Im Wohngebiet des Mehringer Ortsteils Öd entsteht ein großer Menschenauflauf, schon lange bevor Hubert Aiwanger (Freie Wähler) eintrifft. Viele Bürgerinnen und Bürger der kleinen Gemeinde wollen den Wirtschafts- und Energieminister sehen. Die Meinung über die Windkraft ist in der Menschenmenge geteilt, aber so gut wie alle finden es gut, dass der Minister nun vorbeikommt.
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Aiwanger bietet größeren Abstand zu Wohnhäusern an
Er hat sich mit drei Familien in einem Garten verabredet. Sie hatten ihn während der BR-Bürgersendung "Jetzt red i" dazu eingeladen, sich bei ihnen die Situation anzusehen. Rainer Piechotka war einer davon, er sagt nach der kurzen Unterredung in die Kameras vor seiner Gartentür: "Wir haben unser Anliegen vorgetragen und inhaltlich sind wir zu einer zumindest für uns tragfähigen Situation gekommen." Denn Aiwanger hat deutlich gemacht, wo er eine mögliche Kompromisslinie sieht, um sich mit den Windpark-Gegnern vor Ort doch noch zu einigen. Man könne die bisherigen Planungen noch einmal überdenken, so Aiwanger und überlegen, "ob man vielleicht eine Reihe Windräder zurücknimmt". Der Abstand der Windräder könne möglicherweise von 1.000 auf 1.500 Meter vergrößert werden.
Investor verspricht sich Gewinn – und will teilen
Offenbar ist dieser Aiwanger-Vorstoß jedoch nicht mit dem Investor abgesprochen, der die Ausschreibung der Bayerischen Staatsforsten für den Waldwindpark im Burghauser und Altöttinger Forst gewonnen hat, dem französischen Unternehmen Qair. Die Chefin von Qair Deutschland, Heike von der Heyden, erklärt auf Nachfrage, es sei völlig unklar, wie viele Windräder und damit wie viel Ertrag so ein vergrößerter Abstand zu Wohnhäusern kosten würde. Grundsätzlich verspricht sich Qair aber eine auskömmliche Windernte – obwohl in Südostoberbayern die Windgeschwindigkeiten niedriger sind als im Norden. Windmessungen laufen, die ersten Ergebnisse liegen nach Angaben des Unternehmens über den Erwartungen.
Auch ein "Strombonus" für Anwohner könnte kommen
Von dem erwarteten Gewinn könnte nun auch mehr in der Region bleiben als ursprünglich gedacht. Den Bürgern und Kommunen in der Region sollen jetzt bis zu 49 Prozent der Anteile an dem Windpark angeboten werden – doppelt so viel, wie nach dem Text der Ausschreibung verpflichtend ist. Als Beteiligungsmodelle kommen laut von der Heyden ein Verkauf an Genossenschaften oder Kommunen infrage, aber auch Crowdfunding. Darüber hinaus sei auch ein Strombonus für Anwohner denkbar. Wenn sie ihre Stromrechnung einreichen, bekämen sie dann einen jährlichen Betrag zwischen 75 und 150 Euro pro Haushalt ausgezahlt.
Staatsforsten bieten jetzt Windrad-Touren an
Die Bayerischen Staatsforsten wiesen bei einem Vor-Ort-Termin an einem möglichen Windrad-Standort im Wald darauf hin, dass die Bauplätze in der Regel neben bestehenden Forststraßen liegen sollen, was den Verlust an Waldfläche minimiere. Sie wollen künftig Informationsfahrten zu Waldwindrädern im Kreis Starnberg anbieten, damit sich Interessierte ein Bild machen können, wie so etwas aussehe. In der näheren Umgebung des Chemiedreiecks gibt es bis jetzt kaum Windkraft.
Bürgerversammlung in Marktl mit Pro und Contra
In Marktl, wo am Tag der Europawahl möglicherweise ebenfalls ein Bürgerentscheid zum Windpark im Chemiedreieck stattfindet - veranstaltete Aiwanger eine Bürgerversammlung. Auf dem Podium saß er gemeinsam mit Vertretern von Qair, den Staatsforsten, dem Umweltministerium und dem Landrat des Kreises Altötting, Erwin Schneider (CSU). Auch Schneider warb erneut nachdrücklich für das Projekt, um die Arbeitsplätze in der Chemieindustrie der Region zu sichern. Allein der Landkreis Altötting verbrauche so viel Strom wie ganz Mittelfranken, gab er zu bedenken. Da sei es nötig, so viel davon wie möglich auch vor Ort zu erzeugen. Der geplante Windpark soll etwa zehn Prozent des Strombedarfs der örtlichen Industrie decken.
Gegnerin fühlt sich unter Druck
Die Atmosphäre bei der Bürgerversammlung war fast durchweg sachlich. Auch aus dem Publikum kam Unterstützung für das Projekt. Aber es gab eine Reihe kritischer Fragen, unter anderem zum Ertrag der Windräder, zur Zuverlässigkeit der neuen Generation von Anlagen. Die Zerstörung des Waldes stehe in keinem Verhältnis zum Ertrag, lautete eine Wortmeldung. Eine Frau sagte, es sei unerträglich, wie die Bürger mit der Drohung von Arbeitsplatzverlust unter Druck gesetzt würden und man werde "in die rechte Ecke gestellt", wenn man gegen Windkraft sei.
Anwalt verlässt Bürgerinitiative wegen "AfD-Unterwanderung"
Die Passauer Neue Presse (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) hatte gemeldet, dass der Rechtsanwalt Frank C. Starke aus Bad Reichenhall seine Zusammenarbeit mit der Bürgerinitiative "Gegenwind Altötting" aufgekündigt hat. Er könne, wolle und werde nicht "mit Verfassungsfeinden zusammenarbeiten", sagte der Rechtsanwalt der Zeitung und verwies darauf, dass in der Gegenwind-Bewegung AfD-Sympathisanten und -Funktionäre tätig seien und diese unterwanderten.
Söder nimmt in München Ergebnis schon vorweg
Während Aiwanger vor Ort für den Windpark im Chemiedreieck warb, nahm Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in München das Ergebnis gewissermaßen vorweg. Er wolle nicht vorab eingreifen, so Söder: "Es ist nur wichtig, dass am Ende der Windpark kommt." Ob mit 41 oder 39 Windrädern, darüber könne man diskutieren.
Im Video: Hubert Aiwanger spricht mit Gegnern eines Windparks in Mehring
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