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Jüdische Gemeinden: Anlaufstelle für ukrainische Geflüchtete

Viele Geflüchtete aus der Ukraine suchen vermehrt Hilfe bei jüdischen Gemeinden. Denn ein Großteil ihrer Mitglieder sind nach dem Fall der Sowjetunion selbst geflohen. Vor allem die gemeinsame Sprache hilft bei der Integration.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Auf dem Tisch von Dorina Kuzenko stapeln sich ukrainische Pässe. Sie gehören einer fünfköpfigen Familie aus Kiew, die vor wenigen Tagen vor dem Krieg in ihrer Heimat geflohen ist. Nun sitzen Vater und Mutter im Büro der Sozialarbeiterin der jüdischen Gemeinde Regensburg, um sich beim Sozial- und Ausländeramt zu registrieren. Dort sei die Verständigung manchmal schwierig, sagen die Geflüchteten. Kuzenko spricht russisch und kann daher die Formulare der Stadt, die allesamt auf Deutsch sind, übersetzen und ausfüllen. "Ich weiß nicht, was ich ohne sie täte", übersetzt die Sozialarbeiterin etwas verlegen die Antwort der Mutter. So wie der ukrainischen Frau geht es vielen Geflüchteten aus der Ukraine, die an diesem Tag in der jüdischen Gemeinde auf einen Termin bei Dorina Kuzenko warten.

"Die Menschen brauchen einfach Hilfe"

"Es ist seit Tagen ein Kommen und Gehen", beobachtet Ilse Danziger. Es habe sich inzwischen rumgesprochen: Die jüdische Gemeinde in Regensburg, der Danziger vorsteht, kann und will helfen. Die Vorsitzende macht dabei auch keinen Unterschied, welcher Religion die Geflüchteten angehören. "Weil die Menschen einfach Hilfe brauchen." Der Großteil der Menschen, die derzeit zur jüdischen Gemeinde in Regensburg kommen, ist nicht jüdischen Glaubens. "Die meisten können kein Englisch, sondern sprechen Russisch oder Ukrainisch." Wie auch viele Mitglieder der jüdischen Gemeinde, nicht nur in Regensburg.

Die Sprachkompetenz sieht Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, als einen Grund, warum bundesweit viele ukrainische Geflüchtete bei den jüdischen Gemeinden Hilfe suchen. Zum anderen liegt es an den Erfahrungswerten: Mit dem Fall der Sowjetunion war auch ein starker Mitgliederzuwachs verbunden. Allein die jüdische Gemeinde Regensburg ist so auf rund 1.000 Mitglieder angewachsen.

Viele Juden stehen auf Distanz zur russischen Politik

Auch Dorina Kuzenko und ihr Mann sind damals nach Deutschland gekommen. Sie ist in St. Petersburg geboren, er in der Ukraine. Ein Thema sei die unterschiedliche Herkunft seit Beginn des Krieges aber nicht, sagt Kuzenko - weder bei den Geflüchteten aus der Ukraine noch innerhalb der Gemeinde. Deren Vorsitzende Ilse Danziger würde Konflikte zwischen russland- und ukrainestämmigen Gemeindemitgliedern auch nicht tolerieren. Bisher seien aber weder in Regensburg noch dem Zentralrat der Juden in Deutschland solche Fälle bekannt. "Viele Juden sind damals wegen dem wachsenden Antisemitismus in Russland nach Deutschland geflohen. Sie stehen daher in deutlicher Distanz zur russischen Politik", sagt Präsident Josef Schuster.

Sozialarbeiterin kennt die Tücken der Bürokratie

Die Flucht vereint. Dorina Kuzenko versteht die Ängste und Sorgen, mit denen die Geflüchteten aus der Ukraine zu ihr kommen. "Ich versuche dann immer zu sagen: Wir haben das alles schon erlebt. Das wird schon." Kuzenko kennt aber auch die Tücken des Systems, wie sie beim nächsten Termin offensichtlich werden: Wieder sitzt eine Frau aus der Ukraine vor ihr. Es geht um einen Amtstermin. Kuzenko schaut auf die Uhr. Es ist Mittag. Sie verzieht das Gesicht, wählt aber trotzdem die Nummer des Amts. Während eine Ansage vom Band läuft, zeichnet sich ein müdes Lächeln auf Kuzenkos Gesicht ab. "Sie haben schon zu. Tja." Eine schnelle Registrierung hat eben ihre Grenzen.

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Wohnung in Regensburg für Geflüchtete.

Es fehlen Plätze in Kitas und Schulen für Geflüchtete

Für Dorina Kuzenko ist die Arbeit noch nicht zu Ende. Sie macht sich auf den Weg zu einer Wohnung in der Regensburger Altstadt. Das Haus gehört der katholischen Kirche, wird aber nun von Geflüchteten bewohnt, um die sich die Sozialarbeiterin der jüdischen Gemeinde kümmert. Als sie die Wohnung betritt, kommen ihr schon mehrere Kinder entgegen. Sie leben hier mit ihren Müttern. In den Ecken stapeln sich Spielsachen, allesamt Spenden. "An Kleidung und Spielsachen mangelt es nicht", sagt Kuzenko. "Was fehlt sind Plätze in Kitas und Schulen, die aber dringend gebraucht werden." Ein Mädchen sitzt stattdessen an einem Laptop. Sie hat Online-Unterricht, mit einer Lehrerin in der Ukraine.

"Das Leben bleibt in der Ukraine zurück"

Aus den Zimmern blicken Frauen, denen das Lachen schwerfällt. Sie seien froh über die Hilfe, sagt eine Geflüchtete aus dem umkämpften Irpin. "In der Ukraine ist das Leben geblieben: Familie, Mann, Haus." In einigen Zimmern fehlt es noch an Schränken und Bettgestellen; in der Küche an einem Kühlschrank und einem Kochherd, mit ausreichend Platz für das Essen für mindestens acht Bewohner. In den nächsten Tagen sollen wieder Möbel kommen, die hat Dorina Kuzenko schon organisiert. "Was würden wir nur ohne sie machen", sagt eine weitere Ukrainerin auf Russisch. Kuzenko ist gerührt. Dann muss sie sich schon wieder verabschieden. Die Sozialarbeiterin muss ins Ankerzentrum, um bei der Registrierung zu helfen. Warum sie das alles tue? "Das ist doch ganz normal: Zu helfen, wenn jemand Hilfe braucht."

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Auf dem Tisch von Sozialarbeiterin Dorina Kuzenko im Büro der jüdischen Gemeinde Regensburg stapeln sich ukrainische Pässe.

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