In der Ampelkoalition gibt es seit Wochen Streit um das Gebäudeenergiegesetz – auch "Heizungsgesetz" genannt. Wenn es nach den Grünen geht, sollen ab 2024 weitgehend keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr eingebaut werden dürfen. Jede neue Heizung müsste dann mit mindestens 65 Prozent erneuerbaren Energien laufen. Zumindest in Neubauten will Wirtschaftsminister Robert Habeck (B'90/Grüne) an diesem Datum festhalten. Bei bestehenden Häusern deutet er aktuell eine zeitliche Staffelung an.
Doch das bringt offenbar gerade viele dazu, jetzt erst recht noch schnell eine Öl- oder Gasheizung einbauen zu lassen – solange es noch geht. Seit Wochen gibt es einen regelrechten Run auf Heizungen mit fossilen Brennstoffen – und das trotz Ukraine-Krieg und angespannter Versorgungslage. Schließlich ist der Einbau von Heizungen mit fossilen Brennstoffen deutlich günstiger als der von modernen Wärmepumpen. Dennoch könnte sich diese Entscheidung auf Dauer rächen.
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Wärmepumpe dreimal so teuer wie Gasheizung
Michael Mönner steht im Keller eines Münchner Wohnhauses. Die Mitarbeiter seiner Sanitärfirma bauen hier gerade einen neuen Gas-Heizkessel ein. 16.000 Euro bezahlt der Kunde dafür. Eine Wärmepumpe, die klimafreundlich Wärme aus der Luft, dem Grundwasser oder der Erde nutzt, wäre deutlich teurer. Hierfür hätte der Kunde locker das Dreifache bezahlen müssen.
Mit seiner Entscheidung ist er nicht allein. Rund 168.000 Gasheizungen sind bereits im ersten Quartal dieses Jahres deutschlandweit neu eingebaut worden - ein Anstieg um rund 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das belegen die Zahlen des Bundesverbands der Deutschen Heizungsindustrie. Bei Ölheizungen hat sich der Absatz gar verdoppelt - auf rund 21.500.
Heizungsbauer: "Leute sind verunsichert"
Den Last-Minute-Run auf Heizungen mit fossilen Brennstoffen spürt auch Mönner in seinem Sanitärgeschäft. Er ist im Vorstand der Sanitär-Innung München. "Die Leute sind stark verunsichert aufgrund der unsicheren Gesetzeslage. Auch ist nicht klar, welche Förderungen zu dem neuen Gesetz dazukommen", erklärt er.
Wer sich eine teure Wärmepumpe einbauen lässt, bekommt diese zwar mit aktuell bis zu 40 Prozent vom Bund gefördert. Doch müssen die Kunden das Geld erst mal vorstrecken.
CO2-Preis steigt in den kommenden Jahren an
Eine fossile Heizung ist also erst mal deutlich günstiger. Doch lohnt sich die auch auf Dauer? Nein, sagt Cornelius Schmidt vom Interessenverband der Gebäudeenergieberater in Bayern. "Wer sich jetzt noch für eine fossile Heizung entscheidet, kann da unter Umständen sehr teuer rauskommen", warnt der Energieberater. Man dürfe nicht vergessen, dass die CO2-Bepreisung obendrauf kommt.
Mit dem Klimapaket hat die Bundesregierung beschlossen, wie viel jeder für die Emission von CO2 zahlen muss. 2021 waren es etwa für eine Tonne CO2 noch 25 Euro. Dieser Betrag steigt in den kommenden Jahren schrittweise an. Bis 2025 sollen es schon 45 Euro pro Tonne sein. "In der Regel kann man sagen: In zehn oder zwölf Jahren sind die monatlichen Kosten wesentlich höher als die einer Wärmepumpe", so Schmidt. 2027 wird das Abgabensystem in den europaweiten Emissionshandel überführt. Öl und Gas werden dann noch mal deutlich teurer, zeigen Berechnungen.
Gaspreisdeckel fällt in Zukunft weg
Hinzu kommt, dass der momentane Gaspreis noch gedeckelt wird. Doch auch der Gaspreisdeckel der Bundesregierung wird frühestens 2024 wegfallen. In einigen Jahren sei dann sowieso Schluss, sagt Martin Sambale, Berater beim Energie- und Umweltzentrum Allgäu in Kempten.
"Wenn wir in Bayern im Jahr 2040 klimaneutral sein wollen, dann darf da eigentlich keine fossile Heizung mehr laufen. Wer also heute in eine Öl- oder Gasheizung investiert, muss davon ausgehen, dass die Anlage in 20 Jahren nicht mehr laufen wird", sagt Sambale. Spätestens 2045 ist bundesweit damit Schluss, dann will Deutschland klimaneutral sein.
Das lange Warten auf die neue Heizung
Eine weitere Schwierigkeit ist, dass sich Kunden nicht sicher sein können, dass ihr Heizungsbauer den Einbau einer fossilen Heizung noch rechtzeitig schafft. Die Wartezeiten für eine neue Heizung sind momentan lang.
Mönner von der Sanitär-Innung München erklärt: Sollte das verschärfte Gesetz - zumindest für Neubauten - schon ab 2024 gelten, müsste er mit dem Einbau der fossilen Heizungen seiner Kunden bereits vor dem 1. Januar begonnen haben. Als Stichtag gilt nicht der Tag der Vertragsunterzeichnung, sondern der des Einbau-Starts. Das könnte knapp werden, meint er. So seien Ölheizkessel schon jetzt nicht mehr zu bekommen.
Energieberater: Heizungsgesetz sozial nachbessern
Weil fossile Wärmeenergie immer noch für einen hohen CO2-Ausstoß sorgt, müsse ein Umdenken her, so Schmidt. Das hat teilweise auch schon eingesetzt: Der Absatz von Wärmepumpen hat sich im ersten Quartal 2023 mehr als verdoppelt im Vergleich zum Vorjahr. Dennoch liegt er mit bundesweit rund 96.500 neu verkauften Anlagen noch weit unter dem von Gasheizungen (168.000 Stück). Laut Bundeswirtschaftsministerium wird hierzulande immer noch mehr als Dreiviertel der Wärme durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen erzeugt.
Jetzt ist die Politik am Zug, findet Energieberater Cornelius Schmidt. Der Ampel-Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes müsse insofern nachgebessert werden, dass finanziell schwache und ältere Hausbesitzerinnen und -besitzer mehr Unterstützung bekommen. Diese mitzunehmen sei "das politische Ziel unserer Gesellschaft. Da muss dieses Gesetz einfach sozial verbessert werden", fordert Schmidt. Vor allem zinsgünstige Kredite und höhere Bürgschaften für die Anschaffung beispielsweise einer Wärmepumpe (laut Mönner rund 40.000 Euro) müssten bereitgestellt werden.
Wärmepumpe braucht nicht gleich eine Fußbodenheizung
Dass die Installation einer Wärmepumpe in jedem Fall weitere Kosten nach sich zieht - wie beispielsweise den Ersatz von konventionellen Heizkörpern durch eine Fußbodenheizung - verneint Energieberater Schmidt.
In rund der Hälfte der Fälle seien die im Haus vorhandenen Standard-Heizkörper groß genug, um eine Wärmepumpe (die ja mit geringeren Temperaturen arbeitet als fossile Heizungen) bereits effizient einzusetzen. Energieberatungsstellen könnten dies ausrechnen, so Schmidt. Eine halbstündige Erstberatung sei kostenlos.
Ampel-Gesetzentwurf will bis zu 50 Prozent Förderung
Der aktuelle Gesetzentwurf der Ampel sieht über "Klima-Boni" (zum Beispiel bei sozialen Härten) bis zu 50 Prozent Investitionsbeihilfen vor, um so den Umstieg auf eine Öko-Heizung zu erleichtern. Die Grünen können sich inzwischen sogar eine 80-Prozent-Förderung für Bedürftige vorstellen. Die erste Lesung im Bundestag wurde wegen des Koalitionsstreits über die Reform jüngst verschoben.
Der Bundesrat forderte bereits in einer Stellungnahme, die Härtefallklausel zu konkretisieren und auszudehnen, nach der sozial schwächere Hausbesitzer generell von der 65-Prozent-Ökopflicht beim Heizungsneubau befreit werden können. Bundeswirtschaftsminister Habeck denkt jüngst über eine zeitliche Staffelung bei der 65-Prozentpflicht nach: Der 1. Januar 2024 könnte dann nur für Neubauten gelten.
- Zum Artikel: "Streit um Wärmepumpen: Heizungsbauer spricht Klartext"
Im Video: Experten warnen vor Schnellkäufen bei fossilen Heizungen
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