Lange war es ein Tabuthema: Sterben und CO2. Doch seit einiger Zeit interessieren sich immer mehr Menschen für klimafreundliche Bestattungen. Die Nachfrage wächst, das beobachtet Thomas Engmann, Geschäftsführer der Feuerbestattungen Südostbayern GmbH. Vor zwei Jahren fällte er zusammen mit seinem Sohn Paul Engmann den Beschluss: Das Traunsteiner Krematorium soll klimaneutral werden.
Feuerbestattungen nehmen zu
Seit 1963 akzeptiert auch die katholische Kirche die Einäscherung. Daraufhin haben Feuerbestattungen stark zugenommen. In Bayern liege ihr Anteil bei rund 70 Prozent, schätzt der Bestatterverband Bayern. So eine Einäscherung ist sehr energieintensiv: Die Öfen werden auf über 1.000 Grad erhitzt und meistens mit Erdgas betrieben. Im Schnitt werden bei einer Feuerbestattung in Deutschland 67 Kilogramm CO₂ emittiert.
- Zum Artikel: Import-Boom: Immer weniger Särge kommen aus Deutschland
Viel Einsparpotenzial
In Traunstein hat man diese Emissionen auf knapp drei Kilo gedrückt. Dafür haben die Betreiber jeden Arbeitsbereich auf den Prüfstand gestellt: Transport, Stromverbrauch, Ofentechnik, die Arbeitsabläufe im Büro. Die größte Einsparung kam durch die Umstellung von Erdgas auf nahezu CO₂-neutrales Biomethan, erklärt Johanna Goder vom Institut für nachhaltige Energieversorgung aus Rosenheim. Die Beratungsfirma für Nachhaltigkeit hat den Prozess unterstützt. Viel einsparen konnten die Betreiber auch, indem sie auf regionalen Ökostrom aus Wasserkraft umgestiegen sind und eine PV-Anlage montiert haben.
Umstellung auf Schichtbetrieb
Außerdem nutzt das Traunsteiner Krematorium geschickt die Abwärme, die bei der Einäscherung entsteht. Paul Engmann erklärt: "Wir haben eine ORC-Anlage geplant, also eine Anlage, um aus Restwärme Strom zu gewinnen. Und wir nutzen die Wärme jetzt schon, um unsere Gebäude, die Friedhofsgebäude und unsere Auffahrt zu heizen." ORC steht für Organic Rankine Cycle. Einsparungen bringt auch eine optimierte Nutzung der Öfen im Schichtbetrieb. Wie bei einem Kachelofen kostet das Einheizen umso weniger Energie, desto wärmer der Ofen noch ist. Insgesamt sei das Projekt "beinahe mehrkostenfrei", so Thomas Engmann.
Schaut man sich nur den Betrieb der Öfen und der Kühltechnik im Krematorium an, hat das Unternehmen seine Emissionen deutlich gesenkt: von rund 118 Tonnen auf 22 Tonnen CO₂ pro Jahr. Ein großer Faktor ist aber auch der Transport. Zwar habe man schon den ein oder anderen Bestatter überzeugt, auf einen elektrischen Leichenwagen umzustellen, erklärt Thomas Engmann. Darauf habe man aber wenig Einfluss. Insgesamt bleiben so rund 145 Tonnen CO₂ pro Jahr übrig. Die kompensiert das Krematorium über internationale und regionale Klimaschutzprojekte. Von dem Geld werden zum Beispiel Balkonkraftwerke, also kleine PV-Anlagen, im Chiemgau finanziert.
Wirklich "klimaneutral"?
Ist die Bezeichnung "klimaneutral" bei so viel verbleibenden Emissionen trotzdem irreführend? Johanna Goder vom Institut für nachhaltige Energieversorgung empfindet das Projekt nicht als Greenwashing. "Das Unternehmen hat sich an eine strenge, international etablierte Richtlinie gehalten, um die Klimaneutralität einzuhalten. Das ist durchaus ein gutes Beispiel für andere Firmen."
Neuer Trend: "Reerdigung"
Bleibt die Frage: Wozu der Aufwand, wenn man sich auch ganz ohne energieintensiven Ofen erdbestatten lassen kann? Ob Erdbestattungen wirklich umweltfreundlicher sind, ist umstritten. Auch bei einem natürlichen Zersetzungsprozess werden Treibhausgase freigesetzt. Außerdem können Schadstoffe in den Boden gelangen. Eine deutlich nachhaltigere Form der Beerdigung könnte aber die sogenannte Reerdigung sein, ein Kompostierungsverfahren. In einigen Bundesstaaten der USA ist sie bereits zugelassen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!