Frauen haben im Nationalsozialismus Widerstand geleistet – auch wenn die meisten von ihnen unbekannt sind. Sie haben Verfolgte versteckt oder mit Nahrung versorgt, haben als Ärztinnen trotz Arbeitsverbots jüdische Patientinnen und Patienten behandelt oder sind politisch gegen den Nationalsozialismus vorgegangen. Daran hat die Münchner Initiative "Faces for the Names" (externer Link) erinnert.
Bei ihren Aktionen geht es den Aktivistinnen und Aktivisten darum, Einzelpersönlichkeiten aus der Zeit des Dritten Reiches in die Gegenwart zu holen. Dazu werden ihre Fotos an Häuserfassaden projiziert und ihre Biografien vorgelesen. 170 solcher Veranstaltungen hat der amerikanische Wahlmünchner Terry Swartzberg in den vergangenen Jahren schon veranstaltet - die meisten davon in Bayern.
Schülerinnen und Schüler recherchieren die Biografien von Widerstandskämpferinnen
Terry Swartzberg bindet in seine Erinnerungsarbeit meistens Schülerinnen und Schüler ein – dieses Mal an den Neuhofschulen in München. Sie recherchieren die Biografien, suchen Porträtfotos, digitalisieren sie und entfernen eventuelle Nazistempel, komponieren Rapsongs oder schreiben fiktive Briefe an die oft vergessenen Persönlichkeiten.
Die Gymnasiastin Pia Tölksdorf etwa hat sich mit Frauen beschäftigt, die schon in den 1920er-Jahren gegen die Nazis und für Frauenrechte gekämpft haben. Pia war völlig überrascht, dass allein in München neben der Weißen Rose noch Hunderte andere Menschen Widerstand geleistet haben und vor allem, dass so viele Frauen unter ihnen waren.
"Ich habe das Gefühl, heute denken sich viele, es ist selbstverständlich, dass Frauen die Rechte haben, die sie haben", sagt Pia, "aber in anderen Ländern sieht man, wie Frauen noch heute unterdrückt werden. Deshalb ist es wichtig, dass man nicht vergisst, dass diese Frauen dafür gekämpft haben, weil wenn man das für selbstverständlich hält, kann sich der Terror wiederholen und ihre Leistung zunichtemachen."
Frauen im Widerstand stehen immer noch im Schatten
Hinter den Mauern des Münchner Justizpalastes sind während der NS-Diktatur die Mitglieder der Weißen Rose und viele andere zum Tode verurteilt worden. An eben diese Fassade werfen nun die Schülerinnen und Schüler mit einem Beamer die Fotos von 18 mutigen Frauen, damit ihr Widerstand nicht vergessen wird. Etwa das Bild der Österreicherin und Nazigegnerin Ella Lingens, die in die Konzentrationslager von Auschwitz und Dachau deportiert wurde und im Münchner Frauenaußenlager "Agfa Kamerawerke" als Ärztin viele Häftlinge behandelte.
Vorgelesen hat ihre Biografie Laura Altmann vom Haus der Frauengeschichte in Bonn (externer Link). Ihr ist es ein Anliegen, den mutigen Frauen ein Gesicht zu geben und an sie erinnern: "Frauen stehen oft im Schatten, weil sie ihren Widerstand nicht als solchen gesehen haben und auch nicht so laut drüber geredet haben wie Männer."
Die Rosenheimerin Emma Hutzelmann zum Beispiel hat mit ihrem Mann russische Kriegsgefangene mit Lebensmitteln und auch Waffen versorgt. Lotte Branz hat mit ihrem Mann jüdischen Münchnern zur Flucht vor den Nazis verholfen. Das Lebensmittelgeschäft von Margot Linsert und ihrem Mann in München-Laim wurde zur Zuflucht für Widerstandskämpfer, die untertauchen mussten.
Erinnern heißt auch für das Heute lernen
Hildegard Kronawitter, die Vorsitzende der Weiße-Rose-Stiftung und frühere Landtagsabgeordnete, hat die Biografie der Armen- und Waisenpflegerin Antonie Pfülf vorgelesen, die sich schon in der Revolution von 1918 und dann in der Weimarer Republik für Demokratie engagierte. Aus Verzweiflung über die Vergeblichkeit ihres Kampfes nahm sie sich im Juni 1933 das Leben.
Hildegard Kronawitter glaubt, dass jede Generation die Lehren aus der Geschichte neu ziehen muss: "Die jungen Menschen sollten lernen, dass wir eine schreckliche Diktatur hatten und dass in dieser Diktatur Menschen nicht nur umgebracht wurden, weil sie eine andere Meinung hatten, sondern auch weil sie nicht zustimmen wollten." Das zu begreifen, bedeute auch, für das Heute zu lernen, meint Kronawitter, weil auch wir Heutigen Stellung beziehen und uns für die Menschenrechte einsetzen müssten.
Widerstand heute ist wichtig, aber nicht mehr lebensgefährlich
Wer heute Widerstand übt, muss jedoch nicht mehr sein Leben riskieren, sagt der Bayerische Justizminister Georg Eisenreich. Zivilcourage sei heute viel leichter, aber ebenso notwendig: "Das Leichteste ist, nein zu sagen", so Eisenreich. "Wenn Leute am Arbeitsplatz, am Gartenzaun, am Stammtisch, in der Familie hetzen oder gegen Minderheiten Hass verbreiten, fühlen sie sich ermutigt, wenn Beifall kommt, aber auch gebremst, wenn Widerstand kommt."
Solchen Aussagen zu widersprechen sei elementar, um die Demokratie und Offenheit unserer Gesellschaft zu schützen, meint Eisenreich. Schließlich stehe nicht immer ein Polizist dabei, und viele Aussagen seien zwar gefährlich, aber nicht unbedingt schon strafbar.
Schüler haben viel gelernt
Jede Gedenkveranstaltung von "Faces for the Names" hat einen eigenen Schwerpunkt. Mal geht es um Opfer der Todesstrafe unter der NS-Diktatur, mal wird an jüdische Sportlerinnen und Sportler erinnert oder eben an Frauen, die in München Widerstand geleistet haben.
Die Schülerinnen und Schüler der jüngsten Aktion haben viel aus ihrer Arbeit gelernt, sagen zum Beispiel Jamie, Leo und Leander. Sie hätten nun Gesichter von mutigen Frauen vor Augen, die ihnen ein Vorbild sein können. Und die gemeinsame Arbeit habe Spaß gemacht und sogar die Klassengemeinschaft gestärkt.
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