"Das war schon aufregend", sagt der 14-jährige Lenny, als er an die Tage nach seinem unverhofften Abenteuer im vergangenen Februar zurückdenkt. Zahlreiche Radiosender wollten mit dem Jungen aus dem Volkacher Stadtteil Astheim sprechen. Und an einem Taxistand in Berlin standen Fahrgäste Schlange, um mit dem Taxifahrer zu fahren, der Lenny geholfen hat. Es ist die Geschichte einer Irrfahrt, aus der inzwischen eine Freundschaft entstanden ist.
14-Jähriger strandet in Berlin
Die Geschichte beginnt am Busbahnhof in Würzburg. Der 14-jährige Lenny will seinen Vater besuchen. Der kauft für seinen Sohn ein Bus-Ticket von Würzburg nach Pforzheim. Das denkt er zumindest. Denn: Tatsächlich hat er versehentlich ein Ticket für eine ganz andere Strecke gebucht. Lenny steigt in Würzburg in den Bus und achtet dabei auf die richtige Busnummer. Doch irgendwann merkt er, dass etwas nicht stimmt.
Lenny sucht Hilfe beim Busfahrer. "Der konnte aber nicht Deutsch sprechen. Dann hat mir eine Frau gesagt, dass ich nach Berlin fahre", sagt Lenny. Die Fahrt endet in Berlin am Busbahnhof Charlottenburg – weit entfernt von Zuhause. Von dort aus ruft Lenny seine Mutter in Astheim an. Die zögert nicht lange und verspricht, ihn mit dem Auto in Berlin abzuholen. Lenny soll schon mal mit einem Taxi zum Hauptbahnhof Berlin fahren, dort will sie ihn treffen.
Taxifahrer will Jugendlichen nicht allein lassen
Was dann passiert, ist wohl großes Glück für die Familie: Der 14-Jährige steigt in das Taxi von Maschid Aso Dolay ein, einem gebürtigen Iraner. Doch dem gefällt der Plan gar nicht: Lenny am Berliner Hauptbahnhof absetzen, abends, ganz allein? Das kommt für den Taxifahrer nicht in Frage. Er ruft Lennys Mutter an. "Ich sagte: Er ist bei mir bis Sie kommen. Hier sind verschiedene Menschen unterwegs – gute Menschen, böse Menschen – und er ist 14 Jahre alt." Maschid Aso Dolay schickt Lennys Mutter seine Handynummer, seinen Namen, die Adresse, ein Foto vom Taxi mit Kennzeichen. Sie soll wissen: Bei ihm ist Lenny sicher.
Währenddessen fährt Lennys Mutter in Astheim los. Knapp 500 Kilometer hat sie vor sich, etwa fünf Stunden Fahrt. In Berlin macht Taxifahrer Maschid mit Lenny kurzerhand eine Stadtrundfahrt: "Ich habe ihm ein bisschen Berlin gezeigt", lacht er am Telefon im Gespräch mit BR24. Fahrgast Lenny fügt hinzu: "Brandenburger Tor und so. Danach sind wir dann zu einem Fast-Food-Lokal gegangen. So hat sich es dann gezogen."
Tränen nachts auf der Autobahn
Es geht inzwischen auf Mitternacht zu. Immer wieder telefoniert Maschid Aso Dolay mit Mutter Andrea. Schließlich kommt er auf eine Idee, um die Wartezeit ein wenig zu verkürzen. "Dann habe ich gesagt: Andrea, wir fahren dir entgegen", erinnert sich der Berliner Taxifahrer. Und so treffen sie sich schließlich an der Autobahn bei Potsdam. "Dann hat sie mich umarmt, und dann sehe ich, wie sie wirklich kurz weint", sagt Maschid ganz gerührt. "Ja, ich glaube, wir hatten beide ein bisschen Pipi in den Augen", bestätigt Mama Andrea.
Lennys Familie hält Kontakt zum Taxifahrer
Maschid freut sich über die Zeit, die er mit Lenny verbracht hat: "Der war ein unheimlich freundlicher, höflicher Junge. Ich habe so einen Jungen nicht in Berlin erlebt, das muss ich ehrlich sagen." Auch heute noch, zehn Monate später, steht Lennys Familie mit Taxifahrer Maschid in Kontakt. Inzwischen ist aus der Irrfahrt eine Freundschaft entstanden. "Er meldet sich regelmäßig, wir telefonieren, schreiben auf Whatsapp", sagt Lennys Mutter Andrea. Nächstes Jahr will sich die Familie aus Astheim mit Taxifahrer Maschid und seiner Frau in Berlin treffen.
Lenny hat aus seinem Abenteuer gelernt. Er hat jetzt eine eigene EC-Karte und die Bahn-App auf seinem Handy immer parat. "Das krieg ich mittlerweile auch allein auf die Kette", sagt der 14-Jährige.
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