Im vergangenen Jahr haben Archäologen zwischen Pocking und Kirchham nach den Überresten eines KZ-Außenlagers gegraben - im Vorfeld des A94-Neubaus. Jetzt haben die Experten ihre Ergebnisse und Funde vorgestellt.
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Teil der Pockinger Geschichte
Das Lager konnte erstmals genau lokalisiert werden. Damit ist das Konzentrationslager (KZ) nun Teil des bayerischen Denkmalatlas. "Es ist ein Teil der Pockinger Geschichte. Den dürfen wir nicht ausklammern. Dass man sich hier damit auseinandersetzt, ist wichtig“, sagte Mathias Pfeil, Leiter des Landesamts für Denkmalpflege. Er freute sich vor allem darüber, dass mehr als 100 interessierte Bürgerinnen und Bürger aus Pocking zur Präsentation der Ergebnisse gekommen waren.
Unterirdisch verlegter Stacheldraht hinderte Häftlinge an Flucht
Die Archäologen haben auf den heute landwirtschaftlich genutzten Flächen unter anderem Mauerreste, Wasserleitungen und die nördliche Umzäunung freigelegt. Ein 50 Meter langer, unterirdisch verlegter Stacheldrahtzaun sollte Gefangene abhalten, sich aus dem Lager herauszugraben. An einem Stück Draht fanden die Wissenschaftler auch Stoffreste. Darüber hinaus gruben sie Tausende Fundstücke aus, die heute 70 Kisten füllen.
Jedes einzelne gibt einen kleinen Einblick in das Lagerleben von Tätern und Opfern. So zum Beispiel ein Zigaretten-Etui, in das Verzierungen und der Name Tasia, die Kurzform von Anastasia, in kyrillischen Buchstaben eingeritzt wurden. Es gehörte vermutlich einem russischen Kriegsgefangenen. Nazi-Orden und etliche Flaschen zeigen, was die Wachmänner getrunken haben: unter anderem Bier aus Brauereien von Rotthalmünster bis Passau. Ungarische Uniformknöpfe sind ein Beleg dafür, dass Wachmannschaften aus Ungarn im KZ Pocking eingesetzt waren.
Weitere vom Archäologen-Team gefundene Gegenstände werden noch untersucht: darunter beispielsweise Gürtel und Schuhe. Experten versuchen herauszufinden, wem sie gehört haben könnten. "Möglicherweise haben wir Häftlingsmarken, das muss noch untersucht werden", sagt Ausgrabungsleiter Patrick Hillebrand.
Unterstützung gibt es auch von der Polizei. Es wurden drei Glas-Ampullen ausgegraben, in denen eine giftige Substanz, möglicherweise ein Opioid, sein könnte. Der Inhalt soll in einem Labor des LKA untersucht werden.
Fundstücke werden in Flossenbürger Gedenkstätte ausgestellt
Mit über einem Hektar Größe handelte es sich laut Landesamt für Denkmalpflege um die bislang größte Flächengrabung im Bereich eines ehemaligen Außenlagers des Konzentrationslagers Flossenbürg. In der dortigen KZ-Gedenkstätte sollen künftig auch die ausgegrabenen Gegenstände aus Pocking ausgestellt werden.
Über tausend Zwangsarbeiter interniert
1942 wurde zwischen Pocking und Kirchham im Kreis Passau ein Lager errichtet. 800 russische Kriegsgefangene und 400 politische Häftlinge aus München-Stadelheim wurden zur Arbeit am nahegelegenen Fliegerhorst Waldstadt gezwungen. Ab März 1945 wurden dort 400 Häftlinge des Konzentrationslagers Flossenbürg interniert. 96 von ihnen starben an Krankheiten, Unterernährung und Erschöpfung. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurde auf dem Lagergelände ein DP-Lager eingerichtet für jüdische sogenannte "Displaced Persons". Später wurden die Baracken als Flüchtlingslager genutzt.
Ein Denkmal, das an die Opfer des KZ-Außenlagers erinnert, gibt es bereits. Der große Obelisk steht auf der anderen Seite der heutigen B12 und wurde in der Nachkriegszeit errichtet.
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