Es muss sich wohl noch rumsprechen: Als am vergangenen Donnerstag im Münchener Stadtteil Lehel zum ersten Mal überhaupt gelbe Säcke abgeholt wurden, lagen nur wenige davon vor den Haustüren. Dabei hatten Entsorgungsunternehmen überall im Lehel zu Beginn des Jahres gelbe Säcke, in vier weiteren Stadtteilen gelbe Tonnen und Wertstofftonnen ausgeteilt – es ist ein Pilotversuch der Stadt München. Die will wissen, was das beste Entsorgungssystem für Wertstoffmüll ist.
Anwohnerin: Wertstoffinseln sind "Unorte" in der Stadt
Für viele in München steht nämlich fest: Das jetzige System ist es nicht. Bisher mussten sie ihren Verpackungsmüll zu einer der 950 sogenannten Wertstoffinseln, also Stationen mit Müllcontainern in der Stadt, bringen. Das ist nicht nur aufwendig – seit Jahren kritisieren Anwohner, dass die Inseln zu voll und vor allem zu dreckig sind. "Auch wenn es Insel heißt. Es könnte so ein schöner Ort sein, ist es aber leider nicht", sagt etwa Anwohnerin Simone Reitmeier. Die Inseln seien "vermüllt" und damit ein echter "Unort" in der Stadt.
Die Folge des Ganzen: Große Teile des Münchner Wertstoffabfalls landen im Restmüll. Dies zeigen auch Zahlen der bayerischen Abfallstatistik am Beispiel Leichtverpackungen. Die nämlich sollen in München in der Wertstoffinsel entsorgt werden. Während in der Stadt München mit 335 Kilogramm Gesamtmüll pro Kopf 2022 insgesamt nur etwas weniger Müll als im bayernweiten Durchschnitt anfiel, fallen die gesammelten neun Kilogramm Leichtverpackungen pro Kopf im bayernweiten Vergleich weit ab: Hier wurden mehr als 22 Kilogramm pro Kopf gesammelt. Der Stadt ist dieses Problem bekannt – sie entgegnet auf BR24-Anfrage jedoch, dass der Müll in den Wertstoffinseln zumindest sortenreiner sei als im Durchschnitt.
Stadt München: Gelbe Systeme sind nicht per se das bessere System
Dennoch hält München seit mehr als 20 Jahren an dem System fest – als eine von nur drei Städten und Gemeinden in ganz Bayern. Der Großteil, nämlich 64 Prozent der Haushalte in Bayern, sind an das sogenannte Holsystem angeschlossen, indem der Wertstoffmüll in Tonnen oder Säcken an der Bordsteinkante abgeholt wird.
Ob dieses System jedoch für München wirklich besser ist, bezweifelt die Werksleiterin der Münchner Abfallwirtschaft, Kristina Frank.
Denn momentan führen private Entsorger mit den Wertstoffinseln 950 Standpunkte in der Stadt ab. Mit Tonnen oder Säcken müssten sie stattdessen 800.000 Haushalte abfahren. "Alles von dieselbetriebenen Lkw, das verursacht Stau, Schmutz und so weiter. Da muss man erst mal auf ein System kommen, das es dann besser macht", so Frank.
Was gehört in die gelbe Tonne oder den gelben Sack?
Auch das vermeintlich von Anwohnern bevorzugte gelbe System birgt Hürden: In die Wertstofftonne darf jegliche Leichtverpackung und anderer Plastikmüll wie Zahnbürsten - aber auch Altmetall wie Pfannen oder Töpfe. Die dürfen wiederum nicht in den gelben Sack oder die gelbe Tonne: Hier dürfen nur Verpackungen eingeworfen werden. Tabu für alle Systeme sind Glas, Altkleider oder Elektroschrott.
Doch wer sich die Mühe des Mülltrennens macht, möchte auch wissen, was damit passiert. Anwohnerin Simone Reitmeier beschäftigt sich privat viel mit dem Thema Abfall und moniert: "Wenn ich jetzt von den Informationen, die ich von der Stadt bekomme, ausgehe, ist man, glaube ich, nicht so gut informiert."
Stadt München weiß nicht, was mit Müll passiert
Auf Nachfrage teilt Kristina Frank von der Abfallwirtschaft München mit, sie wüsste selbst nicht, was genau die Entsorgungsunternehmen mit dem Wertstoffabfall machten. Fest steht: Am nachhaltigsten und damit das übergeordnete Ziel der Abfallwirtschaft München ist die Müllvermeidung - also Müll zu reduzieren. Landen Verpackungen im Restmüll, werden sie thermisch verwertet, also verbrannt. Nur wenn sie ordnungsgemäß entsorgt werden, ist derzeit eine wertstoffliche Verwertung möglich. Laut Informationen der Stadt wird derzeit knapp 60 Prozent des gesammelten Verpackungsmülls auf diese Weise weiterverarbeitet.
Was aber danach mit den Wertstoffen passiert, also wie oft sie recycelt werden, weiß die Stadt nicht. Dies sei Geschäftsgeheimnis der Unternehmer. Ein Ziel des Pilotversuches ist es damit auch, hier mehr Transparenz zu schaffen. Zeit hat sie dafür noch bis 2027, bis der Pilotversuch abgeschlossen ist.
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