Ein kleines Holzhaus mit Flachdach steht auf einem verschneiten Grundstück, im Hintergrund sind Bäume zu sehen.
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Leben auf rund 40 Quadratmetern: Ein Tiny House in der Tiny-House-Siedlung in Mehlmeisel.

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Zwischen Romantik, Regeln und Reinfall: Leben im Tiny House

Zwischen Romantik, Regeln und Reinfall: Leben im Tiny House

Ob im Bauwagen oder im kleinen Modulhaus – so manche träumen vom Leben in einem Tiny House. Doch auf dem Weg dorthin gibt es einige Hürden: viel Bürokratie – aber auch Betrüger, die Käufer über den Tisch ziehen wollen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 vor Ort am .

Sich aufs Wesentliche beschränken, Ballast loswerden und naturnah leben: So geht der romantische Traum vom Wohnen im Tiny House. Ein Konzept, das in Zeiten hoher Mieten und teurer Bau- und Grundstückspreise verlockend klingt. Für Antje Wolf aus Fürth ist der Traum jedoch wie eine Seifenblase zerplatzt – und sie ist kein Einzelfall.

Vom Traum zum Albtraum

2023 findet Antje Wolf ihr Tiny House im Internet: 25 Quadratmeter für rund 55.000 Euro. Auch der Anbieter scheint top bewertet. Sie kauft das Häuschen und schafft sich bei Coburg ihr kleines Idyll. Doch schon nach ein paar Monaten treten Probleme auf. Durch das Dach dringt Wasser ein. Am Haus gehen die Bretter auseinander und Schimmel macht sich breit. Antje Wolf zieht wieder aus. "Die ersten Monate sind nur Tränen geflossen. Es hat mir richtig weh getan", sagt Antje Wolf. Nun kämpft sie vor Gericht um ihr Geld.

Boomender Tiny-House-Markt lockt Betrüger an

Im Netz gebe es viele unseriöse Angebote, warnt Zimmerermeister Dieter Balazs, der auf den Bau der kleinen Häuser spezialisiert ist. Er beobachtet die Konkurrenz auf dem boomenden Markt. Dabei hat er festgestellt, dass Angebote aus dem Ausland oft nicht den Anforderungen in Deutschland entsprechen, zum Beispiel, wenn es um die Dämmung geht. Auch würden zum Teil Materialien verwendet, die in Deutschland nicht zugelassen sind. "Doch der Laie hat keine Chance, das zu erkennen. Der wird von schönen Bildern geblendet", so Balazs. Er empfiehlt Tiny-House-Interessenten, sich vor dem Kauf Hilfe bei einem Fachmann zu holen.

VIDEO: Leben im Tiny House – zwischen Traum und Albtraum

Ein Tiny House wird aufgestellt
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Ein Tiny House wird aufgestellt. 17 Tonnen hängen am Kran.

Tiny-House-Traum trifft auf Bürokratie

Der Hauskauf ist nicht die einzige Hürde. Viele haben die Vorstellung, ein Tiny House lasse sich einfach auf die grüne Wiese stellen – und fertig. Doch das ist in Deutschland nicht möglich. Wer dauerhaft darin leben will, für den gelten dieselben Regeln wie beim Bau eines Einfamilienhauses. Es braucht Anschluss an Straße, Wasser und Kanalisation. Das Gebäude-Energie-Gesetz muss genauso wie der Bebauungsplan der Ortschaft beachtet werden. Auch Naturschutz, Brandschutz, Schallschutz und vieles mehr gilt es einzuhalten.

Umsetzung ist Neuland für viele Gemeinden

Klaus König hat lange mit der Bürokratie ringen müssen, ehe er sein Grundstück in Pirkach bei Emskirchen an Tiny-House-Besitzer verpachten konnte. Vom ersten Vorstellen seiner Idee bei der Gemeinde bis zum Bau der Häuschen vergingen rund vier Jahre, berichtet er. Für die Gemeinde war das Thema Neuland: "Wir sind vorsichtig an die Sache herangegangen und haben uns informiert: Wo gibt es sowas schon?", erinnert sich die Erste Bürgermeisterin, Sandra Winkelspecht (CSU).

Grundsätzlich sei die Gemeinde offen für das Vorhaben gewesen, so Winkelspecht. Dass bis zur Baugenehmigung trotzdem einige Zeit verging, liege an dem Verfahren, das unter anderem die Erstellung eines Bebauungsplans sowie eine zweifache Auslegung vorsieht. Grundstücksbesitzer Klaus König bestätigt, dass eigentlich von keiner Seite getrödelt wurde. "Aber über die Dauer sollte sich der Gesetzgeber schon Gedanken machen", fordert König. "Es war eine kleine Maßnahme, das Grundstück war da. Und 13 kleine Häuser – wir haben ja keine Wolkenkratzer gebaut."

Tiny-House-Pioniere im Fichtelgebirge

Wie es ist, wenn alle Hürden genommen sind, kann man im Fichtelgebirge beobachten. Bei Mehlmeisel ist 2017 die erste Tiny-House-Siedlung Deutschlands entstanden. 21 Häuser stehen hier auf 17.000 Quadratmetern Fläche. Weil sich immer wieder Interessierte melden, bieten die Bewohner regelmäßig Führungen durch die Siedlungen an, berichtet Wolfgang Schmitt, einer der beiden Geschäftsführer.

Ihm und den anderen komme es auf die Nähe zur Natur an und auf ein Leben ohne Ballast. Wer hierherkomme, könne zwangsläufig nur einen Teil seines Besitzes mitnehmen. "Das ist eine gewisse Freiheit auszusortieren, was in meinem Leben wirklich wichtig ist", sagt er. Es ist der Traum vom einfachen Leben im Tiny House – für die Bewohner in Mehlmeisel ist er wahr geworden.

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