Das Eingangsschild samt Klinik-Logo an der Diakoneo-Klinik in Neuendettelsau.
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Ende der Woche verlässt der letzte Patient die Klinik Neuendettelsau.

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Klinik schließt für immer: Von Tränen und geplatzten Hoffnungen

Klinik schließt für immer: Von Tränen und geplatzten Hoffnungen

Ende dieser Woche wird wohl der letzte Patient die Station der Diakoneo-Klinik in Neuendettelsau verlassen. Danach schließt das Krankenhaus für immer. Für viele endet eine Ära. Was bleibt ist Sorge und auch Wut mancher Beschäftigter.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

"Es ist ziemlich schwierig, sich jeden Morgen durchzuringen, auf die Arbeit zu gehen", erzählt Susanne Gentner und ihr steigen Tränen in die Augen. Seit rund 15 Jahren arbeitet sie als Gesundheits- und Krankenpflegerin bei Diakoneo in Neuendettelsau. "Jetzt fange ich schon wieder an zu weinen", winkt sie ab und erzählt dann doch weiter, wie sie sich nun täglich auf Station von Kolleginnen und Kollegen verabschieden, mit denen sie nun das letzte Mal zusammenarbeiten. Denn spätestens am Samstag schließt die stationäre Versorgung der Klinik, die Notaufnahme ist schon seit Wochen zu. Das große finanzielle Defizit hatte laut Diakoneo zur Klinik-Schließung geführt, seit September ist die Entscheidung öffentlich.

Alternative Stelle kommt nicht in Frage

Um die Konsequenzen für die Mitarbeitenden abzufedern, hatte Diakoneo den Beschäftigten alternative Jobangebote unterbreitet. Angebote, die für Susanne Gentner und ihre Kollegin Antje Gropmann allerdings nicht in Frage kommen. "Für mich haben sie in der Gesamt-Diakonie keinen gleichwertigen Arbeitsplatz, deshalb kann ich das nicht annehmen", sagt Antje Gropmann. Sie ist seit 37 Jahren bei Diakoneo und arbeitet in der Klinik als OP-Leitung. Eine Jobalternative in diesem Tätigkeitsbereich habe es für sie nicht gegeben, in den ihr angebotenen Stellen würde sie weniger verdienen, so Gropmann. Ähnlich geht es ihrer Kollegin Susanne Gentner. Sie möchte weiter in einem Krankenhaus arbeiten, die zuletzt angebotene Stelle im Pflegeheim ist für sie keine Option.

Diakoneo: Über Hälfte der Mitarbeitenden bleibt

Über die Hälfte der Mitarbeitenden hätten die Angebote bereits angenommen, so heißt es von Diakoneo. Man habe Stellen verschiedenster Diakoneo-Einrichtungen angeboten, von Himmelkron bis Schwäbisch Hall. "Bei hochspezialisierten Berufsgruppen und Tätigkeiten ist eine exakt entsprechende Alternative zum bisherigen Arbeitsplatz selbst dann nicht immer möglich", so Diakoneo. Durch finanzielle "Abfederungen" versuche man, Alternativen – die unter den bisherigen Konditionen sind – attraktiver zu machen.

Suche nach dem Schuldigen

Doch es ist nicht nur das Geld, das den beiden langjährigen Klinik-Mitarbeiterinnen fehlt. Es gebe keine Empathie und Wertschätzung, erzählen sie. "Wenn man so lange in einem Bereich ist, in einer Klinik oder bei einem Arbeitgeber, dann denkt man ja doch, man hat einen Boni – man hat sich ja was erarbeitet im Laufe der Jahre. Aber da kommt nichts." Im Vorfeld der Klinikschließung gab es viele Apelle an die Politik mit der Bitte um Unterstützung, doch laut Klinik blieb die Hilfe aus, das Krankenhaus sei als nicht relevant eingestuft worden. Gropmann und Gentner sehen die Schuld an der Schließung aber an anderer Stelle: "Für mich ist es so: Durch den Vorstand und die Geschäftsführung ist wegen des Missmanagements, das da betrieben wurde, unser Krankenhaus kaputt gegangen", so Antje Gropmann.

"Die Leute sind todtraurig"

Eckard Dürr ist Vorsitzender des Bündnisses für Familie und setzt sich als solcher allgemein für Bürgerbelange ein – Hauptthema Krankenhaus. Vor zwei Jahren ging es noch um die Petition, eine Umstrukturierung zu verhindern, dafür sammelte er 12.500 Unterschriften. Erfolglos, denn nun kommt sogar die Schließung. "Die Leute sind alle todtraurig. Vor allem deswegen, weil viele auch nach Neuendettelsau gekommen sind, weil es die Klinik gibt. Klammer auf – gab!" so Eckard Dürr. Nach all den Bemühungen fühlt er sich ohnmächtig in Bezug auf die Entscheidung. Er vermisst bei allen Entscheidungen vom Sozial- und Gesundheitsunternehmen Diakoneo die Besinnung auf das einstige Werk von Gründer Pfarrer Wilhelm Löhe. Damit sei er nicht allein, berichtet er dem BR.

Schließung sei letzter "Tropfen" gewesen

Der Neuendettelsauer Friedrich Rohm hat fast 40 Jahre bei Diakoneo gearbeitet und das immer sehr gerne. Schon seine Ausbildung hat er bei Diakoneo gemacht, dann war er als Pfleger in der Klinik und später Leiter einer Pflegeeinrichtung. Schlecht will er nicht über Diakoneo sprechen, er teilt weiterhin deren diakonischen Gedanken. Doch er hinterfragt Dinge kritisch und weiß: "Die Klinikschließung war sicherlich der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat." Er merke, dass im Ort die "Stimmung etwas kippt" und bezieht sich dabei nicht nur auf das Krankenhaus, sondern auch auf einige Entscheidungen, die Diakoneo in den letzten Jahren und Monaten getroffen hat und die die Bürgerinnen und Bürger umtreiben.

Unsicherer Blick in die Zukunft

Friedrich Rohm arbeitet in seiner Rente ehrenamtlich für das "Werk" weiter, wie er es nennt. 2019 wurde das Evangelische Diakoniewerk Neuendettelsau in "Diakoneo" umbenannt. Hintergrund war eine Fusion mit dem Diakoniewerk Schwäbisch Hall. Von diesem Zusammenschluss sind einige Bürgerinnen und Bürger nicht überzeugt. Darüber hinaus kamen andere Entscheidungen wie die Schließung des Jugendzentrums. Friedrich Rohm formuliert trotz seiner Verbundenheit zum Sozialunternehmen die Frage, die er sich mit vielen stellt: Wie geht es nach der Klinikschließung mit Diakoneo in Neuendettelsau weiter?

MVZ soll vor Ort weiterhelfen

Fest steht: Die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sollen weiter durch Diakoneo medizinisch betreut werden. Denn im ehemaligen Klinikgebäude soll das medizinische Versorgungszentrum (MVZ) für Abhilfe sorgen. Wie viel Leerstand es dann in dem Haus, dessen Sanierung erst 2007 abgeschlossen wurde, geben wird, wird die Zeit zeigen. Bei vielen Diakoneo-Mitarbeitenden stößt auch das auf Unverständnis: Das recht moderne Krankenhaus in Neuendettelsau muss schließen, viele von ihnen sollen nun im deutlich älteren Gebäude in Schwabach neu anfangen. Der Unterschied sei jedoch, so Diakoneo, dass die Stadt Schwabach einen erheblichen Teil des Defizits ihrer Klinik tragen würde. Der Klinik Neuendettelsau blieb demnach ohne finanzielle Unterstützung nichts als die endgültige Schließung.

Bildrechte: BR/Annalena Sippl
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Ende der Woche verlässt der letzte Patient die Klinik Neuendettelsau.

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