Eine überflutete Straße in einem Wohngebit, aus dem Wasser ragen zwei Autos.
Bildrechte: BR/ Judith Zacher

Das Hochwasser Anfang Juni hat große Schäden angerichtet. Viele private Hausbesitzer waren nicht versichert.

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Nach dem Hochwasser: Versichern – wie und wo geht das überhaupt?

Das Hochwasser Anfang Juni in Bayern hat schlimme Schäden angerichtet. Viele Hausbesitzer waren nicht versichert. Aber was bringt eine Elementarschadenversicherung eigentlich? Und bekommt sie auch jeder? Ein Experte klärt auf.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Nein, er habe keine Elementarschadenversicherung, sagt einer der Zuhörer, der zum Infoabend ins Dillinger Landratsamt gekommen ist. Die sei einfach zu teuer gewesen – jetzt überlege er sich das. Eine Reaktion, die Versicherungsexperte Andreas Hahn vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft kennt. Nach Katastrophen sei das Interesse an Versicherungen immer groß, ebbe dann aber wieder ab. Nach dem letzten großen Hochwasser in Bayern 2013 seien die Abschlüsse um etwa 20 Prozent gestiegen.

In Bayern sei das Risikobewusstsein der Bürger allerdings noch nicht so hoch, wie etwa im Nachbarland Baden-Württemberg. Dort hätten 97 Prozent der Hausbesitzer eine Elementarschadenversicherung abgeschlossen, in Bayern seien es nur knapp 50 Prozent. Dabei stünden in beiden Bundesländern etwa 50.000 Häuser in Hochwassergebieten. 97 Prozent Versicherte in Baden-Württemberg, diese Zahl zeige aber auch: Es geht, in den allermeisten Fällen. Auch wenn die Versicherungsprämien stark schwankten. Hier empfiehlt der Experte, mehrere Versicherungen anzufragen und zu vergleichen. Auch die Verbraucherzentralen beraten hierbei.

Experte empfiehlt: Jeder kann selbst etwas tun

Elementarversicherungen gibt es erst seit 1995. Sie greifen bei Überschwemmungen durch Flüsse, bei Starkregenereignissen, Schäden durch Schneedruck, bei Erdrutschen und Erdbeben. Und zwar: nur bei Gebäudeschäden. Einrichtungsgegenstände müsste man extra versichern, klärt der Experte auf. Er empfiehlt außerdem allen Hausbesitzern, selbst präventiv etwas zu tun. Hier seien nicht nur die Kommunen und das Land gefragt: Jeder könne selbst schauen, welche Schutzmaßnahme in seinem Haus sinnvoll sei. Also etwa eine Rückstauklappe im Keller anbringen oder Öltanks sichern.

Ausgelaufene Öltanks haben in vielen Häusern – etwa in Wertingen – riesige Schäden angerichtet. Hier ist nicht sicher, ob die Häuser überhaupt je wieder bewohnbar sein werden. Der Dillinger Kreisbandrat Frank Schmidt pflichtet dem Versicherungsexperten Hahn bei: Hausbesitzer, deren Gebäude in gefährdeten Gebieten stünden, sollten selbst etwa eine Pumpe anschaffen. Dann brauche man vielleicht nicht jedes Mal Hilfe, wenn ein wenig Wasser in den Keller gelaufen sei.

Pflichtversicherung – ja oder nein?

Bei der Diskussion um die Einführung einer Pflichtversicherung gehen die Meinungen auseinander. Der Dillinger Landrat Markus Müller (FW) spricht sich dafür aus, die Einführung einer solchen Pflichtversicherung zumindest zu prüfen. Derzeit seien einige Menschen versichert, andere hätten Schwierigkeiten, überhaupt eine Versicherung zu finden und wieder andere könnten die teils "exorbitanten Prämien" nicht zahlen. Es gehe ja nicht nur um Hochwasser. In Zeiten des Klimawandels nähmen auch Gefahren durch Wind, Starkregen oder Trockenheit zu. Da sollte man dieses Thema auf jeden Fall prüfen, so Müller. Er spricht sich für eine Grundabsicherung aus, die von der Gemeinschaft getragen würde.

Man brauche aber nicht nur mehr Versicherungsschutz. In erster Linie müsste der Hochwasserschutz verbessert werden. Die Menschen müssten hier eigenverantwortlich tätig werden, aber auch der Staat müsste schneller und aktiver Schutzmaßnahmen umsetzen. In Wertingen im Landkreis Dillingen etwa gibt es seit acht Jahren Pläne, was zu tun ist. Umgesetzt wurde noch nichts, weil, so Bürgermeister Willy Lehmeier, in den Wasserwirtschaftsämtern Personal fehle. Der Freie-Wähler-Bürgermeister fordert deshalb, den Kommunen hier mehr Entscheidungsbefugnisse einzuräumen, sodass diese selbst Aufträge vergeben dürften und schneller gehandelt werden könne.

Versicherungsexperte Hahn sieht hier keine Vorteile. Das Risiko für Schäden würde gleich bleiben – und daran würde die Höhe der Prämien berechnet. Eine privatwirtschaftlich organisierte Elementarschadenpflichtversicherung sei nicht vergleichbar mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie würde auch die öffentlichen Ausgaben für Schäden nicht mindern: Von den acht Milliarden aus öffentlicher Hand, die nach der Ahrtal-Katastrophe ausbezahlt wurden, sei der Großteil in Infrastruktur gesteckt worden. Nur 260 Millionen Euro seien von Privatleuten abgerufen worden.

Tipp: Alte Versicherungen checken – sind sie noch aktuell?

Die rund 40 Zuhörer des Infoabends in Dillingen und die weiteren 60 online zugeschalteten Zuschauer haben am Schluss noch einige Fragen. Kann eine Versicherung Forderungen stellen, wie etwa den Einbau von wasserdichten Fenstern, fragt eine Frau. Experte Hahn nickt: Prinzipiell könne es das geben. Komme man der vertraglich vereinbarten Forderung nicht nach, müsse die Versicherung auch nicht zahlen. Ob man nach einem Schadensfall hochgestuft würde, wie etwa bei der Autoversicherung, ist eine weitere Frage. Das verneint Hahn. Die in den vergangenen Jahren höher gewordenen Versicherungsprämien hätten mit den durch die Inflation gestiegenen Kosten in der Baubranche zu tun.

Wichtig sei es, empfiehlt Experte Hahn den Zuhörern, alte Versicherungen durchzuschauen, um zu checken, ob die so überhaupt noch brauchbar seien. Einen Tipp hat der Experte noch für die Zuhörer: Im Internet gibt es einen Hochwassercheck (externer Link). Hier kann jeder einfach sein eigenes Risiko berechnen. Je geringer das Risiko, desto geringer in der Regel die Versicherungsprämie. Sicher ist deshalb aber niemand. Gerade das jüngste Hochwasser im Juni zeigt: Vielerorts war so viel Wasser wie noch nie, wie etwa in Wertingen. Und: Viele Gebiete waren betroffen, wo man nie damit gerechnet hätte.

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