Die Bundesregierung will mit einer Reform das Rentenniveau in Deutschland bei 48 Prozent stabilisieren und den erwarteten Anstieg der Rentenbeiträge abbremsen. Dafür soll mit der sogenannten Aktienrente die Finanzierung auf ein zusätzliches Standbein gestellt werden: Das "Generationenkapital" soll als dritte Säule neben den Zahlungen aus den Beitragssätzen und den jährlichen Zahlungen aus dem Bundeshaushalt von derzeit jährlich 100 Milliarden Euro dazukommen.
Der Bund werde für das Generationenkapital Milliarden am Kapitalmarkt anlegen und aus den Erträgen ab Mitte der 2030er-Jahre Zuschüsse an die Rentenversicherung zahlen. Das kündigten Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) in Berlin an.
Lindner: Nutzen jetzt "Chancen des Kapitalmarkts"
Lindner erklärte, der Aufbau eines Kapitalstocks von rund 200 Milliarden Euro werde den wegen der alternden Bevölkerung zu erwartenden Anstieg der Rentenbeiträge abpuffern. "Über ein Jahrhundert wurden die Chancen des Kapitalmarkts in der gesetzlichen Rentenversicherung liegengelassen", sagte der FDP-Politiker. "Jetzt nutzen wir sie."
Für 2024 plant die Regierung demnach eine Einzahlung in den Fonds von zwölf Milliarden Euro. Dafür nimmt der Staat Kredite auf. Lindner versicherte, die Zinsen für Kapitalanlagen lägen "deutlich über den Zinsen, die wir für Staatsdarlehen bezahlen müssen". Den Plänen zufolge soll der Fonds bis 2036 auf 200 Milliarden Euro aufgestockt werden.
Heil: Wird keine Rentenkürzungen geben
Alle Menschen müssten sich auf die gesetzliche Rente verlassen können, betonte Heil. Ohne die Reform würde sich das Rentenniveau demnach ab 2027 von der Lohnentwicklung abkoppeln. Das bedeute, die Rentnerinnen und Rentner würden im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung ärmer. "Das werden wir mit der Sicherung des Rentenniveaus verhindern", sagte Heil.
"Es wird keine Rentenkürzungen und keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben", betonte der SPD-Politiker. Der Minister räumte allerdings ein, dass es wegen der demografischen Entwicklung ab Ende des Jahrzehnts zu einem Anstieg der Rentenbeiträge kommen werde. Derzeit liegen die Rentenbeiträge bei 18,6 Prozent des Einkommens.
DGB-Chefin Fahimi: "Sicher ist hier nur das Risiko"
💬 Mitdiskutieren lohnt sich: Die folgende Passage hat die Redaktion im Rahmen des BR24-Formats "Dein Argument" ergänzt. Hintergrund sind unter anderem Kommentare der User "junggeblieben", "Gordel" und "Xaver59", die auf die Risiken einer "Aktienrente" aufmerksam machen.
Kritik an den Plänen kommt unter anderem vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Dessen Chefin, Yasmin Fahimi, nennt das Generationenkapital in einer Mitteilung eine "Wette mit offenem Ausgang". "Sicher ist hier nur das Risiko", so Fahimi.
Fahimi ist mit dieser Kritik nicht allein. Auch die vom früheren Grünen-Politiker Gerhard Schick gegründete Initiative Finanzwende warnt grundsätzlich vor einer Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente. "Wir sehen viele Negativbeispiele aus anderen Ländern, wo die Rentenstabilität ein Problem ist, wenn es Verwerfungen an den Finanzmärkten gibt", erklärt der Leiter des Bereichs Finanzsystem und Realwirtschaft, Michael Peters. "Die gesetzliche Rentenversicherung ist denkbar ungeeignet, um damit an der Börse zu spekulieren", warnte auch Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.
Kühnert: "Hier wird nicht mit Beiträgen spekuliert"
Der Generalsekretär der SPD, Kevin Kühnert, hält dagegen, dass die Pläne nicht mit einer klassischen Aktienrente zu vergleichen seien: "Hier wird nicht mit den Beiträgen der Versicherten spekuliert am Aktienmarkt, was ja bedeuten würde, wenn die Börse krachen geht, dann stehen die Rentnerinnen und Rentner blöd da." Das sei ausgeschlossen. Das Risiko liege nicht bei den Versicherten. Sollten die Aktienkurse sinken und die Anlagen weniger Rendite abwerfen, solle dies vom Bund kompensiert werden.
Das Finanzministerium verweist darauf, dass sich die internationalen Kapitalmärkte in den vergangenen Jahrzehnten unter dem Strich sehr positiv entwickelt hätten. Das Geld solle daher langfristig, breit diversifiziert und global angelegt werden. "Historische Betrachtungen und Untersuchungen zeigen: Mit einer solchen Anlagestrategie konnten in der Vergangenheit zuverlässig positive Renditen erzielt werden", heißt es aus dem Ministerium. Und das Deutsche Aktieninstitut erklärt, dass zuletzt bei einem Anlagezeitraum von 20 Jahren eine durchschnittliche Rendite von mehr als 8,5 Prozent erwirtschaftet worden sei. 💬
Rentenreform soll bis Sommer durch den Bundestag
Der Gesetzentwurf aus dem Finanz- und dem Arbeitsministerium wird Heil zufolge nun innerhalb der Regierung abgestimmt und anschließend dem Kabinett vorgelegt. Ziel ist demnach, dass die Rentenreform noch bis zum Sommer im Bundestag verabschiedet wird.
Mit Informationen von dpa, AFP, epd und KNA
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