Wenn die Fahrgäste zum ersten Mal in den Wasserstoffzug von Augsburg Richtung Füssen steigen, werden sie wohl kaum Besonderheiten feststellen: Denn der Triebwagen des Modells "Mireo Plus H" von dem Hersteller Siemens unterscheidet sich innen wie außen kaum von einem herkömmlichen Regionalzug.
Zug mit 2.300 PS stößt ausschließlich Wasserdampf aus
Lediglich an der Lackierung und an dem "H2"-Symbol an der Seite des Zugs und im Fahrplan der Bayerischen Regiobahn (BRB) können Passiere ihn erkennen. Einen gewaltigen Unterschied gibt es aber trotzdem: Statt klimaschädlichem Kohlendioxid stößt der Zug nur Wasserdampf aus, wenn er mit seinen 2.300 PS durchs Allgäu fährt.
Welche Rolle er für die Absicht des Freistaats spielen kann, den Diesel bis 2040 vom Regionalverkehr auf der Schiene zu verbannen, das soll nun über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren im Passagierbetrieb erprobt werden. Neben der Strecke zwischen Augsburg und Füssen im Ostallgäu soll der auf den Namen "Freistaat Bayern" getaufte Zug später noch eine weitere zwischen Augsburg und dem oberbayerischen Peißenberg befahren.
Wasserstoff teuerste Alternative zu Diesel
"Wasserstoff ist in der Energiewende eine echte Alternative", erklärte Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) im Vorfeld der ersten Passagierfahrt dem BR. Offenheit für Technologien sei nötig, vor allem weil die Elektrifizierung des Schienennetzes auf sich warten lasse: "Leider haben wir in Bayern die größten Dieselinseln." Gemeint sind damit Streckenabschnitte, die aktuell nicht mit Oberleitungen ausgestattet sind und auch nicht mit Akku-Zügen betrieben werden können.
Im Freistaat ist laut Verkehrsministerium fast die Hälfte der 6.700 Schienenkilometer nicht elektrifiziert, Akku-Züge kommen nur rund 100 Kilometer weit, bevor sie wieder an einer Oberleitung geladen werden müssen. Jetzt kann neben dem Dieselzug auch der Wasserstoffzug seine Reichweitenvorteile ausspielen: Der neue Triebwagen soll mit einer Tankfüllung bis zu 1.000 Kilometer schaffen. Gleichzeitig sei Wasserstoff aber die teuerste Alternative zu Diesel: "Am besten ist es, mit Elektrozügen unter Fahrdraht fahren zu können. Wo das nicht möglich ist, ist die zweitgünstigste Variante der Akku-Zug. Nur, wo man auch mit einem Akku-Zug nicht zurechtkommt, kann Wasserstoff eine Alternative sein."
Herausforderungen in der Testphase
Denn die Herstellung von Wasserstoff ist energieintensiv, bisher ist das chemische Element in Deutschland nur begrenzt verfügbar, und auch eine Infrastruktur musste für den Betrieb des Wasserstoffzugs erst geschaffen werden. Dabei stellte sich während der Probe- und Testphase besonders die Betankung als Herausforderung dar. Denn es gibt in Augsburg keine Wasserstoff-Tankstelle von entsprechender Größenordnung. Daher hat die Bahn-Tochter DB-Energie eine mobile Tankstelle auf dem Betriebsgelände der BRB in Augsburg errichtet. Diese besteht aus zwei großen Lkw-Containern, aus denen der Wasserstoff unter Hochdruck in den Zug gepumpt wird.
Laut DB-Energie handelt es sich dabei um sogenannten "grünen Wasserstoff", also Wasserstoff, der mithilfe von Strom aus regenerativen Energien durch die Elektrolyse von Wasser produziert wird. In Tanks auf dem Dach des Zugs wird der Energieträger gelagert. Daneben befindet sich eine Brennstoffzelle, in der der Wasserstoff mit Sauerstoff wieder zu Wasser reagiert und dabei Energie für den Antrieb des Zugs über eine Batterie freisetzt.
Grund zur Sorge bestehe trotz der Explosivität des Gases nicht, so Marc Ludwig, Leiter für Regionalzüge bei Siemens Mobility: "Die Tanks für die Wasserstoffzüge sind nach den gängigen Normen für Gase gefertigt und damit entsprechend sicher." So verfügten sie über Vorrichtungen, die Überdruck im Notfall abließen.
Kein bayerisches Netz aus Wasserstoffzügen
In Deutschland sind Wasserstoffzüge bereits in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein unterwegs, teilweise schon seit Jahren. Wie gut sich der Wasserstoffzug auf Bayerns Schienen als Alternative zu Dieselzügen eignet, wollen die Betreiber in den kommenden 30 Monaten ausführlich erproben.
Mit 4,3 Millionen Euro unterstützt der Freistaat Bayerns ersten Passagierbetrieb mit einem Wasserstoffzug. Man wolle ihn unter den speziellen bayerischen Begebenheiten, mit typischen Steigungen und auch im Winterbetrieb testen, so Bernreiter. Ein Netz an Wasserstoffzügen plane die Staatsregierung aktuell allerdings nicht.
Im Video: Start für Wasserstoffzug in Schwaben
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