Der Kläger möchte "in Ruhe gelassen werden mit dieser Gendersprache". So formuliert es sein Anwalt Dirk Giesen. Der Kläger will die Audi AG per Unterlassungsklage verpflichten, ihm künftig keine Mails und Präsentationen mit Gender-Gaps mehr zu schicken. Die Unterstriche verletzten sein allgemeines Persönlichkeitsrecht, so sein Anwalt. Seine Forderung: 100.000 Euro soll Audi zahlen müssen, wenn das Unternehmern weiterhin Mails an seinen Mandaten verschickt die zum Beispiel solche Formulierungen enthalten: Der_die BSM-Expert_in ist qualifizierte_r Fachexpert_in." Die beklagte Audi AG wünscht eine Abweisung der Klage.
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Gerichtssprecher betont: Kein Grundsatzurteil
Die Entscheidung soll am Freitagvormittag, 29. Juli, verkündet werden. Wie Gerichtssprecher Thomas Schlappa betont, handelt es sich nicht um ein Grundsatzurteil. Die Entscheidung betrifft ausschließlich den konkreten, klagenden VW-Manager. Das heißt, selbst wenn das Gericht Audi in seinem Urteil dazu verpflichten sollte, künftig dem Kläger keine weiteren Mails mit Gendergaps zu senden, kann Audi allen anderen Arbeitnehmern gegenüber weiterhin den gendersensiblen Unterstrich verwenden.
Urteilsgründe kommen wohl erst im Nachgang per Post
Erwartet wird zudem, dass die Kammer am Landgericht Ingolstadt am Freitag nur den Urteilstenor öffentlich verkündet, also lediglich bekannt geben wird, ob sie der Klage stattgibt oder sie abweist. Die Urteilsgründe würden den beiden Parteien, der Audi AG und dem klagenden VW-Manager, im Nachgang per Post zugehen. Diese Form der Urteilsverkündung sei in Zivilverfahren der Regelfall, entspreche der Zivilprozessordnung (§311 II 1 ZPO) und sei von der richterlichen Unabhängigkeit gedeckt, so Gerichtssprecher Thomas Schlappa. Aufgrund der erwarteten Beschränkung auf den Urteilstenor wird am Freitag zwar der Kläger persönlich anwesend sein, nicht aber sein Anwalt.
Bundesweites Interesse: Erstmals Urteil zu Unterlassung von Gendersprache
Ungeachtet dessen stößt das erwartete Urteil auf bundesweites Interesse, denn gender-sensible Sprache wird mittlerweile in tausenden von deutschen Unternehmen praktiziert. Nach Einschätzung von Gerichtssprecher Thomas Schlappa ist das Urteil des Landgerichts Ingolstadt das erste bundesweit, das sich damit auseinandersetzt, ob ein Unternehmen einen Mitarbeiter in gendersensibler Sprache ansprechen darf.
So gendert Audi
Audi verwendet seit März 2021 gendersensible Sprache. Das Unternehmen will damit "gendersensible Formulierungen in der internen und externen schriftlichen Audi Kommunikation allgegenwärtig machen" und Diskriminierung verhindern. Geregelt ist diese Neuerung in einer Unternehmensrichtlinie. In ihr ist etwa beschrieben, dass "alle Geschlechter und geschlechtlichen Identitäten gleichwertig und wertschätzend angesprochen werden sollen". Neben neutralen Formulierungen wie "Mitarbeitende" statt "Mitarbeiter" oder "Führungskraft" statt "Chef" verwendet Audi den sogenannten Gender-Gap. In der Audi Pressemitteilung von März 2021 wurde der Gender-Unterstrich wie folgt von Audi vorgestellt. "Diese Schreibweise verbindet die männliche und die weibliche Form mit einem Unterstrich. Der Gender-Gap – geschrieben zum Beispiel Mitarbeiter_innen – repräsentiert alle nicht-binären Geschlechtsidentitäten zwischen Mann und Frau.
Mit dem Gender-Gap folgt Audi der Empfehlung des "Charta der Vielfalt" e.V. Neben Audi sind rund weitere 4.700 Unternehmen Mitglieder dieser Initiative, bei denen rund 14,7 Millionen Menschen arbeiten. Eine Antwort auf die Anfrage des Bayerischen Rundfunks bei der Initiative "Charta der Vielfalt", wie viele Betriebe gendersensible Sprache verwenden, steht noch aus.
Auch Kläger für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung
Wie Klägeranwalt Dirk Giesen betont, ist auch sein Mandant "zweifelsohne für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung". Allerdings führe "die im Leitfaden vorgeschriebene Verwendung der Gendersprache zu neuer Diskriminierung und verletzte das Allgemeine Persönlichkeitsrecht" seines Mandanten und zwar konkret in der Ausprägung der geschlechtlichen Identität. Diese Verletzung passiere schon, wenn sein "Mandant die gender-sensiblen Formulierungen lesen müsse".
Verein Deutsche Sprache unterstützt Kläger
Der Verein Deutsche Sprache (VDS) unterstützt den VW-Mitarbeiter. Der Verein lehnt Gendern mit Sonderformen, die nicht zur deutschen Grammatik vorkommen, ab. Zu diesen Sonderformen zählen auch Unterstrich oder Doppelpunkt. Wie VDS-Geschäftsführer Holger Klatte betont, stellt sich sein 36.000 Mitglieder starker Verein "vor allem jeden Zwang zum Gendern" und nennt als Beispiel den entsprechenden Leitfaden von Audi. Der VDS hat sich als Ziel den Erhalt und die Förderung des Deutschen als eigenständiger Kultursprache auf die Fahnen geschrieben.
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