Einen Tag nach der Bluttat in Aschaffenburg herrscht Fassungslosigkeit und tiefe Trauer in der Stadt. Es sei heute ein schwerer Gang, sagte Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD). Der Rathauschef, der auch als Feuerwehrmann tätig ist, erklärte, er habe in seinem Beruf bereits viele schlimme Dinge erlebt. Doch noch nie habe ihn eine Tat derart aufgewühlt, so Herzing. Anschließend legte er einen Kranz am Tatort nieder.
"Ich fühle, als wäre mein eigenes Kind gestorben, mein Bruder gestorben oder verletzt worden", sagte der Politiker. Vielen anderen gehe es vermutlich ähnlich. Zudem kündigte er für kommenden Sonntag um 10.30 Uhr eine Trauerfeier in der Aschaffenburger Stiftskirche an. Auch Politiker aus Land und Bund wollten dazu anreisen.
Kind getötet
In der unterfränkischen Stadt hatte am Mittwochvormittag im Park Schöntal ein Messerangreifer einen zweijährigen Buben und einen 41-jährigen Mann getötet. Er hatte sich schützend vor eine Gruppe von Kita-Kindern gestellt. Zudem verletzte der Angreifer ein zweijähriges Mädchen, das aus Syrien stammt, schwer. Es sei mit drei Messerstichen im Halsbereich ins Klinikum Aschaffenburg gebracht worden, sagt Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Dort sei auch ein 72-Jähriger wegen Stichverletzungen im Brustkorb operiert worden. Eine 59-jährige Erzieherin hat sich auf der Flucht vor dem Täter den Arm gebrochen und wurde ebenfalls in die Klinik gebracht. Alle sind laut Gerlach außer Lebensgefahr.
Wer ist der Tatverdächtige?
Tatverdächtig ist ein 28-jähriger Afghane, der in der Vergangenheit mindestens dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen und deswegen in psychiatrischer Behandlung war. Der Verdächtige war wegen eines von ihm selbst abgebrochenen Asylverfahrens ausreisepflichtig. Oberbürgermeister Herzing zog Parallelen zu früheren Tragödien wie den Taten von Solingen, Magdeburg oder der Bluttat vor vier Jahren in Würzburg. "Ein Geflüchteter greift unschuldige Menschen an - verletzt und tötet sie", so Herzing.
Er betonte die Gemeinsamkeiten der Taten, mahnte jedoch eindringlich davor, Hass zu schüren. "Warum der Mann die Tat begangen hat, wird die Polizei aufklären. Wie solche Taten verhindert werden können, das wird Inhalt vieler Gespräche in den nächsten Tagen und Wochen sein - in der Stadt, im Land und in der Bundesrepublik."
Erst im November hatte die Polizei den Park Schöntal als "gefährlichen Ort" eingestuft – vor allem wegen Straftaten wie Raub oder Körperverletzung innerhalb des Drogenmilieus. Seitdem wird der Park stärker von der Polizei kontrolliert, trotzdem fühlten sich viele Menschen dort abends und nachts nicht sicher, erklärte der Oberbürgermeister. Die unbegreifliche Tat sei aber am helllichten Tag geschehen, absolute Sicherheit sei nicht möglich: "Diese Gewissheit macht Angst. Sie macht mir Angst und sie macht uns allen Angst."
Tatverdächtiger vorm Haftrichter
Im Laufe des Nachmittags soll der mutmaßliche Angreifer einem Haftrichter vorgeführt werden. Ob er sich dort zu seinen Gründen für die Attacke äußern wird, ist ungewiss.
Hinweise auf ein islamistisches Motiv fand die Polizei bislang nicht. "Im Moment geht die Mutmaßung sehr stark in Richtung seiner offensichtlich psychischen Erkrankungen", erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
Tatmotiv weiterhin unklar
Die Suche nach dem Tatmotiv steht nun im Fokus der Ermittler. Zeugen müssen befragt und Spuren ausgewertet werden. Auch die Frage nach seiner Schuldfähigkeit zur Tatzeit dürfte die Ermittler beschäftigen. Zudem werden sich Behörden Fragen gefallen lassen müssen, warum der ausreisepflichtige mutmaßliche Täter noch in Deutschland war.
Im Video: Kranzniederlegung nach Bluttat
Mit Informationen von KNA, dpa und Reuters.
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