Kuh auf der Weide
Bildrechte: BR / Johanna Schlüter 2021
Audiobeitrag

Kuh auf der Weide

Audiobeitrag
>

Kühe in der Klimakrise: Wie sieht die Rinderhaltung künftig aus?

Kühe in der Klimakrise: Wie sieht die Rinderhaltung künftig aus?

Kühe gelten in Deutschland als Hauptquelle für das klimaschädliche Gas Methan. Ist die Kuh deshalb der Klimakiller unter den Nutztieren? Das wäre zu pauschal. Wie klimaschädlich die Rinderhaltung am Ende ist, hängt von vielen Faktoren ab.

Der Methangehalt in der Atmosphäre war dem Klimawandel-Dienst der EU zufolge im vergangenen Jahr so hoch wie noch nie. Methan entweicht zum Beispiel beim Fracking, aus Lecks in Gasleitungen, aus Mülldeponien, beim Reisanbau und in der Rinderhaltung. Das Gas ist für das Klima zehn- bis zwanzigmal schädlicher als Kohlenstoffdioxid.

In Deutschland ist der Methanausstoß der Landwirtschaft in den letzten 30 Jahren kaum gesunken. Ein Rind stößt im Jahr durchschnittlich etwa 100 Kilogramm Methan aus. Die Kuh wird daher immer wieder als Klimakiller gescholten. Dieser Vorwurf greift aber oft zu kurz. Denn Rinderhaltung ist komplex.

Preisgekrönte Rindviecher auf einer Weide bei Kempten

Die Kühe von Bauer Richard Haneberg aus Kempten sind anders als andere Kühe. Obwohl sie das tun, was Milchkühe im Allgemeinen so tun: Gras fressen, Milch geben, Kälber zur Welt bringen und Methan ausstoßen. Warum sind diese Kühe dann anders?

Sie haben zusammen mit ihren Besitzern den Klimapreis des bayerischen Landwirtschaftsministeriums gewonnen. Weil Hanebergs ihren Milchviehbetrieb so organisieren, dass er möglichst wenig Treibhausgase freisetzt. Das heißt zum Beispiel: In den Futtertrog kommt nur ganz wenig zugekauftes Kraftfutter, der Betrieb verzichtet als Biobetrieb selbstverständlich auf mineralischen Stickstoffdünger (kurz: Kunstdünger), dessen Produktion große Mengen Energie benötigt.

Kühe sind viel an der frischen Luft

Richard Haneberg bemüht sich auch auf seinen Wiesen, den Humusgehalt im Boden hoch zu halten. Dann bleibt der Kohlenstoff im Boden und geht nicht als Kohlendioxid in die Luft. Außerdem wichtig: Die Tiere dürfen laut Haneberg so lange wie möglich raus auf die Weide: von Mitte April bis Anfang November.

In diesen sechseinhalb Monaten landen Kuhfladen und Urin tagsüber auf der Wiese. Damit reduziert sich schon einmal die Methanmenge, die bei der Lagerung von Gülle und Festmist in die Atmosphäre entweicht. Rund 80 Prozent des Methans, das auf das Konto der deutschen Landwirtschaft geht, kommen von den Rindern, etwa 20 Prozent stammen aus der Lagerung von tierischen Wirtschaftsdüngern, egal ob von Schwein, Pute oder Rind.

Die Weidehaltung hat noch mehr Vorzüge: Für die Kuh, weil sie dort artgerechter leben kann als im Stall. Und für das Klima im Allgemeinen. Ein Forschungsteam aus Kiel ist bei der optimierten Weidehaltung mit wenig Kraftfutter und vielen frischen Gräsern auf einen Wert von 630 Gramm Kohlendioxid pro Kilo Milch gekommen – das sind sage und schreibe 45 Prozent weniger als im deutschen Durchschnitt.

Durchschnittskuh versus Hochleistungsrind

Doch vielleicht sind Hanebergs Milchkühe gar nicht so klimafreundlich wie der Klimapreis vermuten lässt? Denn sie geben nicht viel mehr als 7.000 Liter Milch im Jahr. Das ist mittelmäßig. Und vielzitierten Studien zufolge ist der Methanausstoß je Kilo Milch umso geringer, je höher die Milchleistung ist. Kommt die Milch von einer Hochleistungskuh, die 10.000 Liter Milch im Jahr gibt, dann liegt der Methanausstoß pro Kilo Milch bei rund 13 Gramm, bei einer 7.000-Liter-Kuh bei rund 18 Gramm pro Kilo Milch.

Das kann man einfach erklären: Denn die Kuh stößt auch dann Methan aus, wenn sie keine Milch erzeugt, weil sie Energie braucht für ihren sogenannten Erhaltungsbedarf. Also für den Betrieb von Herz, Lunge, Nieren, Leber, das Laufen zum Futtertrog, fürs Schauen und Denken. Das sind salopp gesagt die Fixkosten im Stoffwechsel, die immer anfallen. Und wenn die Kuh 12.000 Liter Milch im Jahr gibt, verteilen sich diese Methan-Fixkosten auf 12.000 Liter und sonst auf bloß 4.000 oder 7.000 Liter.

Ganz entscheidend: Was frisst die Kuh?

Es muss aber auch berücksichtigt werden, welches Futter die Rinder bekommen. Wird das Kraftfutter beispielsweise aus dem weit entfernten Südamerika importiert, kann es passieren, dass unterm Strich eine hohe Milchleistung einen größeren Klimaschaden pro Kilo Milch verursacht als eine niedrige.

Man muss also auch die anderen Treibhausgase, vor allem Kohlendioxid und Lachgas im Blick behalten, sagt Heinz Flessa, Leiter des Institutes für Agrarklimaschutz am Thünen-Institut in Braunschweig. "Da spielen noch viele andere Faktoren mit eine Rolle, wie zum Beispiel die Emissionen, die ich bei der Futtererzeugung hab'. Was ich für Futtermaterialien den Tieren anbiete, wie effizient die Nachzucht erfolgt mit welchen Emissionen, wie die Lebensleistung und Tierfruchtbarkeit ist im Stall."

Unterm Strich, so Prof. Friedhelm Taube von der Christian-Albrechts-Universität in Kiel, verursachen zum Beispiel Fleckviehküche, die sehr viel Gras und Heu fressen, bereits bei einer Jahres-Milchleistung von 8000 Liter minimale Klimaschäden. Das gleiche gilt für die kleineren Jersey-Kühe, die an einer Kieler Studie beteiligt waren und 7000 Liter Milch im Jahr geben.

Außerdem wichtig: Die Lebenserwartung der Tiere

Kühe, die sehr viel Milch geben, fressen fast genauso viel Getreide- und Eiweißfutter wie Gras. Der Anbau von Getreide und Eiweißfuttermitteln wie Soja benötigt in der Regel aber wesentlich mehr Energie und setzt damit auch mehr Klimagase frei als Gras und Heu. Ein weiterer Aspekt: Milchkühe mit einer sehr hohen Milchleistung pro Jahr werden in der Regel nicht so alt wie Kühe mit einer mittleren Milchleistung.

Die Hochleistungskühe haben also eine kürzere Nutzungsdauer. Beide Kühe haben aber in der Aufzucht bis zum ersten Abkalben gut zwei Jahre lang Methan ausgestoßen ohne Milch zu geben. Das muss man auch als Methan-Fixkosten verbuchen. Richard Hanebergs Kühe geben unterm Strich gut ein Jahr länger Milch als der bayerische Durchschnitt.

In Zukunft sollen auch "Methan-Inhibitoren" helfen

Mit sogenannten Methan-Inhibitoren soll die Gas-Produktion im Pansen der Rinder ebenfalls reduziert werden. Eine synthetisch hergestellte Substanz namens 3-Nitrooxypropanol, kurz 3-NOP, australische Rotalgen und eine einheimische Kräutermischung werden derzeit auf ihre Wirksamkeit untersucht – zum Beispiel am Friedrich-Löffler-Institut in Braunschweig.

Bisher seien die Substanzen allerdings noch nicht praxisreif, sagt Dirk von Soosten, Experte für Tierernährung: "Da besteht noch ein gewisser Forschungsbedarf. Es gibt natürlich Substanzen, die da vielversprechend sind. Wichtig ist halt, dass man immer berücksichtigen muss, die jeweiligen Gegebenheiten, wo man diesen Methan-Inhibitor einsetzt, der muss dann entsprechend auch dem Tier so verabreicht werden über das Futter, dass er dann auch zur Wirkung kommen kann, wenn er benötigt wird."

Aus dem Kuhhintern kommt nur wenig Methan

Der größte Methanausstoß geschieht zwei bis drei Stunden nach dem Fressen. 3-NOP wirkt aber zum Beispiel sehr schnell und nicht erst nach zwei bis drei Stunden. Außerdem ist unter anderem noch unklar, wie und ob die Mittel auf Dauer wirken. Passt sich das Verdauungssystem mit der Zeit an die Methan-Inhibitoren an, und dann bringen sie womöglich nach ein paar Monaten gar nichts mehr? Was schon jetzt klar ist: Nur fünf Prozent des Methanausstoßes kommen beim Rind aus dem Hintern, rund 95 Prozent aus der Nase und dem Mund.

Fest steht aber auch: Es gibt noch viel zu tun, bis wir wissen, welche Tierhaltungsformen eindeutig klimafreundlicher sind als andere. Aber so viel scheint schon sicher: Die Milchkühe von Hanebergs aus Kempten mit Weidehaltung, wenig Kraftfutter und langer Lebensdauer haben ihren Klimaschutzpreis sicher nicht zu Unrecht bekommen.

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst am 15.1.2022. Er wurde aus technischen Gründen am 16.4.2025 erneut publiziert. Der Artikel enthält keine neuen Erkenntnisse.

"Hier ist Bayern": Der BR24-Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!