Nach dem Tod eines 20-Jährigen, der mutmaßlich von einem Maskenverweigerer erschossen wurde, äußern Spitzenpolitiker Entsetzen und fordern zu einer verbalen Abrüstung im Streit um Corona-Maßnahmen auf.
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Die stellvertretende Sprecherin der Bundesregierung, Ulrike Demmer, sagte am Mittwoch in Berlin, "die Enthemmung von Gewalt macht sprachlos". "Es war ein kaltblütiger Mord", erklärte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und sprach sein Beileid für Angehörige und Freunde aus. Dabei zeigte sich die Bundesregierung besorgt über Hass und Hetze, die in sozialen Netzwerken im Zusammenhang mit der Diskussion um die Corona-Politik verbreitet werden. Man müsse entschieden Nein sagen zu dieser Form von "Pandemie-Extremismus", sagte Spahn. "Ich kann nur sehr dafür werben, dass wir alle miteinander genau aufpassen, wie wir Worte wägen, wie wir umgehen mit Verschwörungstheorien."
Zuvor hatte bereits die Polizeigewerkschaft GdP vor einer Radikalisierung der Corona-Leugner gewarnt.
Gewaltbereiten Corona-Leugnern mit aller Macht entgegen stellen
Demmer erklärte im Namen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), es sei "verstörend", dass die Tat in sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten zum Anlass genommen werde, die Gesellschaft zu spalten und noch mehr Hass zu schüren und Hetze zu verbreiten. Die Tat werde missbraucht, um öffentlich zur Gewalt aufzurufen.
Demmer stellte sich auch hinter die Forderung von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD), wonach sich der Rechtsstaat gewaltbereiten Corona-Leugnern mit allen Mitteln entgegenstellen müsse. Sie verwies dabei auch auf den Anschlag auf ein Impfzentrum in Sachsen in der vergangenen Woche. Die Sicherheitsbehörden seien deshalb "sehr wachsam" und beobachteten die zunehmende Radikalisierung in der Querdenker-Szene "sehr aufmerksam".
Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums verwies auf das von der Regierung beschlossene Gesetz gegen Hasskriminalität, das ein Vorgehen gegen entsprechende Vergehen erleichtere.
Innenministerium: Dramatische Verrohung der Gesellschaft
Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte, die Tat zeige ein dramatisches Ausmaß von Verrohung in der Gesellschaft. Nach allen bisherigen Erkenntnissen handele es sich um einen "extremen Einzelfall", aus dem keine generalisierenden Rückschlüsse gezogen werden könnten. Es gebe derzeit keine Erkenntnisse über Mittäter oder weitere Beteiligte im strafrechtlichen Sinne.
Eine mögliche Einbindung des Todesschützen in die Querdenkerszene sei Gegenstand der laufenden Ermittlungen. Zur Querdenkerszene im Allgemeinen sagte er, den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden zufolge verkleinere sie sich. Es gebe aber einen kleinen Kern, der sich zunehmend radikalisiere.
Maskenverweigerer schießt Tankstellen-Mitarbeiter in den Kopf
Der Tankstellen-Mitarbeiter und Student war am Wochenende von einem Kunden mit einem Revolver getötet worden. Der 49 Jahre alte mutmaßliche Täter wollte ohne den in der Pandemie vorgeschriebenen Mund-Nasen-Schutz Bier kaufen. Darüber gab es laut Polizei zwischen dem Kunden und dem späteren Opfer "eine kurze Diskussion". Demnach verließ der 49-Jährige die Tankstelle, kam aber etwa eineinhalb Stunden später zurück und erschoss den 20-Jährigen.
In seiner Vernehmung gab er laut Polizei an, er lehne die Anti-Corona-Maßnahmen ab. Nach der Tat zeigt die Polizei in dem Ort verstärkte Präsenz auf den Straßen. Viele Menschen in der Region seien nach der grausamen Tat verängstigt, begründete die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Mittwoch in Mainz die Maßnahme. Besonders gelte dies für Busfahrer, Verkäufer, Behördenmitarbeiter und andere Berufsgruppen, die auf die Einhaltung der Corona-Regeln achten müssten.
Tat "unfassbar zynisch und schrecklich"
Der Mord an dem jungen Mann sei "unfassbar zynisch und unfassbar schrecklich" und mache eine harte Reaktion des Staates erforderlich, ergänzte sie. Zudem kündigte Dreyer an, dass auch ehrenamtliche Wahlhelfer noch einmal gezielt auf den Umgang mit Verstößen gegen Abstands- und Maskengebote vorbereitet werden sollten. Im Zweifelsfall sei es immer besser, die Polizei zu rufen, statt einen Streit eskalieren zu lassen.
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