.

Eine lebensgroße Puppe wurde im Meerhofsee versenkt. Sie gilt es so schnell wie möglich zu retten. Bei Ertrinkungsunfällen zählt jede Sekunde, denn selbst zehn Minuten ohne Sauerstoff überlebt nur jeder Zehnte. Nach 25 Minuten gibt es kaum noch Hoffnung. Der Meerhofsee in Alzenau ist an manchen Stellen 19 Meter tief, die Sicht wird immer schlechter, je tiefer man taucht.

Rettungskräfte benötigen Routine

Die Wasserwacht spielt bei der Rettung von Menschen im Wasser eine entscheidende Rolle. Durch regelmäßige Großübungen bereiten sich die Einsatzkräfte intensiv auf den Ernstfall vor, um im Falle eines Notrufs schnell und effektiv handeln zu können.

Im Jahr 2023 sind 378 Menschen in Deutschland ertrunken, die meisten davon in Seen und Flüssen. Hauptursachen sind mangelnde Schwimmfähigkeit, Erschöpfung und Überschätzung.

Suche nach Verunglückten mit modernster Technik

Bei der Großübung am Meerhofsee in Alzenau nehmen zwei Schnelleinsatzgruppen teil. Der SEG-Führer, der zuerst eintrifft, muss den Einsatz koordinieren. Gesucht wird der Patient mit modernster Technik: Das sogenannte Aqua Eye ist ein Handsonar, das mit künstlicher Intelligenz arbeitet. Größe und Form erinnern an eine Kehrschaufel. In 180-Grad-Bewegungen wird das Gerät durchs Wasser gezogen; mit Schallwellen kann es Körper in bis zu 50 Meter Reichweite orten. Ein Bildschirm zeigt den Radar.

Rettungstaucher arbeiten nach speziellem Muster

Sobald das Aqua Eye anschlägt, kommt Rettungstaucher Sven Oster zum Einsatz. Der Meerhofsee ist eine ehemalige Kiesgrube: Der Boden ist schlammig, das Wasser trüb. Der Taucher ist über eine Leine mit einer Person an Land verbunden. Der Einsatz unter Wasser erfolgt nach einem speziellen Suchmuster: Fächerförmig tastet sich der Taucher mit den Händen über den Seegrund. Dass sich seine Leine verhakt oder er in eine Glasscherbe fasst, ist bei diesem Einsatz sein größtes Risiko.

Bei Großübungen der Wasserwacht werden verschiedene Rettungstechniken trainiert, darunter auch die Erstversorgung von Ertrinkungsopfern. Parallel zur Suche unter Wasser machen sich Wasserretter in einem Boot auf den Weg zur möglichen Fundstelle. Doch von Rettungstaucher Sven keine Spur: Er kann den "Ertrunkenen" nicht finden. Nach mehr 30 Minuten wird die Übung abgebrochen. Die Puppe werden sie später bergen müssen.

"Es kommt vor, dass Menschen nicht gefunden werden"

Es war eine Übung unter realen Bedingungen. Die Koordination habe gut geklappt, sagen die Einsatzkräfte - das Ergebnis der Suche allerdings war ernüchternd. "Es ist frustrierend", sagt der erfahrene Rettungstaucher, "wenn man sucht und sucht und niemanden findet." Aber auch das ist die Realität für Wasserretter. "Es kommt immer wieder vor, dass Menschen nicht gefunden werden, weil das Wasser zu trüb ist, sie abgetrieben sind oder gar an anderer Stelle wieder aus dem Wasser gekommen sind", fügt Sven Oster hinzu. Er macht den Job seit 30 Jahren. Dennoch sei jede Großübung ein wichtiges Training für Körper und Geist, mit Stresssituationen umzugehen, sagt er.

Durch den Einsatz moderner Technologien und Ausrüstungen verbessert die Wasserwacht kontinuierlich ihre Rettungseinsätze. Dennoch bleibt die Prävention von Badeunfällen ein wichtiger Schwerpunkt, um das Risiko von Ertrinkungsunfällen zu minimieren. Öffentliche Aufklärungskampagnen, Sicherheitshinweise an Badestellen und nicht zuletzt die Schulung von Schwimmern sind entscheidend, um die Sicherheit im Wasser zu gewährleisten.

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