Die braunen Hochwasserfluten stehen hoch am sogenannten "Einlassbauwerk" des Polders Riedensheim im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Die Donau ist an dieser Stelle bei Stepperg sehr breit, weil es hier auch viele sogenannte Altwasser gibt, die ebenfalls überschwemmt sind.
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Doch die sechs massiven Fluttore werden nicht geöffnet. Laut den Verantwortlichen des Wasserwirtschaftsamts Ingolstadt ist das Hochwasser noch nicht stark genug - und sei es auch nicht gewesen, als die Scheitelwelle der Donau am späten Dienstagnachmittag des 4. Juni den Polder und Neuburg passiert.
Rekordverdächtiger Wasserstand
Entscheidend für die Flutung ist der sogenannte Hochwasserabfluss am Pegel in Neuburg an der Donau, wenige Kilometer flussabwärts, das heißt vom Polder in Richtung der Mündung. Als Grundlage für die Berechnungen dient das Pfingsthochwasser 1999 und ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser.
Demnach müssen in Neuburg 2.200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch die Donau fließen, damit der Polder geflutet wird. In dieser Woche erreichte der Pegel am Dienstagnachmittag maximal 1.950 Kubikmeter Durchfluss. Auch der Wasserstand war mit 6 Metern 47 rekordverdächtig. Aus Sicht der Fachleute rechtfertigte dies jedoch noch nicht den Einsatz der Polder.
35 Millionen teure Polder noch nie im Einsatz
Der Polder wurde gebaut, um die absolute Scheitelspitze des Hochwassers zu kappen. Der Polder zwischen Stepperg und Riedensheim ist der einzige von neun geplanten Projekten der Staatsregierung, der fertig ist. Seit 2019 ist er einsatzbereit, 35 Millionen Euro hat er gekostet. Im Einsatz war er aber noch nie.
Wenn der Polder geöffnet würde, könnten sich auf rund 220 Hektar Fläche 8,1 Millionen Kubikmeter Wasser ausbreiten. Bis zu fünf Meter Höhe könnte das Wasser hier gestaut werden. Laut Wasserwirtschaftsamt Ingolstadt würde das im Bereich des Einlassbauwerkes eine Absenkung des Wasserstandes von 35 Zentimetern bedeuten. Wichtiger noch – flussabwärts in Richtung Neuburg würde sich der Pegel um bis zu 15 Zentimeter absenken. Doch so weit kam es nicht.
Landwirte fühlen sich zu Unrecht beschuldigt
Wenn der Polder geöffnet wird, werden rund 100 Hektar landwirtschaftliche Fläche geflutet. Davon gehören 22 Hektar Landwirt Ludwig Bayer, der 26 Jahre lang Kreisobmann der Bauern im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen war. Der 70-Jährige betont, dass es keine Entscheidung der Landwirte sei, ob der Polder geflutet werde oder nicht. Das sei einzig und allein Entscheidung des Wasserwirtschaftsamtes Ingolstadt [externer Link].
"Seit Tagen bin ich schon damit konfrontiert, wann der Polder endlich geflutet wird", berichtet Landwirt Ludwig Bayer. Manchmal werde auch gesagt, dass der Polder nur wegen der Bauern nicht geöffnet würde. "Was ja nicht stimmt", sagt Bayer. Den Landwirt, der auch die Verhandlungen über den Polder über mehr als zehn Jahre begleitete, ärgert das sehr.
Landwirte können Flutung im Ernstfall gar nicht verhindern
Würden die Flächen geflutet, wären sie für dieses Jahr unbrauchbar, die Ernte wäre zerstört. Zwar werde der Verlust erstattet, doch die Landwirte müssten zusehen, wo sie zum Beispiel Ersatzfutter für ihre Tiere herbekommen. Und die Preise würden angesichts der Ernteausfälle durch das Hochwasser steigen. Ludwig Bayer betont, dass kein Landwirt gegen den Polder geklagt habe. Allerdings haben einige wenige Landwirte nicht unterschrieben, dass ihre Flächen geflutet werden dürfen. Doch das würde die Flutung im Ernstfall nicht verhindern.
Umweltminister Glauber schaltet sich ein
Am letzten Wochenende hat dann Umweltminister Thorsten Glauber den Landwirt Ludwig Bayer angerufen. Beide kennen sich, beide sind Mitglied der Freien Wähler, für die Bayer lange kommunalpolitisch aktiv war.
Der Umweltminister habe dem Landwirt mitgeteilt, den Polder an jenem Sonntagabend des 2. Juni zu öffnen, wenn die Lage es erfordere. Doch Bayer warnt ihn, denn da sei die Scheitelwelle noch lange nicht erreicht.
Kritik vonseiten der Bürger
In den sozialen Medien und auch in Stepperg nahe dem Einlassbauwerk verstehen viele Bürgerinnen und Bürger nicht, warum der Polder nicht geflutet wird. Schließlich könnte so die Hochwassergefahr reduziert werden, sagen sie. Im nahen Stepperg, das vom Polder flussaufwärts, also in Richtung der Quelle, liegt, wurden Straßenzüge durch das Hochwasser überschwemmt, Keller liefen voll. Dort hätten sich viele Anwohner die Flutung gewünscht.
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