Wer Opioide wie Heroin, Tilidin oder Fentanyl konsumiert, will damit häufig Anspannung und negative Gefühle dämpfen. Doch die Gefahr einer lebensgefährlichen Überdosis ist gewaltig. Wer zu viel schluckt, spritzt oder raucht, dem kollabieren Atemwege und Kreislauf. Es folgt: der Tod. Das passiert in Deutschland immer öfter. Um das im Extremfall verhindern zu können, gibt es ein Gegenmittel: Naloxon. Damit stattet der Leiter des Nürnberger Gesundheitsamts seit September Streetworker aus.
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Kleines Mittel für große Erfolge
Naloxon ist eine Art Gegengift für Opioide, erklärt Klaus Friedrich. Er ist Notarzt und leitet das Nürnberger Gesundheitsamt. Friedrich erklärt: "Naloxon setzt sich an die Rezeptoren, an denen Opioide andocken. Damit spült das Mittel die Drogen weg, die Patienten wachen wieder auf." Nebenwirkungen habe Naloxon praktisch nicht, trotzdem muss es vom Arzt verschrieben werden.
Seit 2018 können Ärzte Naloxon für Konsumierende verschreiben. Doch wenn die auf der Straße umklappen, können sie sich schlecht selbst das Nasenspray verpassen. "Deshalb schulen wir jetzt die Personen, die in der Szene unterwegs sind", sagt Friedrich. Damit delegiert er seine notärztliche Tätigkeit an die Ersthelfer.
Warum das wichtig ist, erklärt Sanitäterin Johanna Wiesner. Sie hat mehrmals die Woche mit zugedröhnten Patienten zu tun: "Das größte Problem bei einer Überdosierung ist, dass die Atmung aussetzen kann. Je schneller die Menschen Naloxon bekommen, desto höher ist die Chance, dass die Menschen die Überdosis überleben."
Schulungen bald auch für Sicherheitskräfte
Seit September haben die Nürnberger Streetworker der Drogenhilfe Mudra das Spray schon einige Male eingesetzt – und Leben gerettet. Besonders der erste Einsatz war eindrücklich, schildert Mudra-Geschäftsführer Norbert Wittmann. "Der Mann war schon blau angelaufen. Ohne Naloxon wäre er gestorben, bis der Rettungsdienst da war." Ab dem Tag sei dem Mudra-Kollegium klar gewesen: "Wir sind Fans von Naloxon." Inzwischen führe jeder Mudra-Mitarbeiter, der in Kontakt mit Opioid-Konsumenten kommt, Naloxon mit sich.
Wittmann ergänzt: "Wir begrüßen die Aktion von Herrn Friedrich sehr, für uns ist er ein Pionier." Friedrich ist der Erste in Deutschland, der Naloxon nicht nur an Patienten, sondern auch an Personen abgibt, die in eventuelle Notfälle mit eingebunden sind. Ab Februar will er auch Kurse für Polizei und Security-Kräfte anbieten. Ob die Schulungen die Zahl der Drogentoten in Nürnberg nach unten drücken können, werde man in den kommenden Monaten beobachten.
Drogenkonsum steigt – auch in Nürnberg
Nürnberg erlebte vor fünf Jahren den Höchststand an Drogentoten. Damals starben 34 Personen in einem Jahr – im Verhältnis zur Einwohnerzahl so viele wie in keiner anderen deutschen Stadt. 2023 waren es 16 Personen.
Generell konsumieren die Deutschen immer mehr illegale Drogen. Das geht aus dem kürzlich veröffentlichten Bericht "Drogenmärkte & Kriminalität 2024" der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht hervor. Im vergangenen Jahr starben laut Bericht 2.227 Menschen durch illegale Drogen. Das sind doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Und so viele wie noch nie zuvor. Die meisten von ihnen haben laut Gesundheitsamt Nürnberg Opioide konsumiert.
Das Problem mit synthetischen Opioiden
Der Heroin-Rohstoff Opium kam lange in erster Linie aus Afghanistan. Nachdem die Taliban den Anbau von Schlafmohn, aus dem das Opium gewonnen wird, vor zwei Jahren verboten haben, brach die weltweite Opium-Produktion laut einem UN-Bericht um 74 Prozent ein. Die Abhängigkeit der Konsumenten bleibt aber bestehen, also behelfen die sich mit synthetischen Opioiden als Ersatz. Die sind allerdings deutlich stärker als die "klassischen" Substanzen und führen daher schneller zu Überdosen. Fentanyl ist beispielsweise laut Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) 50 Mal stärker als Heroin.
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