Ein Krippen-Kind spielt auf dem Spielplatz der Kita
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Krippen-Ausbau: Andere Länder machen mehr Tempo als Bayern

Krippen-Ausbau: Andere Länder machen mehr Tempo als Bayern

Bayern rühmt sich im Bundesländer-Vergleich gern mit Spitzenpositionen. Doch wie steht es um den Freistaat bei der Betreuung der Kleinsten? Wie schnell wächst der Anteil der Kinder mit Krippen-Platz? Daten zeigen: Mehrere Länder sind schneller.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Wird über die Kinderbetreuung im Freistaat gesprochen, zählt Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU) gern Erfolge auf: Die Zahl der Kita-Kräfte sei in weniger als 15 Jahren fast verdoppelt worden, Zehntausende neue Betreuungsplätze seien entstanden. Kritikern wirft sie vor, die Lage schlechtzureden. Vor allem die Grünen im Landtag werfen der Staatsregierung seit Jahren vor, zu wenig in den Kita-Ausbau zu stecken.

Wie steht Bayern bei der Betreuung insbesondere der unter Dreijährigen da – auch im Vergleich zu anderen Bundesländern? Wie hat sich die Lage in den vergangenen Jahren entwickelt? BR und WDR haben Daten recherchiert und ausgewertet. Ein Überblick:

Betreuungsquote steigt in Bayern langsamer

Um die Kinderbetreuung mehrerer Bundesländer zu vergleichen, ist ein erster Ansatzpunkt die Betreuungs- oder Beteiligungsquote. Sie gibt an, welcher Anteil der Kinder unter drei Jahren eine Kita oder eine Tagespflege besuchen. Die Daten zeigen: Bayern lag bei der Betreuungsquote im März 2024 mit 33,2 Prozent unter den 16 Ländern nur auf dem 12. Platz.

Zwar ist die Quote im Freistaat über die Jahre signifikant gestiegen – andere Länder machen aber mehr Tempo. Beispiel Nordrhein-Westfalen: 2013 war das Land bundesweit Schlusslicht. Nur jedes fünfte Kind unter drei Jahren (20 Prozent) hatte damals in NRW einen Betreuungsplatz, in Bayern immerhin jedes vierte (24,9 Prozent).

Dieser Vorsprung ist innerhalb eines Jahrzehnts auf einen Prozentpunkt geschrumpft: NRW steigerte die Quote so stark wie kaum ein anderes Bundesland und ist dem Freistaat mit 32,2 Prozent auf den Fersen. Niedersachsen (36,2 Prozent) und das Saarland (33,6 Prozent) ließen in dieser Zeit Bayern hinter sich. Dafür konnte der Freistaat immerhin Baden-Württemberg (32 Prozent) und Rheinland-Pfalz (32,4 Prozent) knapp überholen. In den ostdeutschen Ländern ist die Quote am höchsten: Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern kommen auf rund 60 Prozent.

Grafik: Welches Bundesland hat bei der Beteiligungsquote am meisten zugelegt?

Regionale Unterschiede in Bayern: Nord-Süd-Gefälle

Auffällig ist in Bayern ein Nord-Süd-Gefälle. In Unter- und in Oberfranken war die Betreuungsquote den aktuellsten Daten nach in vielen Landkreisen höher als 35 Prozent, zum Teil sogar über 40 Prozent. In Teilen Niederbayerns, Oberbayerns und des Allgäus wurden weniger als 25 Prozent der kleinen Kinder betreut. In anderen Bundesländern, zum Beispiel NRW, fallen die regionalen Unterschiede deutlich geringer aus.

Karte: In welchen Regionen nehmen die meisten Kinder unter drei Jahren an einer Betreuung teil?

Ministerium: Vergleich wenig aussagekräftig

Das bayerische Sozialministerium antwortet ausweichend auf die Frage, woran der im Ländervergleich langsamere Anstieg der Betreuungsquote in Bayern liegen könnte. Der Vergleich von Bundesländern "alleine anhand von Betreuungsquoten und auch von deren Entwicklung" sei "wenig aussagekräftig", teilt das Ministerium dem BR mit. "Die Bedarfe der Familien unterscheiden sich nicht nur innerhalb Bayerns, sondern auch zwischen den einzelnen Bundesländern."

Bedarf nach wie vor größer als Nachfrage

Auch zum Bedarf liegen Daten vor: Trotz des kontinuierlichen Ausbaus ist der Betreuungsbedarf nach wie vor größer als das Platzangebot. 2023 fehlten in Bayern laut der aktuellen Kinderbetreuungsstudie (KiBS) des Deutschen Jugendinstituts (DJI) im Jahr 2023 etwa 41.100 Plätze für unter Dreijährige. Somit gab es 10,8 Prozent weniger als benötigt.

Weil in NRW der Bedarf noch schneller gestiegen ist als die Betreuungsquote, hat das Land mit 18,6 Prozent auch eine deutlich größere Lücke als der Freistaat. Zum Vergleich: In NRW gaben Anfang 2023 die Eltern für mehr als 50 Prozent der Kinder unter drei Jahren einen Betreuungswunsch an, in Bayern waren es 44 Prozent.

Grafik: Wieviel ungedeckten Betreuungsbedarf gibt es bei den Unter-3-Jährigen in Bayern?

In Bayern helfen häufiger die Großeltern

Einen Erklärungsansatz für den geringeren Betreuungsbedarf in Bayern liefert die DJI-Kinderbetreuungsstudie. Umfragedaten daraus deuten darauf hin, dass in Bayern traditionellere Familienmodelle und "großfamiliäre Unterstützung" eine größere Rolle spielen als beispielsweise in NRW.

"Wenn man die beiden Bundesländer vergleicht, zeigen die KiBS-Daten, dass in Bayern die Großeltern häufiger in den normalen Betreuungsalltag eingebunden sind als in NRW", erläutert Theresia Kayed vom DJI. "Ebenso äußerten Eltern in Bayern häufiger, dass sie keine außerfamiliäre Betreuung nutzen, weil sie stets auf Großeltern zurückgreifen können."

Milliarden fürs Familiengeld

Das Sozialministerium betont, der Freistaat unterstütze die für die Kinderbetreuung zuständigen Kommunen nach Kräften. Von 2008 bis 2021 seien insgesamt 1,9 Milliarden Euro für 140.588 neue Plätze für unter Sechsjährige über Sonderinvestitionsprogramme zur Verfügung gestellt worden. Zusätzlich gebe es im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs projektbezogene Zuweisungen bei Baumaßnahmen.

Den 1,9 Milliarden Euro für neue Plätze innerhalb von 13 Jahren steht eine zweieinhalbmal so große Summe für das einkommensunabhängige Familiengeld gegenüber: In nur sechs Jahren (2018 bis 2024) wurden an Eltern mehr als 4,6 Milliarden Euro überwiesen.

Hätte das Geld oder zumindest ein Teil davon nicht eher in den Kita-Ausbau investiert werden sollen? Das Sozialministerium weicht der Frage aus, verweist auf die "wichtige Richtungsentscheidung" vom November, dass Eltern künftig deutlich weniger Familien- und Krippengeld erhalten sollen. Dafür solle "mehr Geld in das System der Kinderbetreuung" fließen.

Grüne: "Jetzt ist die Knete weg"

Gravierende Versäumnisse beklagt die Grünen-Sozialexpertin im Landtag, Kerstin Celina. Die Staatsregierung von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe in Zeiten hoher Einnahmen mit der Gießkanne Milliarden übers Land ausgeschüttet. "Jetzt ist die Knete weg, 4,6 Milliarden Euro, die beim quantitativen und qualitativen Ausbau von Kita- oder Krippenplätzen fehlen. Genau da hätten wir das Geld aber dringend gebraucht."

Von dem Geld, das der Bund den Ländern im Zuge des Gute-Kita-Gesetzes zur Verfügung gestellt habe, seien in Bayern zwei Drittel in die allgemeine Beitragssenkung geflossen "und eben nicht in mehr Qualität", kritisiert Celina. Jetzt sei das Geld ausgegeben. "Und die Familien, die deswegen keinen zuverlässigen Betreuungsplatz hatten in den letzten Jahren, sind die Gelackmeierten."

Personalschlüssel in der Betreuung ähnlich

Zu den Qualitätsmerkmalen in der Kinderbetreuung zählen laut dem Länderreport Frühkindliche Bildungssysteme der Bertelsmann Stiftung auch Personalschlüssel und Gruppengröße. Laut einer Zusammenstellung diverser Empfehlungen sollten Gruppen mit unter Dreijährigen etwa sechs bis zwölf Kinder umfassen. In Bayern traf das der Studie zufolge im Jahr 2023 auf 75 Prozent zu, damit lag der Freistaat knapp unter dem Bundesdurchschnitt. NRW kam auf 93 Prozent.

Dafür steht Bayern laut einem Bericht des Bundesfamilienministeriums beim wichtigen Personalschlüssel minimal besser da als Nordrhein-Westfalen: 2023 kamen im Freistaat auf eine pädagogisch tätige Person im Mittel 3,6 unter Dreijährige, in NRW 3,7. Der bundesweite Durchschnitt beträgt 4,0.

Dieser Text entstand im Rahmen einer Kooperation der landespolitischen Redaktionen von BR und WDR. Der WDR berichtet ebenfalls über das Thema (externer Link).

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