Es ist 7:00 Uhr am Montagmorgen, als die Stadt Regensburg den Katastrophenfall ausruft. Der Hochwassernachrichtendienst Bayern meldet an der Eisernen Brücke einen Pegel von 5,90 Meter. Vergangenen Dienstag lag der noch bei etwa 2,70 Metern. Was bedeutet das Ausrufen eines Katastrophenfalls für die Gemeinde als auch die Menschen? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Wer ruft wann den Katastrophenfall aus?
Eine Katastrophe ist "ein Geschehen, bei dem Leben oder Gesundheit einer Vielzahl von Menschen oder die natürlichen Lebensgrundlagen oder bedeutende Sachwerte in ungewöhnlichem Ausmaß gefährdet oder geschädigt werden". So lautet die Definition im Bayerischen Katastrophenschutzgesetz (BayKSG). Konkret heißt das:
Wenn es zu Gefährdungslagen wie etwa zu Hochwasser kommt und lokale Hilfs- und Rettungskräfte wie die Feuerwehren vor Ort nicht mehr in der Lage sind, allein für den Schutz von Leib und Leben der Bürgerinnen und Bürger zu sorgen, melden sie dies an die jeweiligen Landräte oder Bürgermeister der kreisfreien Städte, die dann ans Innenministerium melden und den Katastrophenfall ausrufen können.
In Regensburg hat genau das heute die Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer getan. Vorteil ist nun, dass sie die unterschiedlichen Behörden und Organisationen wie die Feuerwehr oder das Tiefbauamt besser koordinieren und gegebenenfalls zusätzliche Hilfe organisieren kann. Denn sie übernimmt als Leiterin der sogenannten Führungsgruppe Katastrophenschutz (FüGK) nun die Gesamtkoordination des Einsatzes.
Es geht beim Ausrufen des Katastrophenfalles also erst einmal darum, einen organisatorischen Rahmen zu schaffen, in dem Rettungskräfte der Feuerwehr, der Polizei, des Technischen Hilfswerk (THW) bis hin zur Bundeswehr mobilisiert und gebündelt werden können. Die Führungsgruppen Katastrophenschutz (FüGK) koordinieren diesen Einsatz und alle Rettungskräfte dann. Katastrophenschutz ist Ländersache und funktioniert in Bayern von "unten nach oben", das heißt, die Arbeit im Katastrophenschutz verteilt sich auf regionaler Ebene auf die einzelnen Behörden und Organisationen, die Verantwortung liegt dann bei den Bürgermeistern, Landräten, Bezirksregierungen oder dem bayerischen Innenministerium, je nach Ausmaß der Katastrophe.
Wie wird die Bevölkerung geschützt?
Die oberste Aufgabe der Kommune und der Einsatzkräfte im Katastrophenfall ist das Retten von Leben, nicht das von Haus und Hof. Das ist wichtig und wissen viele nicht. Laut Wasserhaushaltsgesetz ist jede/r einzelne Bürger und Bürgerin gesetzlich verpflichtet, für den eigenen Hochwasserschutz zu sorgen, sich selbst nicht in Gefahr zu bringen, aber auch den eigenen Sachstand zu schützen, besonders dann, wenn bekannt ist, dass das eigene Grundstück in einem Risikogebiet liegt.
Versicherungen abzuschließen, Keller zu schützen und Öltanks zu sichern, aber auch einen persönlichen Notfallplan zu haben, liegt in der eigenen Verantwortung. Wichtige Hinweise zur privaten Vorsorge bei Hochwasser gibt auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.
"Jede Person, die durch Hochwasser betroffen sein kann, ist im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren verpflichtet, geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen, insbesondere die Nutzung von Grundstücken den möglichen nachteiligen Folgen für Mensch, Umwelt oder Sachwerte durch Hochwasser anzupassen." Quelle: Wasserhaushaltsgesetz § 5, Absatz 2
Wie finde ich heraus, ob ich mich in einem gefährdetem Gebiet befinde?
Ob sich der eigene Haushalt in einem Risikogebiet befindet, zeigen die bayerischen Hochwasserrisiko- und Hochwassergefahren-Karten und seit diesem Jahr auch die Sturzflut-Gefährdungskarten auf der Seite des Bayerischen Landesamt für Umwelt. Hier kann man anhand der eigenen Adresse sehen, wo besondere Risiken bestehen.
Zur aktuellen Hochwassersituation in den einzelnen Regionen, den Warnungen und Lageberichten informiert der Hochwasserwarndienst Bayern. Je nach Art der Warnung, also einer Warnung vor ergiebigem Dauerregen oder extrem ergiebigen Dauerregen zum Beispiel, gibt der Deutsche Wetterdienst auf seinen Seiten dementsprechende Handlungsempfehlungen, wie etwa den Aufenthalt im Freien zu vermeiden oder Keller nicht mehr zu betreten und sich nur noch in den oberen Stockwerken aufzuhalten.
Bayernkarte: Hochwasserwarnungen des LfU
Der Katastrophenfall ist ausgerufen - Was bedeutet das dann?
Die Gemeinden bzw. Behörden können nicht nur mehr Rettungskräfte ordern, sondern auch Gebiete räumen und den Zutritt verbieten. Außerdem können Evakuierungsmaßnahmen für Menschen und auch Haustiere eingeleitet werden. Informationen an die Bürgerinnen und Bürger werden über Fahrzeuge, Warn-Apps oder Informationen im Rundfunk weitergeleitet. Auch BR24 bietet hier einen aktuellen Hochwasser-Ticker, über den Sie sich immer wieder informieren können.
Norbert Gebbeke ist Präsident der Bayerischen Ingenieurkammer-Bau und Professor an der Universität der Bundeswehr München. Er beschäftigt sich vor allem mit Naturgefahren wie Hochwasser, und sagt, das Wichtigste im Katastrophenfall sei, dass man sich tatsächlich vom Wasser fernhält. Strömungen seien unberechenbar und zu kräftig. Keller, überschwemmte Straßen und Unterführungen solle man daher vermeiden. Wichtig zudem im Katastrophenfall: Der persönliche Notfall-Rucksack. Bei einer Evakuierung sollte man das Nötigste für zwei oder drei Tage dabei haben. Medikamente, Babynahrung und Dokumente zum Beispiel. Zur Orientierung, was alles dabei sein sollte, kann man sich auf den Seiten des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Checklisten herunterladen.
Wenn keine Internetverbindung verfügbar ist, können die Gemeinden, das Landratsamt, das Landesamt für Umwelt oder auch das Bayerische Rote Kreuz weiterhelfen. Auch die Architekten- und Ingenieurkammern sind mittlerweile darauf vorbereitet, dass sie Menschen telefonisch bei Fragen unterstützen können, wie Norbert Gebbeken bestätigt. Netze können überlastet oder Leitungen häufig belegt sein, deshalb ist es wichtig, auch an weniger mobile Menschen oder Seniorinnen und Senioren in der Nachbarschaft zu denken und sie zu unterstützen.
Wann endet der Katastrophenfall und was passiert dann?
Während des Katastrophenfalls werden alle möglichen haupt- und ehrenamtlichen Helfer und auch Mittel wie Fahrzeuge, Rettungsboote, Hubschrauber usw. koordiniert und zur Verfügung gestellt. Sobald die unmittelbare Gefahr für Leib und Leben gebannt ist, wird der Katastrophenfall aufgehoben und die zusätzlichen Kräfte, die nicht unmittelbar vor Ort angesiedelt sind, werden wieder abgezogen. Dann geht es in erster Linie um die Begutachtung der entstandenen Schäden und die Aufräumarbeiten.
Auch hier stellen sich Fragen der Zuständigkeiten: In den Bereichen der Infrastruktur zum Beispiel ist die Kommune zuständig, geht es um das eigene Haus, dann liegt die Verantwortung wiederum bei den Eigentümern. Das bedeutet: Schäden sollten umgehend für die Versicherung dokumentiert werden, um dann schnellstmöglich die Grundstücke vom Schlamm und Abfall zu befreien. Viele ehrenamtliche Helfer unterstützen vor Ort, die Hilfsbereitschaft ist groß. Auch Behörden oder Firmen bieten jetzt spezielle Hilfe an. Im Landkreis Dachau können laut Landratsamt Hochwassergeschädigte jetzt zum Beispiel brennbaren Sperrmüll kostenlos auf Recyclinghöfen abgeben oder auch zum Abfallheizwerk Geiselbullach in Olching bringen.
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