Eigentlich ist Yasmin immer noch ein wenig fassungslos. Es fühlt sich noch so unwirklich für die junge Frau an, dass sie von ihrer schweren Autoimmunerkrankung geheilt worden ist. Zehn Jahre lang litt sie unter SLE, dem Systemischen Lupus Erythematodes. Die vielen Therapien und Medikamente haben alle langfristig nichts gebracht. Bis jetzt.
Was ist SLE?
Beim SLE greift das Immunsystem körpereigene gesunde Zellen an und löst so eine Entzündungsreaktion aus, was zur Schädigung von Organen führen kann. Yasmins Nieren waren zuletzt so stark in Mitleidenschaft gezogen worden, dass sie fast versagten. Darüber hinaus hatte die 17-Jährige starke Schmerzen und war meist dermaßen erschöpft, dass sie keinen normalen Alltag bewältigen konnte.
Abwehrzellen im Labor "bewaffnet"
Yasmins Leben hat sich seit der CAR-T-Zelltherapie vor sechs Monaten komplett verändert. Es handelt sich dabei um eine Immuntherapie, die bereits bei einigen Krebserkrankungen erfolgreich wirkt. Doch bei Autoimmunerkrankungen wie dem Systemischen Lupus Erythematodes wird sie derzeit nur in Studien eingesetzt. Yasmin ist eine von drei jungen Menschen, die bislang damit an der Uniklinik Erlangen behandelt wurden.
Mithilfe dieser Therapie wurde Yasmins Immunsystem sozusagen neu gestartet, in dem ihr körpereigene T-Zellen entnommen und im Labor durch einen sogenannten chimären Antigen-Rezeptor (CAR) verändert wurden. Wieder zurück in Yasmins Körper konnten die auf diese Art und Weise "bewaffneten" Zellen dann die in Yasmins Fall schädlichen B-Zellen erkennen und töten.
Medikamente hatten keine Wirkung
Mittlerweile haben die CAR-T-Zellen schon wieder den Körper von Yasmin verlassen, berichtet Silvia Spörl, Professorin für Hämatologie und Onkologie an der Uniklinik Erlangen. "Die CAR-T-Zellen haben ihren Job erledigt und die Verträglichkeit des Immunsystems wieder hergestellt. Dieser Effekt bleibt längerfristig bestehen", freut sie sich für die 17-jährige Patientin.
Die Blutwerte zeigen eine deutliche gesundheitliche Verbesserung in den vergangenen sechs Monaten, stellt auch der Leiter der Kinderrheumatologie Dr. Tobias Krickau zufrieden fest. Er behandelt Yasmin bereits seit zehn Jahren an der Uniklinik Erlangen. "In der Vergangenheit musste Yasmin viele Medikamente einnehmen, von denen jedoch keines nachhaltig gewirkt hat. Erst die CAR-T-Zelltherapie hat dazu geführt, dass der Lupus sowohl im Labor als auch in den klinischen Untersuchungen nicht mehr nachweisbar ist", sagt Dr. Krickau.
Pilotstudie lässt hoffen
Langzeiterfahrungen gibt es bei der Behandlung des SLE mit CAR-T-Zellen allerdings noch nicht. Dazu ist die Therapie bei dieser Erkrankung noch zu neu und in der Studienphase. Die Pilotstudie zum systemischen Lupus hat das Erlanger Ärzte- und Wissenschaftler-Team um Prof. Mackensen (Hämatologie und Internistische Onkologie) und Prof. Georg Schett (Rheumatologie und Immunologie) Anfang des Jahres im renommierten New England Journal of Medicine veröffentlicht. Des Weiteren hat das Team der Uniklinik Erlangen kürzlich im medizinischen Fachjournal "The Lancet" über eine weitere erfolgreich abgeschlossene Behandlung berichtet.
Zukunftspläne schmieden
Das lässt betroffene Menschen hoffen, dass sie mithilfe dieser Immuntherapie genauso wie Yasmin wieder ein ganz normales Leben führen können. Die junge Frau ist jetzt körperlich wieder belastbarer und geht Schwimmen, kann längere Strecken zu Fuß zurücklegen und hat keine Schmerzen mehr.
Yasmin schmiedet auch wieder Pläne und möchte den Schulabschluss machen und ein Hebammenstudium absolvieren. Durch die erfolgreiche Behandlung kann sie überhaupt erst wieder an eine Zukunft glauben.
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