Gefälschte Fossilien
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Würzburger Lügensteine

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Mysteriöse Funde: Die Würzburger Lügenstein-Affäre

Mysteriöse Funde: Die Würzburger Lügenstein-Affäre

Sie gelten als einer der größten Fälschungsskandale in der Wissenschaftsgeschichte der frühen Neuzeit: die sogenannten Würzburger Lügensteine. Vor 300 Jahren tauchten sie auf mysteriöse Weise auf und geben der Wissenschaft bis heute Rätsel auf.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau am .

Im Mai 1725 sollen junge Burschen auf einem Berg im unterfränkischen Eibelstadt die sonderbaren Steine gefunden haben. Sie zeigen Pflanzen, Tiere und auch Himmelskörper. Schon damals war recht schnell klar, dass die Abbildungen nicht natürlich entstanden sein können. Aber unklar bleibt bis heute: Wer hat die Steine angefertigt?

Geheimnisvolle Figuren

Ein Rätsel wirft auch der Mann auf, der die Figurensteine als Erster untersucht hat: Johann Bartholomäus Adam Beringer, Leibarzt des Fürstbischofs von Würzburg und Professor der Medizin an der Universität. Er veröffentlicht ein Buch, in dem er die Steine beschreibt und als natürlich entstandene Versteinerungen bewertet. Sie zeigen Früchte, Lebewesen wie Fische und sogar kopulierende Frösche.

Wie es gewesen sein soll

Das Ganze geschah in einer Zeit, in der die Würzburger Residenz entstand. Ein vorübergehender Baustopp verursachte Geldnöte bei den Steinmetzen. Beringer hat die Eibelstädter Burschen gut bezahlt, damit sie ihm weitere Exemplare zur Untersuchung lieferten. Haben die Jungen etwa die Steine gefälscht, um sich finanziell zu bereichern? Im April 1726 ließ Beringer seine "Ausgräber" verhören.

Die Historikerin Petra Hubmann weiß: Im ehemaligen Stadtschreiberhaus in Eibelstadt beteuerten sie ihre Unschuld. Beringer schätzte, so hieß es, die Arbeit der Burschen und zahlte 300 Reichstaler für die 2.000 Steine. Zum Vergleich: Ein Universitätsprofessor verdiente damals pro Jahr nur ca. 100 Reichstaler.

Es war also eine immens hohe Summe, die er den Burschen bezahlt haben soll. Trotzdem bleibt die Geschichte wohl eine Legende, denn die Burschen waren wohl Kinder einer armen Steinmetzwitwe. Sie hatten zwar eventuell die handwerklichen Fähigkeiten, aber ohne Anleitung oder Vorgaben wären sie, so vermutet die Historikerin, nie in der Lage gewesen, diese außergewöhnlichen und teils exotischen Figuren herzustellen.

Johann Bartholomäus Adam Beringer und die "moderne" Wissenschaft

Von Beringer existiert bis heute kein Bild. Er war ein angesehener Gelehrter seiner Zeit – damals, als alte und neue Wissenschaften aufeinanderprallten. Beringer führte neue Methoden des Lehrens und Lernens ein. Wollten ihn Kollegen mit dem sagenhaften Fund hereinlegen, um ihn später mit der Wahrheit über die Fälschung zu blamieren?

Petra Hubmann ist überzeugt, dass Neid eines von vielen Motiven gewesen sein könnte. So hätten zwei Kollegen auch versucht, Beringer mit nachgemachten Steinen zu täuschen. Aber der war überzeugt, seine Steine seien in Eibelstadt ausgegraben worden. Für die alte Wissenschaft war Gott allein die Lösung aller Ungereimtheiten. Beringer aber versuchte alles, selbst die besonderen Steine wissenschaftlich zu erklären. Das war neu.

Die mysteriöse Herkunft der Steine

Beringer sei, so Hubmann, bereits einer der Gelehrten gewesen, die Fossilien im heutigen Sinne erkannten. Er habe aber gesehen, dass diese Figurensteine durch und durch steinern waren. Damit stellte sich für ihn die Frage: Wie wurden sie geformt? War es die göttliche Natur oder die Kunst?

Die neuen Wissenschaften drohten, dieses Weltbild zu verändern. Mensch und Natur wurden erforscht, Wunder konnten langsam widerlegt werden. Rund 2.000 Figurensteine sollen es einst gewesen sein, etwa ein Viertel davon wurde bisher gefunden. Der weltweit größte Bestand – genauer gesagt 184 und ein halber Stein - liegt in der Würzburger Universitätsbibliothek. Zwei Jahre hätte man zu jener Zeit gebraucht, um die Fälschungen anzufertigen. Wer hätte das Geld dazu gehabt?

Fake News aus der Vergangenheit?

Fest steht, auch nach 300 Jahren trifft dieser prominente Fälschungsskandal den Nerv der Zeit. Es werde immer wichtiger, zwischen Fakten und Fake News zu unterscheiden, betont Katharina Boll-Becht, die stellvertretende Leiterin der Universitätsbibliothek Würzburg.

Nicht zuletzt durch die weiter um sich greifende Künstliche Intelligenz seien wir alle angehalten, ganz genau hinzusehen, um zwischen Wahrheit und Fake News zu unterscheiden. Das Rätsel der Würzburger Lügensteine - ein echter Wissenschaftskrimi, der sich 1725 rund um die Residenzstadt zugetragen hat. Ein steinernes Geheimnis, das vielleicht für immer ungeklärt bleibt.

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