Auf fast fünf Regalkilometern lagern im Deutschen Museum wertvolle Dokumente. Die ältesten sind fast 800 Jahre alt. Der langjährige Chefarchivar Wilhelm Füßl hat nun im Ruhestand ein Buch geschrieben und ist für die Vorstellung an seinen alten Arbeitsplatz zurückgekehrt.
Gänsehautmomente am Arbeitsplatz
Auch nach 30 Jahren im Archiv bekommt Wilhelm Füßl noch manchmal Gänsehaut, wenn er eine der Mappen und Kassetten öffnet. Vorsichtig faltet er das schützende Seidenpapier auseinander und gibt den Blick frei auf eine der erste Fotografien Deutschlands aus dem Jahr 1839. Zu sehen ist eine Ansicht der Neuhauser Straße in München.
Original-Skizze von Otto Lilienthal
"Es ist eine Ikone der Fotografie par excellence", schwärmt Füßl, "und schwupps muss ich es schon wieder weg tun". Zu lange sollte das Papiernegativ dem Licht nicht ausgesetzt sein. Zum Schutz der Dokumente trägt der Archivar weiße Stoffhandschuhe. Er greift nach der nächsten Mappe. Diese enthält eine Original-Skizze des Flugpioniers Otto Lilienthal für einen zusammenklappbaren Gleiter, gezeichnet im Jahr 1893.
Tagebuch eines bayerischen Industriespions
100 Jahre älter ist das Tagebuch von Georg von Reichenbach, der in England im Auftrag der bayerischen Regierung Industriespionage betrieben hat. Mutmaßlich mit Bestechung in Form von Tabak und Whisky verschaffte er sich Zugang zu Fabriken und zeichnete etwa eine Dampfmaschine von James Watt ab. "Und wen wundert es: Einige Jahre später baute Bayern eine Dampfmaschine", berichtet Füßl.
Säurefreie Mappen und feuerfeste Schränke
Die Lagerung der Kostbarkeiten im Archiv ist eine Herausforderung: So sind die Mappen säurefreie Spezialanfertigungen, die Kassetten luft- und staubdicht und viele Schränke feuerfest. Trotzdem treibt Wilhelm Füßl manchmal die Angst um, dass etwas passieren könnte. Wenn die wertvollen Dokumente zerstört würden, "das wäre eine Katastrophe", sagt er.
Handschrift aus dem Mittelalter
Unwiederbringlich verloren wären dann etwa das älteste Dokument: die Pergamenthandschrift eines Gelehrten aus dem 13. Jahrhundert – und auch die Original-Papiere zum Atomprogramm der Nazis. Von enormem Wert sind auch das Laborbuch, in dem der Chemiker Otto Hahn 1938 die Entdeckung der Kernspaltung dokumentiert hat, oder die Tonbänder von Oskar Sala: Der Pionier der elektronischen Musik hat ein 1930 vorgestelltes Instrument namens Trautonium weiterentwickelt und dann unter anderem Vogelgeräusche für Hitchcocks Film "Die Vögel" erzeugt.
Digitalisierung für das World Wide Web
Schon länger werden alle Dokumente digitalisiert, berichtet der heutige Chefarchivar Matthias Röschner. So viel wie möglich soll schon bald im Internet stehen – übrigens auch die einst so geheimen Aufzeichnungen aus dem Tagebuch des bayerischen Spions von Reichenbach. "Die Welt wird sich freuen", ist Röschner sicher. Auch wenn die Ergebnisse der Spionage nicht mehr so aktuell seien, so seien die Aufzeichnungen doch "für die Geschichte des heutigen Technologietransfers eine tolle Quelle".
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