Es ist kalt, der Körper nach einem anstrengenden Arbeitstag müde und ganz langsam läuft von oben eine braune Brühe in die Gummistiefel. Der Weg nach Hause ist geflutet, es geht nur noch übers Bahngleis. Und dann daheim dann Stromausfall: keine heiße Dusche, kein warmes Essen und keine Aussicht, dass sich das so schnell ändert. Trotzdem heißt es wenigstens ein bisschen schlafen und morgen gleich wieder raus, denn unser Auftrag ist: Informieren, Warnen, vor Ort sein.
So erzählt Peter Allgaier, daheim in Offingen im Landkreis Günzburg, vom Hochwasserwochenende. Zusammen mit Karl Spannenberger ist er im Studio Günzburg für eben diesen Landkreis und den Landkreis Neu-Ulm zuständig. Zuerst wollte er nicht so recht an ein schlimmes Hochwasser glauben. "Wir hatten ja schon häufiger Hochwasserwarnungen und dann standen ein paar Radwege unter Wasser." Diesmal war es anders. Das Wasser kommt und das mit einer unheimlichen Wucht.
Wichtig ist ihm und allen anderen Kollegen: Sie wollen nicht jammern, denn sie haben Menschen erlebt, die großes Leid erfahren und viel verloren haben. Karl Spannenberger beschäftigt die Geschichte mit dem vermissten Feuerwehrmann noch immer.
Nach der Live-Schalte ist vor der Live-Schalte
Für die Berichtenden sind es Tage mit wenig Schlaf, unzähligen Berichten, Live-Schalten, viel Arbeit und teils persönlicher Betroffenheit. "Wenn Du einen Ort wie Krumbach normal kennst und dann stehst Du da in Gummistiefeln in zehn Zentimeter hohem Wasser und die Strömung ist so stark, dass es dir fast die Füße wegreißt – das glaubt einem keiner."
Sein Kollege aus dem Studio Augsburg, Andreas Herz, erzählt, "Samstag ging es bei uns los. Babenhausen wird von der Günz geflutet. Teils schulterhoch stehen Häuser im Wasser. Live-Schalten am Fließband, bis spät in die Nacht. All das wäre nie möglich gewesen, ohne meinen Kollegen Markus Wessely, der als Mediengestalter dabei war." Zwischen den Schalten organisierte der Mediengestalter Stromkabel, um die LiveU zu laden. Als drei Minuten vor einer Schalte der Ton ausfiel, habe er schnell eine Lösung gefunden. Als das Internet im ganzen Ort zusammenbrach, organisierte er eine Telefon-Schalte. Er lief durch den Ort, suchte Netz und schaffte es dann doch noch, dass eine Schalte mit Bild möglich war. Dies sei eine absolute Spitzen-Leistung hinter der Kamera gewesen.
Karl Spannenberger hatte als Mediengestalter German Groß von RT1 an der Seite: "Für mich ein Glücksfall! German ist bei der DLRG und war selbst schon bei Hochwassereinsätzen. Er konnte mir zum Beispiel einordnen, was die Einsatzkräfte sagen und mich auf Gefahren hinweisen."
Träumen vom Wasser, Tränen und Korribonus
Auch die Region von Judith Zacher und Tobias Hildebrandt aus dem BR-Studio Donauwörth war stark betroffen. "Normalerweise kann ich abschalten", berichtet Judith Zacher, "aber dieses Mal hab ich auch ganz viel vom Wasser geträumt." Viele vor Ort hätten sich bedankt, dass sie, also der BR, da ist. "Da zahlt sich das Korri-Dasein aus und dass wir über Jahre die Kontakte aufgebaut haben. Wir erfahren so Sachen aus Orten, wo wir gerade nicht selbst sein können", freut sie sich. Aber ein Mann hat sie einmal richtig angeschrieen, als sie auf einem Damm stand, um noch Bilder für die Abendschau zu machen. "Da merke ich, dass mich das verfolgt", gibt sie zu. Die Nerven lagen blank, meint sie, bei allen.
Den Korrespondentenbonus hat auch Birgit Grunder, BR-Studio München, gespürt. Sie hat vor allem aus dem Landkreis Freising berichtet. "Du hast einen gewissen Bekanntheitsgrad und einen Vertrauensvorschuss bei den Leuten", erklärt sie. Das zahlt sich auch bei Pressesprechern aus, die sie häufig anruft und die ihr immer noch und immer wieder bereitwillig antworten. Es ist nicht ihr erstes Hochwasser. Was sie diesmal auch lange beschäftigt hat? Dass sie erwachsene Männer hat weinen sehen. "Das ist immer ein Ausnahmezustand, weil es in der Berichterstattung ziemlich unberechenbar ist." Als sie angerufen wurde, musste es schnell gehen. Um 18.45 Uhr am Samstagabend war Birgit Grundner noch beim Einkaufen in Erding, keine zwei Stunden später in der Live-Schalte im BR extra aus der Freisinger Einsatzzentrale. Aber sagt sie, das sei der Grund, warum sie Reporterin geworden ist. Um bei den Leuten zu sein, zu informieren und ihnen eine Stimme zu geben. Immer wieder ist sie beeindruckt, wie gut das Rettungswesen in Deutschland organisiert ist.
Gummistiefel und Beten um die Handyverbindung
Die Korrespondentinnen aus dem BR-Studio Ingolstadt, Susanne Pfaller und Daniela Olivares, waren im Landkreis Pfaffenhofen unterwegs. Die Gummistiefel, die sie im BR-Korri-Auto immer dabei haben (neben Mikroangel, einem Kasten Wasser und Studentenfutter oder Trockenfeigen), ziehen sie so schnell nicht mehr aus. "Ich hab es mir nicht vorstellen können, aber das Wasser kam so schnell, da stand in einer Viertelstunde alles unter Wasser", beschreibt Olivares die Lage. "Man hört es immer, dass es passiert, aber man glaubt es erst, wenn man es selbst erlebt." Auch dass sie an Ort und Stelle bleiben musste, weil sie vom Wasser eingeschlossen war – eine neue Erfahrung. Eine weitere Hochwasserfolge – kein Netz: "Berichten und recherchieren stresst mich nicht", sagt die erfahrene Susanne Pfaller abgeklärt, "was mich stresst, ist, wenn Du 15/16 Stunden ohne Pause gegen die Technik kämpfst, dann belastet das, wenn Du beten musst, dass die Handyverbindung hält."
Beeindruckende Gelassenheit in Regensburg und Passau
Auch für BR-Passau Korrespondentin Katharina Häringer waren es anstrengende Tage. "Wahnsinnig lange Arbeitstage, dazu in doppelter und dreifacher Geschwindigkeit arbeiten und die Konzentration über 15 Stunden zu halten. Und zum Abend hin, wenn der Körper dann müde wird, dann muss man für Tagesschau und Tagesthemen erst recht Gas geben", erzählt sie. Dabei galt es auch immer den Ton gut zu treffen, denn in Passau war es im Vergleich zu Schwaben oder Oberbayern nicht so dramatisch. Was sie besonders beeindruckt und überrascht hat: Die Routiniertheit der Passauer, mit Wasser zu leben. Wie Leute, deren Häuser vom Wasser eingeschlossen war, sich morgens von der Feuerwehr per Wassertaxi zur Arbeit haben fahren lassen und abends wieder heim, als wäre es das Normalste der Welt. Ähnliches kann auch BR-Regensburg-Korrespondentin Corinna Ballweg berichten: "Klar, war da Anspannung, aber auch ein 'Das pack mer scho'." Das gilt vor allem für die Arbeit der Einsatzkräfte. "Die Stimmung war gut, kann man angesichts der Lage nicht sagen, aber der Zusammenhalt war absolut spürbar."
Teamgeist und Zusammenarbeit überall
Alle sind sich einig, dass die Berichterstattung eine Gemeinschaftsleistung war – von Redaktionsleitungen, die unterstützt haben, Reportern, die eingesprungen sind, CvDs, die koordiniert haben, Planern, die den Überblick behalten haben, Formatschaffenden, die unermüdlich Sendeplätze befüllt haben und etlichen anderen. "Das war großartig", sagt Corinna Ballweg.
Und außerhalb der Berichterstattung hat das Hochwasser bei aller Katastrophe auch gezeigt, dass es Menschen gibt, die bereit sind selbstlos zu helfen. "Hochachtung vor allen Einsatzkräften", kommt zum Beispiel von BR-Günzburg-Korrespondent Peter Allgaier, "das ist eine unheimliche Gefahr und die Leute machen das ehrenamtlich und sind mit unglaublichem Leid konfrontiert." Er als Reporter sei vielleicht in drei Häuser gegangen, Helfer gingen in 50. "Sie leisten Übermenschliches!"
Im Video: Die Abriegelung der Regensburger Werftstraße ist wieder aufgehoben
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!