Bei jeder Tierseuche ist oberstes Gebot: Biosicherheit. Das heißt, niemanden in die Ställe lassen und strengste Hygienemaßnahmen. 2001 wütete die Maul- und Klauenseuche (MKS) in Großbritannien – in Deutschland herrschte Alarmstimmung. Dr. Andreas Randt, Geschäftsführer des bayerischen Tiergesundheitsdienstes, erklärt: "Im Nachhinein weiß man, warum sich 2001 MKS in Großbritannien so rasant ausgebreitet hat: durch Menschen, Autos, Gerätschaften und ein paar Ratten." Hat man daraus gelernt? Nach Ansicht von Tiermedizinern nur bedingt.
Offene Stalltüren als Problem
Obwohl industrielle Tierhaltung heute massiv in der Kritik stehe, seien solche Ställe in puncto Biosicherheit besser als kleine bayerische Familienbetriebe, sagt Andreas Randt. Riesenställe seien hermetisch abgeriegelt, die Gefahr der Einschleppung einer Seuche gering. "Bei einem kleinen Bauernhof im Voralpenland sind die Tore offen, jeder darf in den Stall gehen und die Kälber streicheln. Gesellschaftlich ist das so gewollt, aber aus seuchenhygienischer Sicht eine Katastrophe", so Andreas Randt.
Die Tierseuche galt in Deutschland als ausgerottet
Bis in die 60er Jahre des 20. Jahrhunderts war die Maul- und Klauenseuche eine regelmäßig wiederkehrende Seuche. Erst nach Einführung einer Pflichtimpfung wurde das Virus gebremst. Dennoch, zum Beispiel bei einer Zuchtvieh-Auktion 1979 in Weilheim, führte man alle Rinder immer noch über eine desinfizierte Matte aus Sägemehl, aus Angst vor der Seuche. Die letzten MKS-Fälle in Bayern gab es 1984 in Bernbeuren und Zusmarshausen, deutschlandweit 1988 in der Nähe von Hannover. Seit 1991 wird in Deutschland nicht mehr geimpft, die Seuche galt als ausgerottet. Doch dann kam 2001 ein gefährlicher Seuchenausbruch in England - mit Folgen für den europäischen Kontinent.
- Mehr zum Thema: Maul- und Klauenseuche: Sorge auch in Bayern
2001: Landwirte und Behörden in Panik wegen MKS
April 2001: Verdacht auf Maul- und Klauenseuche (MKS) bei Vilsbiburg im Landkreis Landshut. Ein Einödhof mit 1.300 Schafen. Zehn Prozent der Herde waren erkrankt, zeigten Lahmheiten. Die Tiere standen bereits seit einem Monat im Stall, denn es gab ein Triebverbot für Schafherden - wegen MKS in England. Eigentlich deutete alles auf die Krankheit Moderhinke hin, doch weil die Schwester des Landwirts vor einigen Tagen mit dem Auto in England war, wollte man jedes Risiko ausschließen. Der Betrieb wurde abgesperrt, Blutproben untersucht. Das Ergebnis: negativ!
Alarmstimmung wegen MKS in England
Aber lieber ein Fehlalarm als Schludrigkeit, lautete die Devise, denn alle Tierhalter in Deutschland waren 2001 in Alarmstimmung. In Großbritannien grassierte die Tierseuche und die Angst war groß, dass das Virus den Weg über den Ärmelkanal finden würde. Doch man war gewappnet. Der damalige Verbraucherschutzminister Eberhard Sinner versicherte: sollte ein Fall auftreten, könnte man sofort in einem bestimmten Umkreis alle Tiere impfen, ein Impfstoff sei in zwei Stunden verfügbar.
Strenge Maßnahmen gegen MKS
Doch allein die Angst vor der Seuche hatte massive Auswirkungen. Alle Viehmärkte wurden abgesagt, Tiertransporte untersagt, Klassenfahrten nach England gestrichen und auf Urlaubsbauernhöfen hieß es: niemanden in den Stall lassen! Denn hätte ein Besucher das Virus eingeschleppt, hätte das bedeutet: alle Tiere töten, nicht nur Rinder, Schweine, Ziegen oder Schafe, sondern damals auch Hunde und Katzen.
Wanderverbot für Schafherden
Besonders eingeschränkt waren Wanderschäfer durch das Triebverbot. Weil die Schafe oft wochenlang auf nassen Wiesen standen, bekamen sie die Klauenkrankheit Moderhinke. Über 50 Herden in Bayern waren eingepfercht, 150 Herden standen im April noch in den Ställen, Futter musste teuer zugekauft, die Moderhinke aufwendig behandelt werden. Im Nachhinein haben sich die Einschränkungen gelohnt, die MKS kam nicht nach Deutschland. In England dagegen, wo die Seuche fast ein Jahr lang wütete, wurden über vier Millionen Tiere getötet und verbrannt. Geschätzter Schaden: 20 Milliarden Euro.
Wer bezahlt die Verluste?
Die Tierseuchenkasse erstattet nur den Schätzwert der Tiere und übernimmt die Kosten für Tötung, Reinigung und Desinfektion. Nicht bezahlt werden Folgekosten, zum Beispiel wenn keine Milch mehr geliefert werden darf. Der Bauernverband hat deshalb 1998 einen MKS-Hilfsfonds gegründet. Landwirte zahlen in diesen Topf pro Liter abgelieferter Milch 0,05 Cent ein und erhalten daraus im Bedarfsfall einen Milchgeldausfall bis zu 50 Tage. Derzeit umfasst dieser Fonds 31 Millionen Euro. Der Bauernverband empfiehlt jedoch allen Landwirten, auch eine ergänzende private Ertragsausfallversicherung abzuschließen. 2001 allerdings hatte eine große bayerische Versicherungsgesellschaft bei Neuverträgen die Maul- und Klauenseuche aus ihrem Versicherungspaket gestrichen, die Bauern waren empört. Wie die Versicherer jetzt auf den aktuellen MKS-Fall in Deutschland reagieren, bleibt abzuwarten.
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