Es war ein nassgrauer, regnerischer Morgen, als zwei Dutzend Klimaaktivisten der Gruppe Letzte Generation am 24. Januar 2022 erstmals in Berlin Autobahnzufahrten blockierten. Damals hatte wohl kaum jemand eine Vorstellung, was aus dem Protest für mehr Klimaschutz noch werden sollte. Am Montag, ein Jahr später, hat die Staatsanwaltschaft München I Bilanz gezogen.
Münchner Staatsanwälte ermitteln gegen 84 Klimaaktivisten
2022 waren im Zuständigkeitsgebiet der Staatsanwaltschaft München I nach deren Angaben, insbesondere Aktivisten der Gruppierungen "Scientist Rebellion" und "Last Generation" aktiv. Diese Gruppierungen seien für insgesamt 45 strafrechtlich relevante Aktionen verantwortlich, wobei an jeder bis zu 23 Personen beteiligt gewesen seien, hieß es am Montag. Insgesamt seien 250 Anzeigen bei der Behörde eingegangen.
Gegen 84 Personen aus dem ganzen Bundesgebiet und auch aus dem europäischen Ausland seien Ermittlungsverfahren eingeleitete worden. Ihnen sei unter anderem Hausfriedensbruch, zum Beispiel bei einer Protestaktion vor der Munich Re, Sachbeschädigung, wozu etwa das Festkleben an einem Rubens-Bild in der Alten Pinakothek gezählt wurde, und Nötigung, vor allem durch Straßenblockaden, vorgeworfen worden. Zu Anklagen sei es "in einem niedrigeren zweistelligen Bereich" gekommen, und in allen Fällen hätten die Verfahren mit Verurteilungen geendet.
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Künftig wohl höhere Geldstrafen und auch Freiheitsstrafen
Während es bislang überwiegend Geldstrafen "im niedrigeren Bereich" und Verwarnungen gegeben hat, rechnet man bei der Staatsanwaltschaft künftig auch mit höheren Geldstrafen und auch Freiheitsstrafen. Das wäre der Fall, "wenn bereits rechtskräftig verurteilte Personen erneut Straftaten begehen, aber auch zum Beispiel bei Aktionen, bei denen hohe Sachschäden verursacht wurden".
Prozess wegen Hausfriedensbruchs gegen Aktivisten von "Extinction Rebellion"
Immer mehr Fälle landen inzwischen vor Gericht. Drei Klimaaktivisten, die vergangenes Jahr an einer Protestaktion bei der Munich Re beteiligt waren, müssen sich am Dienstag am Amtsgericht München verantworten. Bei der Aktion im April 2022 waren an der Konzernzentrale Rauchfackeln und große Banner platziert worden. Die Aktivisten der Gruppe "Extinction Rebellion" forderten damit vor der Hauptversammlung unter anderem den Stopp aller Versicherungen von Öl- und Gasprojekten. Im konkreten Fall geht es um den Vorwurf des Hausfriedensbruchs.
Für die kommende Woche ist am selben Ort ein Prozess gegen Aktivisten angekündigt, die sich zweimal an einem Tag am Münchner Stachus auf der Straße festgeklebt hatten.
Klimakleber wegen Nötigung in Kempten verurteilt
Bereits am 12. Januar wurden sieben Aktivisten der "Letzten Generation" wegen Nötigung am Amtsgericht Kempten verurteilt. Sie hatten Ende Mai 2022 eine Hauptverkehrsstraße in Kempten blockiert, indem sie sich auf der Fahrbahn festklebten hatten oder das Festkleben anderer Personen unterstützten.
Das Gericht bestätigte die Strafbefehle gegen die Aktivisten und verhängte Geldstrafen. Gegen alle Angeklagte wurden jeweils 50 Tagessätze in unterschiedlicher Höhe - je nach Einkommen - erlassen. In einem Fall ging es um 240-fache Nötigung. Die hohe Zahl ergibt sich aus der Summe der Autofahrer, die durch die Protestaktion an der Weiterfahrt gehindert wurden und im Stau standen.
An Rubens-Bild festgeklebt: Aktivisten der "Letzten Generation" angeklagt
Am 14. Februar beginnt am Amtsgericht München der Prozess gegen zwei Klimaaktivisten der Bewegung "Letzte Generation", die sich im vergangenen August am Rahmen eines Rubens-Gemäldes in der Alten Pinakothek in München festgeklebt hatten. Mitarbeiter des Museums und Polizisten mussten die beiden Männer dann nach Museumsangaben mit Lösungsmitteln von dem historischen Rahmen trennen, der allerdings beschädigt wurde. Auch an der Wandbespannung seien Schäden entstanden, teilte das Museum damals mit.
Weil die Aktivisten Einspruch gegen vom Gericht verhängte Strafbefehle eingelegt haben, kommt es nun zum Prozess. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft München I entstand damals ein Schaden in fünfstelliger Höhe, daher wurde in den Strafbefehlen "eine erhebliche Geldstrafe festgesetzt".
Ermittlungen nach Klimaprotest auch gegen Autofahrer
Auch Bayerns Straßen waren vor allem Ende vergangenen Jahres immer wieder von Blockadeaktionen betroffen. Die Staatsanwaltschaft München I ermittelt nach den zahlreichen Protesten von festgeklebten Klimaaktivisten jedoch nicht nur gegen die sogenannten Klimakleber, sondern auch gegen Autofahrer, die am Weiterfahren gehindert wurden.
Zwei Ermittlungsverfahren seien dort derzeit anhängig, teilte die Behörde mit. Dabei gehe es um eine Aktion im Mai 2022. Ein Autofahrer habe einen "erlaubnisfreien Schlagstock" auf den Kopf eines der Aktivisten gehalten und ihn aufgefordert, die Straße zu verlassen. Ein anderer habe einen der Aktivisten von der Straße gezogen.
- Zum Artikel: "Klimaaktivisten im Gefängnis: Gewahrsam so streng wie Haft?"
Staatsanwalt ruft Autofahrer auf, sich auf Polizei zu verlassen
Als Straftatbestand steht in beiden Fällen Nötigung im Raum, im letzten Fall auch Körperverletzung. Die Ermittlungen sind nach Angaben der Staatsanwaltschaft aber noch nicht abgeschlossen - auch weil die Rechtslage kompliziert ist. Möglicherweise könnten die Autofahrer sich nämlich auf Notwehr berufen.
Der Leitende Oberstaatsanwalt Hans Kornprobst rief Autofahrer dazu auf, sich in solchen Fällen auf die Polizei zu verlassen und nicht selbst tätig zu werden.
Mit Informationen von dpa
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