Eigentlich hätte vor Weihnachten Schluss sein sollen. Nun gibt es Termine bis in den März - und es ist fraglich, ob das reicht. Die Beweisaufnahme im Traunsteiner Prozess um den mutmaßlichen Mord an der Aschauer Studentin Hanna gestaltet sich aufwendig. Der Angeklagte schweigt. Ebenso eine wichtige Zeugin, auf deren Aussage sich die Anklage zu Teilen stützt.
Und noch immer ist nicht ganz geklärt, ob die 23-Jährige ohne fremdes Zutun ums Leben gekommen sein könnte, nachdem sie in einen Fluss stürzte. Im neuen Jahr will sich das Gericht mit dieser Frage intensiv auseinandersetzen.
Prozess zum Fall Hanna: Warum es nun weitere Termine gibt
Weil eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich sei, habe das Gericht weitere Termine angesetzt, sagt Cornelia Sattelberger, Sprecherin des Landgerichts Traunstein. In dem Indizienprozess gebe es bisher keine hieb- uns stichfesten Beweise, auch der Tatablauf stehe nicht fest.
"Jedes Mosaiksteinchen für sich ist wichtig", sagt Sattelberger. "Die zahlreichen noch offen stehenden Termine zeigen, dass zur Wahrheitsfindung noch viel Aufklärungsarbeit notwendig ist", sagt der Anwalt des Angeklagten, Harald Baumgärtl.
Polizei suchte nach Besitzer einer Uhr - und nach einem Jogger
Ein Passant hatte Hannas Leiche am Nachmittag des 3. Oktober 2022 im Fluss Prien entdeckt. Die 23-Jährige hatte im "Eiskeller" in Aschau im zwölf Kilometer entfernten Chiemgau gefeiert und sich am frühen Morgen auf den Heimweg gemacht - doch sie kam nie an. Unweit des Clubs, am Bärbach bei der Kampenwandbahn, wurde später ihr Ring gefunden. Ebenso eine Männeruhr.
Die Polizei befragte Hunderte Besucher des "Eiskellers" - und suchte intensiv nach dem Besitzer der Uhr - und einem Mann, der in der Nacht in der Nähe joggte. Die Uhr erwies sich nicht als heiße Spur. Sechs Wochen nach Hannas Tod aber wurde ein junger Mann festgenommen - der Jogger.
Wann entstanden Hannas Verletzungen?
Der inzwischen 22-Jährige sitzt seit Oktober 2023 wegen des Vorwurfs des Mordes auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er Hanna auf ihrem Heimweg vom "Eiskeller" verfolgt, aus sexuellen Motiven überfallen, auf den Kopf geschlagen und verletzt in den Bärbach geworfen hat.
Laut Obduktion ertrank die Studentin. Nicht klären konnten die Rechtsmediziner, ob ihre Verletzungen unter anderem am Kopf und an den Schultern vor oder nach dem Tod entstanden. Fest steht, dass sie bei ihrem Tod einen Alkoholpegel von etwa zwei Promille hatte.
Gutachten soll klären, ob Verletzungen durch Sturz entstanden sein könnten
Könnte also alles anders gewesen sein? Könnte es sein, dass die junge Frau alkoholisiert in den Bach stürzte, dass die Verletzungen von Wasserwalzen und Treibholz stammen? "Das ist eine Variante, die man abklären muss", sagt der Verteidiger Baumgärtl. Der Fluss, so der Anwalt, habe damals viel Wasser geführt. Es gebe Stufen, Strudel und vier alte Mühlen, die heute E-Werke sind und an denen es Engstellen gibt.
Um den Wasserlauf zu untersuchen, wurden spezielle Polizeidrohnen mit Kameras losgeschickt. Die Aufnahmen vom Verlauf des Bärbachs und der Prien hat das Gericht vor Weihnachten angesehen. Sie zeigten eine Reihe von Stellen, in denen ein Körper Verletzungen davontragen könnte. Die Kammer lässt nun ein Gutachten erstellen, ob Hannas Verletzungen so entstanden sein könnten. "Man muss aufklären, ob es nicht doch ein Unfall gewesen sein könnte", sagt Gerichtssprecherin Sattelberger.
Unstimmige Zeugenaussage: Wann fand Gespräch über Tat statt?
Ungereimtheiten taten sich im Lauf des Prozesses bei den Aussagen der engen Freundin des Angeklagten auf. Nach ihrer ursprünglichen Aussage hatte der Mann ihr am 3. Oktober abends bei einem Treffen in Aschau gesagt, es sei ein Mädchen umgebracht worden - was zu dem Zeitpunkt außer den Ermittlern fast niemand wusste. Außer eben ein Täter.
Doch es kamen Zweifel auf, ob das Gespräch am 3. stattfand - oder am 4. Oktober, an dem die Frau den Angeklagten ebenfalls getroffen haben will. An diesem Tag allerdings war der Fall bereits in den Medien. Nicht verwunderlich also, wenn der junge Mann sie darauf ansprach - es war an dem Tag das zentrale Gesprächsthema in der Region.
Falschaussage einer Zeugin steht im Raum
Stutzig machen könnte laut Verteidigung auch, dass die junge Frau berichtete, der spätere Angeklagte habe gesagt, die Leiche sei in der Prien gefunden worden. Das aber wussten nur die Rettungskräfte, die den Leichnam bargen - und nicht einmal ein möglicher Täter.
Die Kammer müsse entscheiden, welche Aussagen der Zeugin verwertbar seien, sagt Gerichtssprecherin Sattelberger. "Aus Verteidigersicht halte ich sie nicht für glaubwürdig", sagt Anwalt Baumgärtl. Zuletzt hat die Frau vor Gericht die Aussage verweigert, um sich nicht selbst zu belasten. Im Raum steht eine Falschaussage, die den Angeklagten zu Unrecht in Untersuchungshaft gebracht haben könnte.
Prozess zum Fall Hanna: Wie es nun weiter geht
An den nächsten Prozesstagen steht nochmals die Auswertung des Handys des Angeklagten an. Hat er zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt auf dem Gerät gespielt? Auch Sprachnachrichten mit der Zeugin werden gehört.
Zeitnah solle auch das Gutachten zum Wasserlauf eingeführt werden, sagt Gerichtssprecherin Sattelberger. Eventuell sei auch zu klären, wie die Schleusen standen, vielleicht mit einer Anhörung der Schleusenbetreiber.
Nächster Prozesstag ist der 4. Januar, bisher letzter angesetzter Termin der 5. März. Sollte es zu einem Urteil kommen, könnte Jugendstrafrecht angewendet werden. Dafür hatte sich ein psychiatrischer Sachverständiger ausgesprochen. Bei ihm wie bei einer Psychologin hat der Angeklagte die Tat bestritten. Zu der Psychologin sagte er auch: Er hoffe, dass bald der richtige Täter gefunden werde - damit er frei komme.
Mit Informationen von dpa.
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