Rosi und Wolfgang Nowak wohnen am Waldrand im Mehringer Ortsteil Öd. 1.000 Meter entfernt sollen im Wald zehn von insgesamt 40 Windrädern entstehen. Bis zu 200 Meter könnte die Höhe der Naben betragen. Diese Dimension treibt Rosi und Wolfgang Nowak um. Das Ehepaar ist aber auch verärgert über die Art, wie sie von den Planungen erfahren haben. "Das waren immer so Häppchen, die du mitgekriegt hast im Laufe der Zeit. Das ging los bei einer Windmessung." Erst später haben sie erfahren, dass ein Windpark kommen soll.
Umweltpsychologin: Anwohner aktiv mit einbeziehen ist am besten
Gundula Hübner ist Psychologin an der MSH Medical School in Hamburg und der Universität Halle-Wittenberg. Sie erforscht, was dazu führt, dass Menschen erneuerbare Energien akzeptieren können. "Wenn Menschen den Eindruck haben, dass sie scheibchenweise informiert werden, dann geht Vertrauen verloren, und es entsteht Unsicherheit."
Wichtig sei, dass Menschen von Anfang in die Planung einbezogen würden, das zeige sich in ihrer Forschung immer wieder. "Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern planen, wo die Windräder aufgestellt werden könnten, wäre der richtige Weg." Die Bedenken der Anwohner ernstzunehmen, hält sie für sehr wichtig.
Lange behauptet: Bayern kein Windland
Wichtig sei auch, so Gundula Hübner, dass die Anwohner nachvollziehen könnten, dass es Sinn mache, die Windräder aufzustellen. Viele Mehringer zweifeln allerdings daran, dass genug Wind weht. Das kann Maria Burghardt gut nachvollziehen. Als Windkümmerer unterstützt sie im Auftrag der Staatsregierung Gemeinden in Sachen Windkraft. Sie hat in Mehring auf einer Bürgerversammlung wenige Wochen vor der Abstimmung informiert. Dass Bayern kein Windland sei, sei lange behauptet worden, treffe aber nicht mehr zu, so Burghardt.
"Wir sind in Höhen unterwegs, wo der Wind deutlich stärker und konstanter weht und für die Windenergieanlage gut nutzbar ist. Wenn man sich diese Standortgüten anschaut im Umkreis von Mehring, dann sind das durchaus gute Standorte, keine klassischen Schwachwind-Standorte", sagt Maria Burghardt von der Energieagentur München-Ebersberg. Im Vergleich zum Raum München, wo gerade sehr viele Windprojekte in die Umsetzung gingen, sei der Altöttinger Forst vom Wind her sogar besser aufgestellt, so Burghardt weiter.
Grafik: Standortgüte für Windkraft in Bayern
Widersprüche der Politik verunsichern die Menschen
Auch Gundula Hübner sagt: "Wenn über längere Zeit immer wieder behauptet wird, dass Bayern zu schön ist, um Windräder aufzustellen, und auch zu wenig Wind weht, wird das zur Norm." Die Menschen hätten sich darauf verlassen. Jetzt heiße es, "Windräder sind doch möglich". Da sei es nachvollziehbar, dass Bürger irritiert seien.
Das führe dann aber dazu, dass sie nicht mehr reflektieren, ob es vielleicht nicht doch möglich ist. Zum Beispiel aufgrund technischer Weiterentwicklungen und neuer Ansätze für Natur- und Anwohnerschutz.
Über neue Erkenntnisse der Windkraft wird zu wenig informiert
Es gebe viele neue Erkenntnisse zum Thema Windkraft, Wissen, das nicht ausreichend an die Bevölkerung herangetragen werde, erklärt die Umweltpsychologin. Mittlerweile dürfte es auch Konsens sein, dass die erneuerbaren Energien über verschiedene Bundesländer aus Gründen der Fairness und auch aus Gründen der Übertragungsleitungen verteilt werden müssten. Die Wissenschaftlerin führt aber auch Beispiele an, die zeigen, dass es in Bayern den Willen und gute Ideen gibt, wie erneuerbare Energien mit großer Akzeptanz umgesetzt werden könnten.
Jüngere Menschen und Frauen stärker mit einbeziehen
In einem Forschungsprojekt in Ebersberg, in dem Bürger für ihre Region Vorschläge erarbeitet haben, zeige sich: "Gerade jüngere Leute, die ganz anders in diese Problematik hineinwachsen, gehen anders an die Dinge heran." Es sei wichtig, jüngere Menschen, genauso wie Frauen stärker mit einzubeziehen. "Wir sehen, dass sich häufig ältere Männer in die Beteiligungsprozesse einbringen, die Sicht Jüngerer dürfte die Prozesse verändern."
Ob es auch in Mehring eines Tages mehrheitlich Akzeptanz für die Windräder geben könnte, hält Gundula Hübner für möglich. Dafür müsste es einen neuen Prozess geben, in dem alle auf Augenhöhe eingebunden werden. Die Bedenken, aber auch die Anregungen und Vorschläge der Menschen vor Ort ernstzunehmen, sei entscheidend.
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