Es ist ein Alptraum für jeden Urlauber: Das Ziel ist nah, aber die Straßen sind verstopft. Doch für sie ist es ebenfalls ein Alptraum: die Anwohner der Transitstrecken gelangen nicht mehr zum Einkaufen, zum Arzt oder zur Arbeit. Österreich macht deswegen die Schleichwege und Stau-Ausweichstrecken für Autofahrer jetzt auch in der Region Seefeld dicht.
Tirol will Nebenstrecken vor Touristen schützen
Ab Donnerstag, 9. Mai, gelten in Tirol neue Abfahrverbote von einigen Hauptstraßen für den Durchgangsverkehr von Bayern nach Tirol. Das österreichische Bundesland erweitert damit bestehende Regelungen, um an den Wochenenden und Feiertagen den Reiseverkehr auf den Hauptstrecken und nicht durch Orte auf Nebenstrecken zu leiten. Wer sich nicht daran hält, riskiert Strafen in dreistelliger Höhe.
Am Fernpass zwischen Füssen und Imst im Inntal kennt man das schon länger. An verkehrsreichen Urlaubswochenenden werden die Nebenstrecken dicht gemacht, damit "Google" im Fall von zäh fließendem Verkehr die Urlauber aus Deutschland, den Niederlanden oder Belgien mit Ziel Tirol nicht über die Nebenstrecken leitet. Was dem Schutz der einheimischen Bevölkerung dient und das normale Leben der Menschen neben den Hauptverkehrsadern fördern soll, ist aus der Not geboren. Der Grund: Immer mehr Erholungssuchende fahren mit dem Auto in die Ferien - und das immer häufiger.
Kürzer, aber häufiger in den Urlaub
Ortstermin in Innsbruck. Der Landesrat für Verkehr René Zumtobel (Sozialdemokratische Partei Österreichs, SPÖ) erklärt, dass ein Grund für das gestiegene Verkehrsaufkommen das veränderte Urlaubsverhalten sei. "Während die Gäste früher ein- oder zweimal im Jahr zu uns in den Urlaub gefahren sind, reisen sie jetzt drei- oder viermal an und ab – und das jeweils viel kürzer."
Die Folge: Das Verkehrsaufkommen im Individualverkehr steigt und steigt. Österreich hat reagiert und will die Fernpass-Route in den kommenden Jahren ausbauen. Der Lermooser Tunnel wird auf zwei Röhren erweitert und die Passhöhe auf dem Weg in den Süden wird mit einem 1,4 Kilometer langen Scheiteltunnel entschärft. Ab 2028 soll die Strecke mit einer Maut von 14 Euro pro Fahrt kostenpflichtig werden.
Alternative: Bayerns Bahnanschlüsse ausbauen
Die Probleme sind schon lange bekannt. "Die Deutschen haben Express-Routen bis an unsere Grenzen gebaut und wir können diese Menge an Verkehr nicht verarbeiten", sagt Zumtobel. Die A7 führt von der dänischen Grenze bis nach Füssen. Mit Blick auf die Nachbarschaft in Oberbayern ergänzt er: "Das Gleiche geschieht jetzt im Raum Garmisch-Partenkirchen. Dort wird eine vierspurige Autobahn bis nach Garmisch-Partenkirchen weiter gebaut, was wieder neuen Verkehr anziehen wird."
Dabei gäbe es Alternativen. Der langjährige Funktionär der Österreichischen Bundesbahn (ÖBB) nennt die Fernpass-Bahn, die auf bayerischer Seite am fehlenden Bahnanschluss im Allgäu scheitert. Die Planungen dafür liegen eigentlich in der Schublade.
Neue Regelungen für Tiroler Bundesstraße 177
Zumtobels Behörde hat reagiert. Ab dem 9. Mai, dem Feiertag Christi Himmelfahrt, gibt es neue Abfahrsperrungen entlang der Tiroler Bundesstraße 177 über das Seefelder Plateau. Hier sollen die Ortsdurchfahrten von Scharnitz, Leutasch und Seefeld vom Transitverkehr entlastet werden.
An den Wochenenden der Faschings- und Osterferien war es im Landkreis Garmisch-Partenkirchen bis zum Seefelder Plateau zu chaotischen Straßenverhältnissen gekommen. Für das rund 40 Kilometer lange Teilstück von Oberau bis Scharnitz brauchten Wintertouristen bis zu fünf Stunden. Ein Horror, besonders für Familien mit Kindern.
Mittenwald wünscht sich ähnliche Abfahrverbote
Der Bürgermeister von Mittenwald, Enrico Corongiu (SPD), wünscht sich ähnliche Verbote auch auf deutscher Seite. Denn die Gemeinde wird ständig von zu viel Verkehr heimgesucht. Anwohner an der Ortsdurchfahrt in Mittenwald berichten von nie da gewesenen Szenen, die sich an mehreren Tagen mit starkem Reiseverkehr im Frühjahr dieses Jahres zugetragen haben. "Die Touristen standen hier vor unserem Haus und haben selbst den Verkehr geregelt", erzählt eine Anwohnerin. Das könnte sich ab jetzt an den Wochenenden bis Mitte Oktober wiederholen. An ihrem Haus zweigt eine der beliebten Nebenstrecken über die Leutasch ab. Der Grenzübergang in das Hochtal befindet sich rund drei Kilometer hinter Mittenwald. Hier ist das nächste Chaos vorprogrammiert, sagen die Anwohner, wenn die Tiroler Polizei Urlauber ohne lokalen Zielort von dort wieder zurückschickt.
Bürgermeister Corongiu fordert im BR-Interview "eine regionenübergreifende Initiative von österreichischem und bundesdeutschem Verkehrsministerium." Das deutsche Recht gibt solche Abfahrverbote von den Hauptstraßen nicht her. Nur im Falle der Gefährdung der öffentlichen Ordnung dürften Nebenstrecken für den Transitverkehr gesperrt werden. Ein Problem entstehe durch die Verkehrslenkung von "Google". Das System erfasse nur Staus auf Haupt-, nicht aber auf Nebenstrecken.
Hilfe von der Dosierampel und Abfahrverbote bis in den Herbst
Andere Möglichkeiten der Verkehrslenkung haben die Tiroler auch schon getestet. Auf der Strecke über den Achenpass in Richtung Zillertal war an zwei Wochenenden eine sogenannte Dosierampel im Einsatz. Sie soll den Verkehr entlang der Strecke ähnlich der Blockabfertigung an Tunnels steuern. Sie hilft, dass der Verkehrsstrom in Richtung Süden gezielt unterbrochen wird und die Anwohner von Seitenstraßen ihre lokalen Ziele erreichen können. Auch diese Technik könnte auf dem Seefelder Plateau nahe Scharnitz zum Einsatz kommen. Allerdings sagen die Verantwortlichen im Tiroler Landeshaus derzeit, dass sie das für die jetzt beginnende Urlaubssaison nicht geplant hätten.
Neben der Tiroler Bundesstraße 177 über das Seefelder Plateau gelten die Abfahrverbote ab dem 9. Mai auch wie bisher an Wochenenden und Feiertagen auf der Fernpassroute von Füssen bis Imst, im Großraum Innsbruck in Richtung Brenner und rings um Kufstein. Die lokalen Abfahrverbote gelten bis Mitte Oktober.
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