Etwa 80 Menschen haben sich am grauen, kühlen Mittwochmittag vor der Filiale von Galeria Karstadt Kaufhof in der Würzburger Innenstadt zusammengefunden. Darunter sind Menschen von Gewerkschaften, aus der Belegschaft des Kaufhauses und auch Würzburgerinnen und Würzburger, die gerade zufällig vorbeigekommen sind. Das mehrstöckige Gebäude mit dem großen Eingangsschild lässt die Gruppe unscheinbarer und kleiner wirken. Die Fahnen und gelben Zettel stemmen sich gegen das Bild der Ohnmacht. "Unser Kaufhof Würzburg muss bleiben" oder "Ja zum Kaufhof in Würzburg" steht darauf geschrieben.
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Würzburger Oberbürgermeister: "Kaufhof als Einzelhandels-Anker"
Die Menschen sammeln Unterschriften, aus einem kleinen Lautsprecher-Würfel scheppern die Solidaritätsbekundungen der Gewerkschaften. Auch Politiker, wie Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt (CDU), bekunden ihre Solidarität und betonen die Bedeutung der Kaufhof-Filiale für die Stadt und die Region. Es fallen Vergleiche mit Würzburger Wahrzeichen, wie der Festung Marienberg oder dem Dom. Schuchardt bezeichnet das Warenhaus als "systemrelevant" und als "Einzelhandels-Anker" für die Würzburger Innenstadt. Was momentan aber niemand beantworten kann: Ist das Ende von Kaufhof in Würzburg nach der Insolvenz des letzten großen Warenhaus-Konzerns noch abzuwenden?
Betriebsrat: "Jeder ging davon aus, dass es weiter geht"
Siegfried Fichna arbeitet seit 46 Jahren bei Kaufhof in Würzburg und ist Betriebsratsvorsitzender. Den 100 Beschäftigten vor etwa einer Woche mitteilen zu müssen, dass der Laden zum 31. August zugemacht wird – das war hart, sagt er: "Es hat keine Minute gedauert, dass die Kolleginnen und Kollegen in Tränen ausgebrochen sind." Die Zahlen der Würzburger Filiale seien schwarz und nicht rot gewesen, es laufe eigentlich nach vorne. "Die Nachricht war ein Schock. Jeder ging davon aus, dass es weiter geht", sagt Fichna.
Problem bei Kaufhof in Würzburg: Miete für Gebäude zu hoch
Der Grund für die Schließung in Würzburg sei die zu hohe Miete. Jede der fortzuführenden Filialen müsse das Potenzial haben, bereits heute oder in absehbarer Zeit die notwendige Profitabilität zu erzielen, hieß es in einer Pressemitteilung der Galeria Karstadt Kaufhof GmbH. Bei dieser Bewertung spiele neben soziodemographischen Rahmenbedingungen der Standorte insbesondere auch die Miethöhe eine zentrale Rolle. 76 Filialen sollen bundesweit erhalten bleiben, die übrigen werden demnach geschlossen.
Enttäuschung über Aiwanger-Aussage
Einblicke in aktuelle Verhandlungen gibt Würzburgs Oberbürgermeister Christian Schuchardt. In den vergangenen Tagen soll es Verhandlungen zwischen dem Vermieter und Galeria Karstadt Kaufhof zum Thema Mietpreis gegeben haben. Dabei "nähert man sich wohl an, aber es gibt noch eine große Lücke", so Schuchardt.
Er wolle außerdem ein Gespräch zwischen Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler), Galeria Karstadt Kaufhof und dem Vermieter Signa initiieren. Aiwanger hatte sich bereits für den Standort Augsburg starkgemacht, der ebenfalls auf der Streichungsliste steht, aber "für Regensburg und Würzburg schaut es zugegebenermaßen sehr schwierig aus. Aber man tut, was man kann". Diese Aussage des Ministers hat auch noch Tage später bei der Kundgebung in Würzburg für Unmut gesorgt. Die Initiatoren der Kundgebung fordern Aiwanger dazu auf, sich für den Erhalt der Würzburger Filiale einzusetzen.
Was wird aus den 100 Beschäftigten?
100 Beschäftigte sind in Würzburg von der Schließung betroffen. Weil diese insolvenzbedingt ist, begrenzt sich der Anspruch im Sozialplan auf zwei Gehälter, erklärt Peter König von der Gewerkschaft Verdi. "Das sind im Schnitt maximal 7.000 Euro brutto Abfindung – egal, wie lange ich hier gearbeitet habe", erklärt König.
Es sei aber eine gute Regelung mit einer sogenannten Transfergesellschaft getroffen worden. Dort gilt man nicht als arbeitslos. "Man wird sozusagen 'geparkt' und wieder fit gemacht für den Arbeitsmarkt. Das bringt mich weiter und hilft mir, einen neuen Job zu finden", so der Gewerkschaftssprecher weiter. Eine Job-Garantie gebe die Transfergesellschaft aber nicht.
Am 28. Mai wird der Insolvenzplan mit den Gläubigern und Investoren verhandelt. Bis dahin hoffen sowohl Peter König als auch Siegfried Fichna noch auf Bewegung. Fichna befürchtet aber: "Wenn sich die Miete nicht ändert, dann war es das." Von den ehemals drei unterfränkischen Kaufhof-Standorten Würzburg, Aschaffenburg und Schweinfurt bliebe dann nur noch Aschaffenburg.
Stadt soll Kauf der Immobilie prüfen
Was passiert, wenn sich an der Sachlage bis zum 31. August nichts ändert? Darauf will Oberbürgermeister Schuchardt momentan nicht näher eingehen. Vor einer Woche hat die SPD-Fraktion der Stadt Würzburg einen Dringlichkeitsantrag bei ihm gestellt. Die Forderung darin: Der Stadtrat soll unter anderem prüfen, ob die Stadt das Gebäude kaufen kann.
Schuchardt ist skeptisch: "Wenn es nicht möglich ist, eine rentable Miete zu verhandeln, dann können Sie sich vorstellen, wie hoch dann die Kaufpreisvorstellungen sind. Die Summen, die man hört, liegen in Richtung 60 Millionen Kaufpreis. Dann schaue man mal den Zuschusspreis für eine Multifunktionshalle an – da muss man sich Gedanken machen: Wo ist das Geld bestmöglich angelegt? Vielleicht auch in Schulen? Aber da sind wir noch nicht."
Handelsverband und Stadtmarketing sind zuversichtlicher
Volker Wedde, Bezirksgeschäftsführer in Unterfranken beim Bayerischen Handelsverband, und Wolfgang Weier, Geschäftsführer des Stadtmarketingvereins "Würzburg macht Spaß", äußern noch Hoffnung auf eine Zukunft der Filiale. An anderen Standorten sei bei vergangenen Schließungswellen ähnliches gelungen. Weier hatte sich eine zeitnahe Schließung des Würzburger Kaufhofs lange Zeit nicht vorstellen können: "Es ist schlimm. Es ist eine Breitseite. Gleichzeitig ist es meiner Meinung nach nicht der Untergang der Handelswelt in Würzburg."
Die Kaufhof-Filiale habe zweifellos eine "Magnetwirkung" in der Innenstadt. Allerdings seien die Auswirkungen auf den übrigen Würzburger Handel inzwischen weniger gravierend, als sie es noch vor 15 Jahren gewesen wären, vermutet Weier. Das Kaufhaus habe nicht mehr die tragende Rolle wie einst. Gleichwohl erwartet er, dass die Passantenfrequenz in der Würzburger Innenstadt um drei bis fünf Prozent sinken könnte.
Nachnutzung für Lebensmittel, Einzelhandel, Büros oder Kita?
Wie es mit dem Gebäude nach der voraussichtlichen Schließung weitergehen könnte, ist derzeit offen. Volker Wedde vom Handelsverband könnte sich eine kombinierte Nutzung vorstellen: aus Handel, Hotellerie oder Logistik. "Das wird sicherlich ein sehr aufwendiger Planungsprozess", so Wedde. Etwas ähnliches hält Wolfgang Weier für denkbar. Er könnte sich vorstellen, dass das Untergeschoss weiterhin für Lebensmittel-Einzelhandel genutzt wird, das Erdgeschoss für einen neuen Händler. In den Obergeschossen hält er beispielsweise Büros, Co-Working-Flächen oder eine innerstädtische Kita für denkbar.
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