ARCHIV - 20.12.2022, Bayern, Gablingen: "JVA Anlieferung" ist auf einem Schild vor der Justizvollzugsanstalt Gablingen bei Augsburg zu lesen. Eine neue Kommission des Justizministeriums soll nun aufgrund der Misshandlungsvorwürfe gegen Justizbeamte des Gefängnisses Gablingen Konsequenzen erarbeiten. (zu dpa: «Ex-Spitzenjurist leitet Gablingen-Aufklärungsgremium») Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Justizvollzugsanstalt Augsburg-Gablingen (Archivbild)

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JVA Gablingen: Wollte Justizministerium Kommission beeinflussen?

JVA Gablingen: Wollte Justizministerium Kommission beeinflussen?

Nach Hinweisen auf Missstände besuchte eine Delegation unangekündigt die JVA Gablingen – und stieß auf Widerstand. Ein Ministeriumsmitarbeiter wollte solche Kontrollen offenbar untersagen. Justizminister Eisenreich hat dazu eine klare Haltung.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

Ein Mitarbeiter des bayerischen Justizministeriums soll möglicherweise versucht haben, Einfluss auf die Arbeit der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter zu nehmen. Dies geht aus einem Bericht der Stelle hervor. Darin heißt es, dass sie am 28. August 2024 vom Ministerium aufgefordert worden sei, zukünftig von unangekündigten JVA-Besuchen abzusehen. Diese Aufforderung hatte die Nationale Stelle entschieden abgelehnt, insbesondere weil das Ministerium bereits seit Oktober 2023 von Missständen in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Gablingen wusste, heißt es.

Unangekündigte Kontrollen in JVA: Das sagt der Justizminister

Auf Nachfrage des Bayerischen Rundfunks stellte der Bayerische Justizminister Georg Eisenreich klar, dass dieses Schreiben nicht seiner Haltung entspricht. "Ich habe in der Zwischenzeit angekündigt, dass auch wir selbst unangekündigte Besuche in den Justizvollzugsanstalten durchführen", so Eisenreich. Auch seien schon eine Reihe von unangekündigten Besuchen durchgeführt worden. Das Justizministerium hatte zuvor bereits mitgeteilt, dass diese Aufforderung eine individuelle Äußerung des Leiters der Vollzugsabteilung gewesen sei.

Prüfer: Mussten 30 Minuten am Einlass warten

Rainer Dopp, Vorsitzender der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter, erklärte in einem Interview, dass der "Fall Gablingen" für sein Team ein Novum darstelle. Üblicherweise würden Besuche mit mehreren Tagen Vorlauf angekündigt, da man davon ausgehe, dass die Einrichtungen nicht in der Lage seien, kurzfristig größere Veränderungen vorzunehmen. Der unangekündigte Besuch in Gablingen sei jedoch aufgrund konkreter Hinweise auf menschenunwürdige Haftbedingungen erfolgt. Dabei habe die Delegation am Einlass fast 30 Minuten warten müssen – eine ungewöhnliche Verzögerung, die dem Team "komisch" vorgekommen sei.

In den besonders gesicherten Hafträumen hätten sie dann Matratzen und Kleidung vorgefunden. Man habe aber Hinweise darauf bekommen, dass beides an diesem Morgen erst kurzfristig bereitgestellt worden sei.

Staatsanwaltschaft Augsburg ermittelt

Ob das Team absichtlich getäuscht wurde, ist nun Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Die Augsburger Ermittlungsbehörde hatte die JVA im Vorort Gablingen im Herbst mehrfach durchsuchen lassen. Es gibt den Verdacht, dass Gefangene dort erniedrigt worden oder Beamte gewalttätig geworden sein könnten. Es wird gegen mehr als ein Dutzend Bedienstete ermittelt, darunter auch die frühere Anstaltsleitung. Zudem gibt es den Verdacht, dass in der JVA Beweismaterial vernichtet worden sein könnte.

Dopp kritisierte gegenüber BR24 am Donnerstagabend, dass es lange gedauert habe, bis den Vorwürfen tatsächlich nachgegangen worden sei. Das sei Aufgabe der Aufsichtsbehörde, also des Ministeriums. Dopp beklagte außerdem, dass die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter nur "sehr sparsam ausgestattet" sei, auch im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern. Deshalb habe seine Einrichtung nur die Möglichkeit, wenige "Stichproben" zu nehmen. Es wäre schön, wenn die Kommission in die Lage versetzt würde, das häufiger zu tun, betonte der Vorsitzende. Schließlich gebe es eine ganze Reihe von Gründen, weswegen man in die Einrichtungen gehen müsse. "Und wenn es nur wäre, dass man mit dem Blick von außen kommt und mal die Frage stellt: 'Warum geht ihr mit den Menschen so um und nicht anders'."

Was Bayern verbessern will

Justizminister Eisenreich betonte heute jedoch erneut, dass bereits im November 2024 ein eigenes Referat innerhalb der Abteilung Justizvollzug eingerichtet wurde, um der Prävention von Folter besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dieses Referat bündelt zentral die Aufsicht über grundrechtssensible Bereiche. Zudem sollen künftig in kürzeren Abständen als bisher Berichte aus den Justizvollzugsanstalten zur Unterbringung vorgelegt werden. In diesem Zusammenhang hat Eisenreich auch eine interdisziplinäre Kommission unter der Leitung des ehemaligen Präsidenten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs, Peter Küspert, eingesetzt.

Diese Kommission soll bis Jahresende 2025 Leitlinien entwickeln, wie die Unterbringung in besonders gesicherten Hafträumen (BGH) in Zukunft aussehen soll. Zudem soll sie die Zusammenarbeit zwischen den Justizvollzugsanstalten und psychiatrischen Einrichtungen prüfen, um entsprechende Verbesserungsvorschläge zu machen.

Mit Informationen der dpa

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