Marianne Bansener kauft regelmäßig in der "Jakobs-Box" in Haunsheim ein. Nicht für den großen Wocheneinkauf, eher dann, wenn noch etwas fehlt. Wie heute. Sie will Bolognese-Sauce kochen, hat aber kein Hackfleisch zuhause. Die Möglichkeit, hier sieben Tage die Woche 24 Stunden einkaufen zu können, findet sie super: "Ja, es wäre schade, wenn es den kleinen Supermarkt nicht mehr geben würde. Gerade für die ältere Generation. Es ist ja die einzige Einkaufsmöglichkeit im Ort".
Eine Einkaufsmöglichkeit nach der anderen ging verloren
Vor ein paar Jahren gab es hier noch einen Bäcker und Metzger, zuletzt hat 2018 ein Tante Emma-Laden zugemacht. Dann gab es nichts mehr. Bürgermeister Christoph Mettel hat mit seinem Gemeinderat die Alternativen durchgesprochen: Einen Nachfolger für den Laden gab es nicht. Ein genossenschaftlich geführter Dorfladen wäre seiner Ansicht nach zu teuer geworden, außerdem hätte es keinen geeigneten Platz gegeben. Dann ist er bei seiner Recherche auf die digitalen Kleinstsupermärkte gestoßen.
Die erste Box dieser Art gab es in Pettstadt bei Bamberg. Er habe sich beim dortigen Bürgermeister erkundigt, wie die Box ankomme und wie alles funktioniere, so Mettel. Seit knapp einem Jahr steht eine solche "Jakobs-Box" jetzt auch in Haunsheim. Auf 45 Quadratmetern gibt es dort knapp 1.000 Artikel - von Nudeln über Backwaren bis zur Tiefkühlpizza, vom Katzenfutter bis zur Zahnpasta.
Fixe Regeln bei den Öffnungszeiten? Bislang Fehlanzeige
Der Supermarkt hat derzeit täglich rund um die Uhr geöffnet, auch sonn- und feiertags. Das Landratsamt hat das genehmigt, man wolle den Menschen auf dem Land eine gute Versorgung ermöglichen, deshalb setze er sich dafür ein, sagt Landrat Markus Müller (FW). Auch in Bächingen und Wittislingen gibt es inzwischen ein ähnliches Angebot.
Im Nachbarlandkreis Donau-Ries dürfen diese Läden allerdings an Sonn- und Feiertagen nicht öffnen, im Landkreis Günzburg gibt es noch gar keinen solchen Laden, im Landkreis Augsburg dürfen nur Automaten rund um die Uhr geöffnet werden. Sprich: Eine einheitliche Regelung gibt es nicht, eine gesetzliche Grundlage schon gar nicht.
Bayern will eigenes, "modernes" Ladenschlussgesetz verabschieden
Mit einem neuen bayerischen Ladenschlussgesetz soll jetzt alles einheitlich geregelt werden. Bisher gilt in Bayern das Ladenschlussgesetz des Bundes (EXTERNER LINK) aus dem Jahr 1956. Damals kannte man Ideen wie solche digitalen Kleinstsupermärkte, die bis auf das Einräumen der Ware völlig ohne Personal funktionieren, höchstens aus Science-Fiction-Romanen. Das will die bayerische Staatsregierung ändern und mit dem neuen Gesetz eine für alle gültige rechtliche Grundlage für solche Läden schaffen.
Um sich zu informieren, wie ein solcher Laden in der Praxis funktioniert, ist der Ebersberger Abgeordnete Thomas Huber (CSU) auf Einladung des Dillinger Abgeordneten Manuel Knoll (CSU) nach Haunsheim gekommen. Huber sitzt im Sozialausschuss des Landtags, dort wird derzeit viel über das neue Gesetz diskutiert.
Auf Personal ist der Laden kaum noch angewiesen
Stolz zeigt Betreiber Jakob Niess den Politikern seinen Laden, das breite Sortiment, und wie alles funktioniert: Mit der Bankkarte schaltet man die Türe frei, scannt am Schluss selbst die Ware, zahlt mit der Karte - und fertig. Überwacht wird der Einkauf über eine Videokamera. Jakob Niess betont: Es werde weniger geklaut als in den anderen, "normalen" Supermärkten, die er betreibt. Personal braucht man nur, wenn Ware nachgefüllt werden soll. An Sonn- und Feiertagen wird das nicht gemacht. Aus diesem Grund durfte die Box bisher auch an diesen Tagen 24 Stunden öffnen.
Hier sieht Huber allerdings Probleme: Zum einen laufen Kirchen und Gewerkschaften Sturm gegen diese Regelung. Ein "Angriff auf den freien Sonntag durch die Hintertür", sei das, so Hubert Thiermeyer von ver.di. Darüber hinaus sieht der Abgeordnete Huber noch ein weiteres Hindernis: Die verfassungsrechtlich festgeschriebene Feiertagsruhe. Auch wenn im Laden niemand arbeite, gingen die Leute doch einkaufen, das verstoße gegen diese Feiertagsruhe, meint er. Im Gegensatz etwa zu Tankstellen. Diese dienten, so Huber, der Grundversorgung und nehmen hier eine Sonderrolle ein.
Neues Gesetz soll Sicherheit, aber auch Einschränkungen bringen
Das neue Gesetz könnte Ende des Jahres verabschiedet werden. Huber geht davon aus, dass digitale Kleinstsupermärkte dann nur noch an sechs Tagen die Woche rund um die Uhr öffnen dürfen, sonn- und feiertags wird die Öffnungszeit wohl begrenzt werden. Dann allerdings, fürchtet der Betreiber des Haunsheimer Supermarkts, könne der nicht mehr wirtschaftlich arbeiten. Anhand von Zahlen zeigt er: An Sonn- und Feiertagen beträgt der Umsatz in etwa das Dreifache im Vergleich zu Werktagen.
Und dieser Umsatz sei nötig, betont auch der Haunsheimer Bürgermeister Christoph Mettel: Die Gemeinde bezuschusse die Box schon, zahle etwa für Strom und Internet und hat die Außenanlagen mit den Parkplätzen hergestellt. Jede Einschränkung würde die Wirtschaftlichkeit des Mini-Supermarktes in Frage stellen - und damit das Projekt in seinem Dorf gefährden, aber auch in anderen Gemeinden in Bayern, wo es keine Einkaufsmöglichkeit mehr gibt und eine solche Box eine sinnvolle Lösung wäre.
Wird sich der Selbstbedienungssupermarkt dann noch lohnen?
Und was sagen die Käufer zu eingeschränkten Öffnungszeiten am Wochenende? Marianne Bansener überlegt kurz: "Wenn man es weiß... könnte es gehen aber... man müsste halt schauen, wann die meisten Leute einkaufen und dann so öffnen." Abgeordnete Huber nickt: Er wolle sich dafür einsetzen, dass die Gemeinden die in Zukunft wohl eingeschränkten Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen flexibel einteilen können.
In Haunsheim ist man allerdings weiterhin skeptisch, ob der Supermarkt dann noch gewinnbringend arbeiten kann. Noch steht der Gesetzesentwurf nicht - der Abgeordnete Thomas Huber verspricht, die Einwände der Haunsheimer mit einzubringen.
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