Beatrice Reith hat stundenlang Sandsäcke gefüllt. Ihr Haus im Manchinger Ortsteil Pichl sah sie nicht in Gefahr. Trotzdem arbeitete sie bis morgens um 5 Uhr, schleppte Säcke, hielt Dammwache. Doch der Damm gab den Wassermassen nach: "Und dann hieß es irgendwann: Abbruch, Rückzug, Pichl wird aufgegeben", erinnert sich Reith. "Und wenn Sie das hören, geht das durch und durch."
Schäden können behoben werden, aber was ist mit den psychischen Folgen?
Das Wasser kam schnell. Mitnehmen konnten sie kaum noch etwas. Bis ins Erdgeschoss stand das Wasser, verursachte rund 200.000 Euro Schaden. Das Haus ist noch immer nicht bewohnbar. Familie Reith ist seitdem bei Freunden untergekommen. Das Hochwasser ist für sie noch lange nicht vorbei: "Wir leiden massiv darunter", sagt sie.
Den finanziellen Schaden hätte die Familie zum Glück im Griff, aber die Auswirkungen auf die Psyche seien enorm. "Ich fühle mich entwurzelt, entheimt – nicht entheimatet, aber entheimt, und weiß nicht, wo ich in fünf Jahren leben werde." So geht es vielen Menschen in der vom Hochwasser betroffenen Region.
Professionelle Hilfe suchen beispielsweise bei Traumaberatern und -beraterinnen
Finden Betroffenen nicht mehr selbst aus ihrem Gedankenstrudel heraus, können sie sich professionelle Hilfe holen. Oft helfe schon ein gutes Gespräch, sagt Ina Wölfel von der Familienberatungsstelle des Landkreises Neuburg-Schrobenhausen. Dort bieten sie solche Gespräche an – kostenlos.
Traumaberater und -beraterinnen wie Ina Wölfel können auch konkrete Erklärungen und Strategien liefern, um mit Traumata und ihre Nachwirkungen umzugehen. Das Gehirn verarbeite verstörende Situationen mit einer Art Steckbrief, erklärt Wölfel. Das Gehirn verbinde dann Geräusche, Gerüche oder auch Farben mit dem Erlebnis und speichere sie auf einem sogenannten Traumasteckbrief. Der wird abgerufen, wenn man beispielsweise Regen hört: "Die Menschen befinden sich dann wieder in der Situation, in der Hilflosigkeit", sagt Wölfel.
Dagegen gilt es anzukämpfen, und zwar mit verschiedenen Übungen, erklärt Traumaberaterin Wölfel: "Ich achte auf meine Atmung oder mache irgendetwas, was andere Bereiche im Gehirn aktiviert: Ich rechne, ich lese." Kinder könnten zum Beispiel auch mit den Füßen auf den Boden stampfen, damit sie wieder ins Hier und Jetzt kommen, sagt Wölfel. Speziell für Kinder hat die Beratungsstelle ein Austauschgespräch angeboten.
Austausch für Kinder in Schrobenhausen
Bei einem dieser Austauschnachmittage Ende Juli hatten die Kinder bereits Gelegenheit, über das Erlebte zu sprechen. Mit Legebildern erzählten sie, wie sie das Hochwasser empfunden hatten, wo das Wasser stand und was sie verloren haben. "Jedes Kind hat die Situation anders erlebt: Einige kommen sehr gut damit klar, andere beschäftigt es mehr", berichtet die Pädagogin.
Immer wieder habe es Spiele zwischen den Gesprächsrunden gegeben, damit die Kinder Anspannung abbauen können, erzählt Wölfel. Eine weitere Rolle spiele natürlich auch das, was im Hochwasser verloren gegangen sei. Auch hier gebe es Tipps, wie man von lieb gewonnenen Dingen Abschied nehmen könne. "Wir haben zum Beispiel erklärt, dass die Kinder ein Erinnerungsbuch malen können", so Wölfel.
Niederschwellige und kostenlose Beratung
Wichtig sei, dass die Kinder nun gut begleitet werden. Dafür müssten die Erwachsenen aber auch auf sich achten. "Wir sprechen da von Leuchttürmen für die Kinder", nämlich von Eltern, Verwandten oder anderen Bezugspersonen. "Aber wer als Leuchtturm funktionieren will, muss ihn auch warten." Heißt: Selbstfürsorge – was tut mir gut? Was brauche ich?
Die Beratungsstelle in Schrobenhausen bietet niederschwellige Hilfe an. Betroffene benötigen keine Überweisung von einem Arzt oder Ähnliches. "Ein Anruf oder eine E-Mail genügt", sagt Wölfel. Ob man als Elternteil kommt oder als Familie, könne jeder selbst entscheiden. Auch ob man nur ein Gespräch möchte oder mehrere, entscheide jeder für sich.
Im Video: So geht es den Hochwasseropfern in Bayern nach der Flut
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